Lange galt Tobias Sammet’s Avantasia als Geheimtipp unter Fans von Symphonic Rock und Metal, auch für Leute, die eigentlich kein Metal hören. Eigentlich wollte Avantasia auch nie auf Tour gehen – allein der logistische Aufwand wäre zu groß. Ein paar Jahre, sowie einige Tourneen und Festival-Auftritte später gehört das nun der Vergangenheit an und das Ensemble rund um Edguy-Frontmann Tobias Sammet hat sich einen Namen gemacht, den beinahe jeder Fan des härteren Genres schon einmal gehört hat. Erst Anfang des Jahres erschien das neue Werk „Moonglow“, mit dem Avantasia nun auf Tour sind. Damit machen sie am Samstagabend auch im Mehr! Theater am Großmarkt in Hamburg halt. Bereits seit Dezember letzten Jahres ist das Konzert restlos ausverkauft. So ist es kein Wunder, dass zu Einlass-Beginn um 18.30 Uhr das Ende der Schlange schon gar nicht mehr zu sehen ist.
„Tobi is a mad genius.“
Ein gemütlicher Anfang
Immer mehr der 3.500 erwarteten Besucher strömen an diesem kalten verregneten Abend in das Innere des Mehr! Theaters und machen sich nach einem kurzen Zwischenstopp an der Garderobe auf in die Konzerthalle. Dort wird man von einem reich gefüllten Merchandise-Stand begrüßt, um den sich schnell eine große Traube Menschen bildet, die den drei Verkäufern alle Hände voll zu tun gibt. Wer sich von dort erfolgreich seinen Weg weiter in den Saal gebahnt hat, der kauft sich ein kühles Bier, um den Samstagabend einzuläuten oder versucht einen Platz vor der Bühne zu ergattern. Die ist noch geheimnisvoll von einem schwarzen Banner bedeckt, auf dem groß das Logo von Avantasia zu sehen ist. Nebenbei wird sich fleißig unterhalten, auch das aktuelle Werk des heutigen Künstlers ist dabei ein häufiges Thema. Die Stimmung ist noch etwas träge, was sich mindestens in den ersten Reihen bald ändern wird.
Avantasia haben für diese Tour auf einen Support-Act verzichtet. Stattdessen wird die Gruppe allein einen ganzen Abend unterhalten. Die Spannung steigt langsam, als sich gegen 20.00 Uhr auf und hinter der Bühne etwas zu tun scheint. AC/DC wird laut mitgesungen, bis schließlich das Licht gedimmt wird und die „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven ertönt. Auch die wird vorne textsicher mitgesungen, bis pünktlich zum letzten Satz das Banner fällt und den Blick auf die Bühne freigibt.
Dort steht Tobias Sammet inmitten des verspielten Bühnenaufbaus und die ersten Töne von „Ghost In The Moon“ eröffnen das Konzert. Im Hintergrund ist das Artwork von „Moonglow“ zu sehen, von dem der aktuelle Titel stammt.
„Das wird ein guter Abend!“
Ebenso verträumt und detailverliebt wie die Musik die es heute Abend zu hören gibt, ist auch die Kulisse, vor der sie sich präsentiert. Die Band ist umgeben von den Silhouetten dreier knorriger Bäume, in denen gelegentlich aufleuchtende altertümliche Laternen hängen. Im Hintergrund steht erhöht ein verschnörkelter Zaun, von dem rechts und links Treppen nach unten führen. Von dort fallen dicke Nebelschwaden auf die Bühne hinab, die dem Raum gemeinsam mit grün und blau getöntem Licht eine mystische Atmosphäre verleihen. Am Rand lässt sich auch ein windschiefer Turm erkennen, ähnlich dem, der auf dem Cover des aktuellen Albums zu sehen ist. Auch hier leuchten die Fenster gelegentlich auf, das gelbe Licht bietet damit einen warmen Kontrast zu der – passend zum Song – sonst eher kühlen Atmosphäre.
„Das wird ein guter Abend!“, verkündet Sammet gut gelaunt dem Hamburger Publikum und freut sich über die ausverkaufte Halle. Der erste Ausverkauf für die Moonglow World Tour 2019. Nach einer kurzen Ankündigung geht es weiter mit „Starlight“, ebenfalls vom aktuellen Album. Zu seinem Einsatz erscheint Ronnie Atkins (Pretty Maids) auf der Bühne und schlendert die nebelbedeckten Treppen hinab. Die Musiker haben dabei sichtlich ihren Spaß auf der Bühne. Zeitweise scheint jeder mit glücklichem Gesicht in der Musik versunken, ab und an wird miteinander herumgealbert. So wird Atkins etwa mit einem Luftkuss von seinem Gesangspartner begrüßt.
Bildergalerie: Avantasia
„Das ist so wunderschön heute Abend in eurer wunderschönen Stadt, in diesem wunderschönen Venue zu stehen.“
Weiter geht es im Set mit „Book Of Shallows“, bei dem auch Adrienne Cowan zu den Sängern stößt. Danach richtet sich Sammet ein weiteres Mal ans Publikum. „The Raven Child“ wird angekündigt mit einer Anekdote über geplante Single-Auskopplungen und die Aussage, dass eine solche drei Minuten lang sein müsse, um im Radio laufen zu können. „Ist doch egal, ob es drei Minuten, sechs, oder zwölf Minuten läuft – Hauptsache es ist handgemachte, ehrliche Musik – und so was läuft im Radio halt nicht!“ erklärt er. Gemeinsam mit Jørn Lande wird auch „Lucifer“ vom Vorgängeralbum „Ghostlights“ zum Besten gegeben.
Für „Alchemy“ und „Invincible“ wird dann Geoff Tate (Ex-Queensrÿche) dazu geholt, der letzteren Titel als einen seiner Lieblinge bezeichnet. „This is a song about the strength of the individual“, kündigt er an. Mittlerweile sind immer wieder Pommesgabeln in der Luft zu sehen – mitgesungen wird so oder so fleißig. Dazu wird das Publikum auch immer wieder eingeladen, mit in die Höhe gehaltenen Mikrofonen und einladenden Gesten.
Nachdem sich Tate wieder von der Bühne verabschiedet hat, folgt eine weitere Ansage des Frontmanns, der sich noch immer riesig über den Andrang freut. „Hamburg, das ist so unglaublich. Das ist so wunderschön heute Abend in eurer wunderschönen Stadt, in diesem wunderschönen Venue zu stehen, neben Künstlern wie fucking Geoff Tate!“, immer wieder ist zu hören, dass Sammet nicht nur selbst ein gefeierter Künstler ist, sondern eben auch selbst noch Fan der Musiker, mit denen er nun arbeitet.
„Zwei Stunden zwanzig… da lachen wir doch drüber!“
Nach „Reach Out For The Light“ und „Moonglow“ folgen weitere Worte des Gastgebers. „Wir spielen jetzt einen Song, da haben sich viele gefragt warum?! Na, weil wir’s können!“ diese Bemerkung muss wohl sein, wenn man vor einem teils kritischen Metal Publikum ein Cover zu Michael Sembellos „Maniac“ präsentiert. Doch auch das wird gut mitgesungen, spätestens bei „Dying For An Angel“ stimmt schließlich jeder wieder mit ein. Begleitet werden diese zwei Songs von Eric Martin (Mr. Big). Gemeinsam mit dem „Lieblingsbriten“ Bob Catley (Magnum) folgen „Lavender“ und „The Story Ain’t Over“. Nach „The Scarecrow“ verabschiedet sich der Lead-Sänger für eine kleine Pause von der Bühne, während die nächsten Titel ohne ihn gesungen werden. Eric Martin übernimmt kurzerhand die ausschweifende Moderation und witzelt mit Geoff Tate herum, verliert auch ein paar Worte über Sammet, bei dem er sich bedankt. „Tobi is a mad genius.“, erklärt er. „Isn’t he adorable?“ Für „Twisted Mind“ folgt wohl der lauteste Publikumschor heute Abend, der selbst die Anfangsmelodie mitsingt.
„Avantasia“ ist ein weiterer Klassiker, der heute Abend natürlich nicht fehlen darf. „Hamburg, also wir haben Spaß und ihr?!“ erkundigt sich der nun wieder anwesende Tobias Sammet. „Zwei Stunden zwanzig… da lachen wir doch drüber! Ab zwei Stunden zwanzig macht Avantasia doch erst richtig Spaß!“ ruft er und hat damit wohl auch den fehlenden Support-Act erklärt. Mit „Let The Storm Descend Upon You“ folgt mit über zwölf Minuten Laufzeit der längste Song des Abends. Dafür wird das Durchhaltevermögen des Hamburger Publikums einige Songs später auch gelobt. „Hamburg, ihr seid fantastisch!“ strahlt Sammet nach „Mystery Of A Blood Red Rose“ und kündigt den letzten Titel an. Leider müsste man sich nun verabschieden, aber „Es könnte viel schlimmer sein!“ meint er. „Wir könnten Modern Talking sein und der Song könnte scheiße sein!“ Da Avantasia glücklicherweise nicht Modern Talking sind wird „Lost In Space“ gespielt – der wohl erfolgreichste Song des Ensembles.
„Hamburg, das war großartig!“
Kaum die Bühne verlassen werden die Herrschaften auch schon zurückgefordert. Nachdem die Leute auf den Sitzplätzen ein letztes Mal beweisen müssen, dass sie noch nicht schlafen wird „Farewell“ angestimmt und schließlich noch einmal mit allen Beteiligten ein Live-Medley von „Sign Of The Cross“ und „The Seven Angels“ zum Besten gegeben. „Hamburg, das war großartig!“ bedankt sich der gesprächige Frontmann ein letztes Mal für die ausverkaufte Halle und kündigt einen weiteren Besuch für das Mehr! Theater an – sollte Avantasia noch einmal auf Tour gehen. Den Reaktionen des Publikums nach zu urteilen bleibt das zu hoffen. Das tritt gegen 23.20 Uhr schließlich glücklich und zufrieden den Heimweg an.