Auf „Bodies“ machen sich AFI ein weiteres Mal frei von allen Erwartungen und schaffen ein Werk voller Überraschungen und ganz großer Momente. Eine Kern-DNA gibt es allerdings doch. Allerdings wissen AFI mittlerweile sehr gekonnt, wie sie ihre Stärken herausspielen und trotzdem experimentierfreudig bleiben können.
„Ein sehr gelungenes Album, das sicherlich wegen seiner schnellen Zugänglichkeit, aber auch wegen seinem Tiefgang zukünftig gerne öfter laufen darf.“
Same same, but different
Die punkigen Anfänge liegen lange hinter AFI und auch die rockigen Emo-Nummern, die man auf „Sing The Sorrow“ und „Decemberunderground“ lieben gelernt hat, stammen aus einer ganz anderen Ära der Band. Die einzige Konstante ist Weiterentwicklung und das steht AFI sehr. So mischt sich auf dem neuen Album „Bodies“ eine sehr anständige Prise 80er Feeling in die Songs und das steht dem Gesamtpaket wirklich sehr gut zu Gesicht. „Alte“ AFI müssen die Anhänger:innen der Band trotz allem nicht vermissen. Hier und da scheinen die einzelnen Schaffensperioden der Jungs durch. Statt Wiederholung gibt es auf „Bodies“ also Weiterentwicklung zu hören.
Mit „Twisted Tongues“ startet „Bodies“ direkt mit einem alten Bekannten. Die Single lief bei mir schon rauf und runter und satt gehört habe ich mich auch nach Wochen nicht daran. Sieben der elf Songs wurden bereits vorab veröffentlicht und so konnte man sich bereits im Vorfeld einen ordentlichen Eindruck vom neuen Album verschaffen. Aber auch unter den unveröffentlichten Songs finden sich nette Überraschungen, wie das nach vorne preschende „On Your Back“. Im ersten Albumdrittel hat mich aber vor allem das bereits bekannte „Dulceria“ überzeugt. Bass und Schlagzeug tragen die Nummer und gerade die Strophe ist einer der größten Momente auf „Bodies“. Havoks Stimme war immer schon beachtlich, selten aber kam sie so zur Geltung, wie auf diesem Song. Ganz großes Kino.
Zeitreise mit AFI
Was direkt ins Auge fällt ist der erwähnte 80er Jahre Vibe. Die Songs auf „Bodies“ erinnern mit ihren Synthesizern, Popmelodien und Gitarrenparts doch oft an Bands wie The Cure oder Echo And The Bunnymen, teils aber mit etwas mehr Emo-Rock. Das trifft bei mir einen Nerv und so kriegt mich die Platte schon recht früh. Ohrwurm der Scheibe ist dann „Escape From Los Angeles“, das sich so auch auf „Sing The Sorrow“ hätte befinden können.
Dabei schaffen es AFI über die komplette Spielzeit das Niveau zu halten. „No Eyes“, der vorletzte Track, gehört dank gutem Tempo und ordentlich Druck zu einem der Highlights der Scheibe. Über die Strecke des Albums wechseln AFI gekonnt zwischen schnellen Nummern und den bittersüßen Momenten, die man auch auf The Cure Alben finden würde. So ergibt sich eine sehr schöne und ausbalancierte Mischung.
Man merkt der Band an, dass sie in der aktuellen Besetzung schon einige Jahre sehr gut aufeinander eingespielt ist. Jedes Instrument bekommt genügend Platz sich zu präsentieren, ohne dabei aufdringlich zu sein. So kommen die meisten Songs musikalisch mit leichtem Understatement, aber großem Können daher und es wird schnell klar, dass die große Stärke der Jungs im gekonnten Songwriting und der Präsentation des eigenen Könnens liegt.
Davey Havoks Stimme trifft noch immer einen Nerv und wenn sie auf „Tied To A Tree“ nur durch spärliche Instrumentierung genügend Raum bekommt, wünscht man sich einen reinen Akustikrelease der Band.
Hier sind Könner am Werk
„Bodies“ wirkt in Summe nicht nur wie die konsequente, sondern auch sehr gekonnt umgesetzte Weiterentwicklung der Band. Havoks Stimme trägt durch die elf Songs, die perfekt ausarrangiert sind und sowohl durch treibende Energie, als auch durch Ohrwurmmelodien am Fließband überzeugen. Besonders die Upbeat-Basslines von Hunter Burgan haben es mir angetan. Auch wenn man schnellen Zugang zu den Songs findet, sind diese voller kleiner Finessen, die es durch mehrmaliges Hören zu entdecken gilt.
Der 80er Vibe bringt die nötige Eigenständigkeit, die „Bodies“ nochmal veredelt. Ein sehr gelungenes Album, das sicherlich wegen seiner schnellen Zugänglichkeit, aber auch wegen seinem Tiefgang zukünftig gerne öfter laufen darf. Für mich der beste Release seit „Sing The Sorrow“.