Wer sich am Mittwoch Abend trotz ungemütlichem Wetter noch einmal vor die Tür gewagt hat und zur Großen Freiheit 36 in Hamburg gepilgert ist, dem wird eine großartige Show mit drei hervorragenden Bands geboten. Beartooth stehen heute gemeinsam mit The Amity Affliction und Higher Power auf der Bühne und feiern ein lange im Voraus ausverkauftes Fest der Extraklasse.
„Shows like this remind me why all of this is fucking worth it!“
Ein starker Start in den Abend
Bereits um 18.00 Uhr eröffnet die Große Freiheit 36 ihre Pforten, während man der Schlange davor sekündlich beim Wachsen zusehen kann. Das zieht einige neugierige Blicke von Passanten auf sich, die bei Bedarf natürlich gerne über die Veranstaltung des Abends aufgeklärt werden. Die Stimmung ist bereits jetzt merklich positiv, es wird sich angeregt unterhalten und die Vorfreude auf die Bands diskutiert (und Temperaturen im einstelligen Bereich samt grauem Himmel und leichtem Nieselregen sind im Norden ja sowieso ein lauer Frühlingsabend).
Wenn man es nun also in das Innere des Venues geschafft hat, gibt es einiges an Merch zu entdecken, es wird sich ein kühles Getränk organisiert und noch ein wenig gequatscht, dann verdunkelt sich der Saal auch schon. Higher Power entern die Bühne und geben von erster Sekunde an alles – und das, obwohl es einer der letzten Tour-Termine ist. Die Briten wirbeln nur so über die Bühne und animieren das stetig wachsende Publikum zum Mitmachen. Zunächst scheint das noch etwas träge, doch spätestens nach der Aufforderung von Frontmann J Town (Jimmy Wizard) sind die Hände in der Luft zu sehen. Tatsächlich ist es auch schon jetzt verhältnismäßig voll, manche sind extra früh gekommen um Higher Power nicht zu verpassen.
Zurecht, denn die fünf Herren aus Leeds legen schon jetzt gut vor und weisen damit die Richtung für den heutigen Abend. Im Gegensatz zu dem gelegentlichen Gealber auf der Bühne sind die Ansagen fast bescheiden, es wird die Band vorgestellt und erzählt, dass man gerade ein neues Album veröffentlicht hat. Das trägt den Titel „27 Miles Underwater“ und macht einen Großteil der Setlist aus, die heute auf eine halbe Stunde ausgelegt ist. „Thank you for your time, thank you for your energy. We are Higher Power – enjoy the rest of your night.“ verabschiedet sich die Band schließlich wieder, ehe es in eine halbstündige Umbaupause geht.
Bildergalerie: Higher Power
[supsystic-gallery id=432]„Das ist geil!“
Als die Lichter erneut gedimmt werden und die ersten Töne von „Coffin“, dem Intro des aktuellen Albums „Everyone Loves You… Once You Leave Them“ (Albumreview) ertönen, ist das Gejubel groß. The Amity Affliction treten vor die Menge, die bereits jetzt am toben ist. Spätestens zu „All My Friends Are Dead“ gibt es dann kein Halten mehr. Es wird lautstark mitgesungen, getanzt, gesprungen und sogar die ersten Crowdsurfer lassen nicht lange auf sich warten. Man könnte fast meinen, es stünde bereits der Headliner auf der Bühne. Im Laufe des Sets kocht die Stimmung weiter hoch zu Songs, die hauptsächlich vom aktuellen Album stammen.
Generell beinhaltet die Setlist viel Neues: „Feels Like I’m Dying“, „Drag The Lake“ und „Ivy“ vom Vorgänger „Misery“ werden ebenfalls zum Besten gegeben. Doch auch ältere Titel wie „Open Letter“ finden ihren Weg in die Gehörgänge des Publikums. Das ist in jeder Hinsicht textsicher, sei es bei „Soak Me In Bleach“, oder eben „Open Letter“, zu dem die Menge kurzerhand zum Chor wird. Screamer Joel Birch hält dazu seinen Mikrofonständer in die ersten Reihen und Sänger und Bassist Ahren Stringer lobt: „Das ist geil!“ und gibt dabei auch gleich seine Deutschkenntnisse zum Besten. „It’s good to be back in Germany.“ pflichtet Joel ihm bei.
Ein freundschaftliches Schlachtfeld
Die Zeit vergeht wie im Flug und wer schon einmal auf einem Konzert von The Amity Affliction war, der weiß, dass „Don’t Lean On Me“ und „Pittsburgh“ das Ende der Show einleiten. Noch einmal wird alles gegeben, sowohl auf, als auch vor der Bühne. Die Band hat sichtlich Spaß und freut sich über die großartige Beteiligung, wie am Rande immer wieder erwähnt wird. Am Ende ist doch noch Zeit für einen weiteren Song. Zu „Death’s Hand“ fordert Joel die Besucher auf, einen Pit zu eröffnen. Der ist, nach kurz schwierigem Start, durchaus ansehnlich und wird zu einem freundschaftlichen Schlachtfeld, als die ersten Töne angeschlagen werden.
„Thank you guys.“ bedankt sich die Band ein letztes Mal, ehe sie ein rundum zufriedenes Publikum zurücklässt. Man muss aber auch sagen: Wenn es auch „nur“ 40 Minuten gedauert hat, das Konzert war wirklich verdammt stark. Darüber wird auch noch eine Weile diskutiert, gilt es doch erst einmal wieder eine Umbaupause zu überbrücken.
Bildergalerie: The Amity Affliction
[supsystic-gallery id=433]Beginn mit einem Knall
Um 21.15 Uhr ist es schließlich soweit – zumindest fast. Zur Eröffnung des Sets der „Disease“-Tour tönt laut „Down With The Sickness“ von Disturbed aus den Boxen und bringt die Menge bereits vorab zum kräftigen Mitwippen. Nach knapp viereinhalb Minuten betreten dann Beartooth das Parkett. Wie es sich für die Band gehört natürlich mit einem Knall. Weißes Konfetti rieselt auf die Menge herab, während die Band mit „The Lines“ den ersten Song anstimmt. Ab da ist dann endgültig Eskalation angesagt und die Grabensecurity bekommt alle Hände voll zu tun, denn ab dem folgenden Song („Enemy“) hört der Strom an Crowdsurfern kaum noch auf.
„Hated und „Aggressive“ bringen dann auch den Pit zum Kochen, der sich in der Mitte des Raumes gebildet hat. Natürlich wird auch hier ordentlich mitgesungen und stillstehen tut eigentlich kaum noch wer. Selbst in den hinteren Reihen wird mit dem Bein oder dem Kopf gewippt oder getanzt. Zwischendurch ruft Frontmann Caleb Shomo zum Springen auf – ein Wunsch, dem das Publikum selbstverständlich gerne nachkommt. Nach „Afterall“ wendet sich der Sänger mit ein paar Worten an die Besucher. „Germany is Beartooth’s favourite fucking place to play!“ verkündet er und fährt fort, als der Applaus abgeklungen ist: „And you know the reason for this? You guys are fucking crazy!“ dabei schwingen Freude und Anerkennung in seiner Stimme mit.
„Germany is Beartooth’s favourite fucking place to play!“
Familie und Freunde
Mit „Bad Listener“ folgt der nächste Track zu dem die Menge feiert, gefolgt von „I Have A Problem“. Auch zu „You Never Know“ und „Manipulation“ hält sich der Circle Pit, der trotz sportlicher Höchstleistung nicht vom Mitsingen abhält. Eine kurze Verschnaufpause bietet immerhin das Drum Solo, das sich doch über einen beachtlichen Zeitraum zieht. Vermutlich gut so, denn „Fire“ und „Beaten Lips“ stehen nicht gerade für entspanntes Schunkeln. Es ist generell positiv zu bemerken, dass die Setlist zwar größtenteils aus Songs von „Disease“ besteht, jedoch ebenso großartige und feierbare Songs enthalten sind. Gerade über „Beaten Lips“ scheinen sich viele Leute zu freuen.
Erneut wendet sich Caleb an die Menge und erzählt von den wundervollen Dingen, die passieren, wenn sich viele Leute in einem Raum befinden und Musik gespielt wird. „All of a sudden we’re one giant family and that is fucking beautiful, Germany!“ endet er und scheint dabei tatsächlich einen emotionalen Moment zu haben.
Anschließend fordert er die Besucher dazu auf, die Person neben sich zu umarmen und mit dieser zum nächsten Song zu springen. Genau das wird bei „Sick Of Me“ auch in die Tat umgesetzt. Mit „Body Bag“ neigt sich das Konzert langsam dem Ende.
Ein großartiger Abend
„Shows like this remind me why all of this is fucking worth it!“ bedankt sich Caleb atemlos und holt noch einmal Applaus für die Support Bands ein. Dazu erzählt er, dass diese die erste Tour ist, die beinahe überall ausverkauft ist. Mit „Disease“ beenden Beartooth schließlich ihr Set – jedenfalls kurz. Denn die geforderte Zugabe findet in Form von „In Between“ statt. Ohne diesen Song scheint in den letzten Jahren ohnehin kein Konzert von Beartooth vollständig und der Publikumschor zeigt eindrucksvoll, warum.
Irgendwann muss jedoch auch der schönste Abend zu Ende sein. „We have been Beartooth and we fucking love you, Hamburg!“ beendet Caleb seine letzte Ansage und die Band verabschiedet sich zu den Klängen von „You’ve Got A Friend In Me“. Schließlich verlässt ein rundum zufriedenes Publikum die Große Freiheit 36 und tritt gegen 22.30 Uhr den Heimweg an.