Wenn Du an die Zeit denkst, als Comeback Kid mit den Arbeiten am Album begonnen hat und diese mit heute vergleichst: Ist „Outsider“ (Review) so, wie Du es Dir von Anfang an gewünscht hast oder hat sich das Album erst über den Prozess hinweg entwickelt?
Ich bin einfach froh, dass alles geklappt hat. Denn wenn Du damit beginnst, ein Album zu schreiben, setzt es Dich immer etwas unter Druck. Jeder möchte das beste Album seines Lebens schreiben. Das ist das Ziel. Ich freue mich, dass alles zusammengefunden hat, denn an einigen Punkten des Prozesses denkst Du „hey, das ist großartig!“ und im nächsten Moment „oh man, das ist echt schlecht“ . Da schwingen viele Selbstzweifel mit. Aber ich bin glücklich, dass das Album bald veröffentlicht wird und die Leute es hören. Ich denke sie mögen es bisher. Für mich passt alles zusammen und das macht mich froh.
Ihr habt bereits einige Songs live gespielt, richtig?
Haben wir. Wir haben bisher nur einen Song live gespielt, „Absolute“. Wir hatten fast den ganzen Sommer frei und im September, wenn das Album draußen ist, werden wir damit anfangen, einige neue Songs zu spielen.
„Dass jeder seine Ideen einbringen konnte, macht die Songs vollkommen“
Comeback Kid fokussiert sich nicht auf ein spezielles Genre, aber auf den letzten Alben gab es immer eins das überwog. Auf „Outsider“ wirkt es so, als hättet Ihr das Beste aus allen Genre ausgesucht und auf das Album gebracht. War das der Plan, als Ihr angefangen habt, das Album zu schreiben?
Ich denke eine Sache, die wir alle hauptsächlich verfolgt haben, war, dass das Album einen geradlinigen, direkten Sound haben sollte. Wir wollten einige Themen und Merkmale mehr in den Vordergrund stellen und sagten uns „lasst uns diese Hauptmerkmale in diesem Song nicht verstecken und lasst sie uns direkter und ganz deutlich hervorheben“ . Das war ein Faktor. Der andere war, dass wir drei Hauptkomponisten hatten. Deswegen war es mehr wie eine Gruppenarbeit. Auf einigen früheren Alben waren es nur Jeremy und ich. Aber jetzt haben tatsächlich alle in der Band ihr eigenes Instrument gespielt und jeder konnte seinen Teil zu dem Album beitragen. Ich denke, dass jeder seine Ideen einbringen konnte, macht die Songs vollkommen.
Ich lebe nicht in der Vergangenheit, ich denke immer vorwärts. Aber beispielsweise Stu, der seit fünf Jahren oder so in der Band ist, sagt eher „Ich möchte mehr Songs im „Wake The Dead“-Stil schreiben!“ . Es ist cool, wenn er seine eigenen Interpretationen davon machten möchte. Er bringt was auf den Tisch, wir nehmen Sachen raus, wir bringen Sachen rein und es macht wirklich Spaß. Bei einigen Songs meinten die anderen „Das ist wirklich seltsam…“ und ich sagte: „Ich weiß, Ihr seht die Vision dieses Songs gerade noch nicht, aber folgt mir eine Zeit lang auf diesem Weg und ich verspreche Euch, dass am Ende alles zusammenpasst“ . Das ist oft passiert. Und ich denke, dazu sollte ich noch was hinzufügen: Ich liebe es, schnelle, thrashige Songs zu schreiben. Aber ich erinnere mich an einige Momente, in denen Jeremy und Stu diese wirklich schnellen Songs – die jetzt auf dem Album sind – geschrieben haben und als direktes Gegenstück darauf habe ich mehr lustige, poppige Songs geschrieben. Ich wollte etwas komplett anderes schreiben.
Wie in „Hell Of A Scene“?
Den Song habe ich nicht geschrieben. Aber immer wenn wir ihn gespielt haben, haben wir danach drüber gelacht. Es ist irgendwie ein lustiger Song, aber das wissen wir und das macht es witzig für uns.
„Wir wurden schon immer von Thrash Metal inspiriert“
Ich denke besonders die Metal-Parts stechen auf dem neuen Album hervor, fügen sich aber perfekt in das Gesamtbild ein. Was hat Euch hier inspiriert?
Wir wurden schon immer von Thrash Metal inspiriert. Jeremy und Stu sind definitiv größere Metal-Fans als ich. Vielleicht ist es ihr Hintergrund, der hier durchkommt. Ich komme eher aus der Hardcore- und Punk-Ecke. Es sind einfach verschiedene Einflüsse von verschiedenen Leuten. Wir hören viel Metal und Punk. Das hört man auch auf dem Album.
Warum habt Ihr „Absolute“, „Somewhere Somehow“ und „Surrender Control“ als erste Auskopplungen gewählt, die Ihr Euren Fans zeigen wolltet?
Wir haben „Absolute“ als ersten Song gewählt, weil wir wussten, dass wir für den ersten Song kein Video fertig kriegen werden. Aber er ist ein guter Hardcore Song, er ist stark und catchy. Er repräsentiert Comeback Kid ziemlich gut. „Somewhere Somehow“ und „Surrender Control“ sind für mich sehr geradlinige Songs auf dem Album. Sie sind sehr catchy und melodisch und wir konnten für sie Videos abdrehen. Ich denke, dass diese Songs auf jeden Fall eine der stärksten auf dem Album sind. Deswegen haben wir sie ausgewählt.
Auf Euren Album habt Ihr einige Gastsänger, wie zum Beispiel Chris Cresswell von The Flatliners…
Oh ja!
Das ist ziemlich cool.
Auf jeden Fall! Magst Du die Flatliners?
Ja, sehr.
Weißt Du noch, wie wir gerade darüber geredet haben, dass ich verschiedene Arten von Songs schreiben wollte? Das war zum Beispiel einer von ihnen. Wir hatten diese ganzen thrashigen Metalsongs und ich dachte mir „Fuck this, ich schreibe was ganz anderes“ . Also startete ich mit den ersten Riffs und ging mehr in Richtung H2O, Green Day, was auch immer. Ich hatte die ganze Vocals bereits, aber in dieser Tonlage hat meine Stimme nicht die richtige Power. Ich kann meine Stimme in einer tieferen Lage nicht aggressiv klingen lassen.
Deswegen hatte ich die Idee, dass Chris es vielleicht machen könnte, weil er eine natürliche, raue Stimme in dieser tieferen Lage hat. Ich habe den Gesang bereits aufgenommen, aber in einer höheren Stimmlage. Also trafen wir uns im Studio in Toronto, wo ich und auch er leben, und ich hab ihn gefragt, ob er einige Parts von mir übernehmen könnte. Es hat Spaß gemacht, es war eine lustige Zusammenarbeit. Immer wenn ich einen Gastsänger ins Boot hole, soll er etwas machen, was ich nicht kann.
Ich finde es auch sehr interessant, dass der Song sowohl zu The Flatliners als auch zu Comeback Kid passt, aber es trotzdem klar ist, dass es sich um einen Comeback Kid-Song handelt.
Auf jeden Fall. Es gibt eine Sache, die ich an The Flatliners sehr liebe, und das ist dieser Sound, der wie ein Heulen klingt. Deswegen sagte ich „Du musst unbedingt das Heulen machen!“ und darum kann man es auch einige Male hören. Das ist einer meiner Lieblingsstellen auf dem Album.
Also wusstest Du im Vorfeld noch nicht ganz genau, welchen Künstler Du nach einem Feature fragen würdest?
Nicht, während ich den Song geschrieben habe. Aber als ich sie dann gehört habe. Alle Gastsänger kamen „ganz von alleine“. Wir haben an niemanden bestimmten gedacht, als wir die Songs geschrieben haben. Das kam danach.
„Musik und Style gehen immer Hand in Hand. Ich sage nicht, dass das eine gute Sache ist, aber es ist einfach Teil dieser Kultur“
Für Euer neues Album habt Ihr Victory Records verlassen und seid zu Nuclear Blast Records gewechselt. Viele Bands starten ihr eigenes Label und bringen es DIY raus. War das für Euch auch eine Option?
Ich habe tatsächlich daran gedacht, ein Label zu gründen und ich denke immer noch darüber nach. Wir haben einige Songs, die nicht auf dem Album sind und ich überlege, ob wir sie zum Beispiel in Kanada rausbringen oder sowas in der Art. Aber ich habe einfach nicht genügend Zeit. Sogar mein Zeitplan jetzt ist manchmal etwas zu viel und momentan habe ich keine Zeit ein Label zu leiten. Aber das ist etwas, das sehr interessant für mich ist. Wir würden es momentan nicht schaffen, alles beisammenzuhalten und hätten nicht die Möglichkeiten wie Nuclear Blast oder New Damage hier in Kanada. Sie stellen ein wirklich tolles Programm auf die Beine. Ich könnte zum Beispiel so ein Interview wie dieses hier gar nicht organisieren.
Ja, das ist wie ein All Inclusive-Paket.
Genau. Wir haben unser Album allerdings selbst finanziert. Das war eine Ausgabe, aber wir bekommen dafür sozusagen eine Art von Rückzahlung bevor wir die Alben verkauft haben (lacht). Unsere Situation war etwas anders, denn wir haben unser Album aufgenommen bevor wir bei einem Label unterschrieben haben. Deswegen mussten wir selbst dafür aufkommen. Wenn Du ein Label startest, musst Du viel Geld investieren und momentan sind wir dazu nicht in der Lage.
Ich seid jetzt schon lange Teil der Hardcore-Szene. Hast Du gravierende Änderungen – ob positiv oder negativ – beobachtet? Stimmst Du mit Leuten überein, die sagen, dass es der Hardcore-Szene und den jüngeren Hardcore-Fans heutzutage eher um den Style als um die Musik geht?
Ich weiß nicht, es ist lustig: Ich höre diese Vorwürfe seit ich ein Kind bin. Als ich 18 war sagten die Leute „es geht mehr um den Style als um die Musik“ und das war 1999… Ich denke es wird immer Leute geben die sich über die selben Dinge beschweren werden. Und Leute die das sagen, realisieren nicht, dass andere Leute das bereits vor 20 Jahren gesagt haben. Musik und Style gehen immer Hand in Hand. Ich sage nicht, dass das eine gute Sache ist, aber es ist einfach Teil dieser Kultur. Ich bin in erster Linie Musiker, mir geht es um die Musik und die Message, die ich fühle und hoffentlich auch für andere wichtig ist. Aber wir leben nicht in einer perfekten Welt und ich denke Hardcore hat sich gemeinsam mit der Welt verändert.
Als ich das erste Mal in Europa getourt bin, haben wir auf richtige Landkarten geguckt, um uns zurechtzufinden. Ich glaube es war 2001 in Hannover, als ich dort mit meiner alten Band Figure Four war und wir einfach Leute auf der Straße gefragt haben, wie wir zur Location kommen. Wir hatten kein Internet auf unseren Handys. Die Welt verändert sich und Hardcore und Punk verändert sich definitiv mit ihr. Das sind einfach die Zeichen der Zeit.
Ich denke viele Leute sind auch einfach nicht so offen, wie sie vorgeben zu sein.
Da stimme ich Dir zu. Viele Leute geben sich aufgeschlossen, sind es unter der Oberfläche aber nicht. Das erlebe ich oft. Sie tun so, als wären sie offen, verurteilen aber trotzdem.
Vor allem, wenn es um jüngere Hardcore Fans geht.
Absolut. Und weißt Du, ich denke, vielleicht ist das auch ein Teil der westliche Kultur – wenn man das so sagen kann – dass die Leute zu Dir direkt freundlich sind, hinter Deinem Rücken dann aber nicht mehr. Ich versuche einfach positiv zu bleiben.
„Ich habe aufgehört, mich Ängsten hinzugeben, die ich als Teenager hatte“
Heutzutage ist es ziemlich einfach, über Social Media in Kontakt mit seinen Fans zu treten. Siehst Du innerhalb der letzten Jahre Veränderungen in der Kommunikation zwischen Dir und Deinen Fans?
Wie gesagt, die Welt verändert sich und natürlich gibt es ein paar kleine Änderungen, aber nicht so wirklich gravierende. Seit ich angefangen habe, in Bands zu spielen und durch die Welt zu touren, war ich immer jemand, den man leicht erreichen konnte. Ich bin für jeden, der mit mir oder meiner Band in Kontakt treten will, leicht zu finden. Egal über welche Social Media-Plattform Du mich kontaktierst – ich werde es sehr wahrscheinlich sehen. Ich bin einfach zu finden und wenn mir jemand was sagen möchte, registriere ich das auch.
Wir spielen immer noch sehr kleine Shows, egal ob mit Comeback Kid oder meiner anderen Band Sights And Sounds. Ich schlafe immer noch bei Leuten in der Wohnung auf Fußböden und komme in Kontakt mit den Menschen um mich rum, die unsere Band und unsere Musik unterstützen. Ehrlich gesagt hat sich da für mich nicht so viel geändert. Es ist schön, große Shows zu spielen, aber es ist für uns etwas besonderes.
Wenn Du auf die Anfänge von Comeback Kid zurückblickst und an heute denkst – was war die größte Veränderung in Deinem Leben?
Die größte Veränderung in meinem Leben… (denkt nach) Als ich Comeback Kid gegründet habe, habe ich an Gott geglaubt. Das hat sich in den frühen 2000ern schnell für mich erledigt (lacht). Vielleicht ist das eine große Veränderung.
Und warum war das so?
Ich bin erwachsen geworden und bin Anfang 20 gewesen (lacht). Und ich habe aufgehört, mich Ängsten hinzugeben, die ich als Teenager hatte. Als ich keiner mehr war, habe ich diese Ängste verloren.
Alles klar, das war auch schon meine letzte Frage.
Super, vielen Dank für das Interview!
Ich habe zu danken!
Video: Comeback Kid – Surrender Control
Hier erhältlich