In den vergangenen Jahren haben sich Booze & Glory durch zahlreiche Konzerte und Festivalauftritte in ganz Europa einen Namen gemacht. Nun ist das Quartett erneut auf großer Europa-Tour und spielt 29 Konzerte an 30 aufeinander folgenden Tagen. Im Gepäck haben die Punkrocker dabei das neue Album „Hurricane“ und machen damit auch erstmalig in Hannover im MusikZentrum halt. Unterstützt werden Sie dabei von The Analogs und Giuda. Es wird ein Abend mit schönen und unschönen Szenen, der noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird.
„Booze & Glory retten ein Konzert, was viele schon im Abbruch enden sahen, auf ganz starke und beeindruckende Weise!“
The Analogs: Polnischer Streetpunk seit 1995
Den Auftakt machen an diesem Abend The Analogs. Das Quartett, das es immerhin schon seit 1995 gibt, startet pünktlich um 20 Uhr und legt gut los. Knapp 30 Minuten gibt es melodischen Streetpunk zu hören, mit teilweise provokantem Gesang und polnischen Texten. Unterdessen füllt sich das Musikzentrum zusehends. Die Band aus Stettin macht einen guten Opener-Job und spielt unter anderem „Piesn Aniolow“, „Latarnia“ oder „Blask Szminki“ oder „Max Schmeling“. Bei „Grzeczny Chlopiec“ besticht besonders die Melodie. Die Band verzichtet größtenteils auf Ansagen. Später bedankt sich aber der jetzige Sänger Kamil, der als Gitarrist in der Band begann, beim Hannoveraner Publikum für die Ehre, hier spielen zu dürfen. Der Dank geht auch an Booze & Glory für die Möglichkeit, auf der Tour dabei zu sein. Das Set endet schließlich mit „Pozegnanie“, ein Song mit einigen schönen Sing-A-Long-Parts. Ein guter Start in den Abend!
Bildergalerie: The Analogs
Giuda: Gewinner des Abends
Nach kurzer Umbaupause folgen Giuda – und damit auch ein regelrechter Stilbruch. Denn die Italiener spielen eher eine äußerst druckvolle Mischung aus 70ies Rock, Glam-Rock, etwas Soul, etwas Psychedelic und etwas 70ies UK-Punk. Damit wollen sie nicht so recht ins Line-Up passen und tun es irgendwie doch. Von Beginn an rockt das Quintett mächtig drauf los und gewinnt mit jeder weiteren Minute ihres Sets mehr wohlwollende Reaktionen hinzu. Dafür ist die Combo aber auch zu gut. Vor allem der charismatische Sänger Tenda reißt das Publikum mit seiner tollen Stimme mit, die er auch noch sehr variabel einsetzt und so für Abwechslung sorgt.
Zur Setlist gehören an diesem Abend unter anderem „Overdrive“, „Get It Over“, das starke „Wild Tiger Woman“, mit „Number 10“ ein weiteres richtiges Highlight, „Roll The Balls“, „Rock´N Roll Music“ oder „Back Home“. Auf Ansagen verzichtet die Band komplett. Die Songs gehen dafür fließend ineinander über und klingen auch mal etwas spaciger und grooviger. Nach gut 40 Minuten ist es dann leider schon vorbei. Es folgt mit einem knappen „Danke“ die einzige Ansage der Römer an diesem Abend. Und dennoch hätten viele der Anwesenden Giuda noch stundenlang zuhören können. Ein ganz starker Auftritt, der hoffentlich am 02. Juli 2020 in Hannover wiederholt wird, wenn die Band erneut in Hannover, diesmal im Lux, zu Gast sein wird.
Bildergalerie: Giuda
Booze & Glory: Erste Show in Hannover
Und endlich folgt mit Booze & Glory kurz vor 22.00 Uhr die Hauptband des Abends, auf die wohl alle der knapp 350 Besucher gewartet haben. Bei einem 80er Jahre Intro, dass in jeden College-Film dieser Zeit passen würde, entern Mark, Chema, Kahan und Drummer Frank die Bühne. Und der Auftakt hat es direkt in sich. Denn mit „London Skinhead Crew“ und „Leave The Kids Alone“ startet das mittlerweile wieder in Polen beheimatete Quartett mit zwei alten Hits in den Abend. Beim Opener heißt es im Übrigen, in Bezug auf den Fußball-Club West Ham United, „…And Forever Blowing Bubbles“. Passend dazu steigen vor der Bühne Seifenblasen in die Luft.
Es folgt eine erste Begrüßung von Sänger Mark an Hannover, wo man heute zum ersten Mal überhaupt spielt und das, obwohl man aus Polen kommend hier doch sehr häufig Station machte, bevor es weiter in die Republik ging. Vor der Bühne geht es von Beginn an ordentlich zur Sache, dies setzt sich auch bei „“The Time Is Now“ fort. Nach dem Lied werden Nazis und Rassisten obligatorisch klar und deutlich des Ladens verwiesen. Weiter geht es mit „Never Again“.
Unterbrechungen, Violent Dancing und Courage
Plötzlich bricht die Band ab. Beim Pogo ist einer der Beteiligten böse auf den Rücken und Kopf gefallen. Drummer Frank ist sofort bei dem Verletzten und auch viele andere kümmern sich. Die Erstversorgen erfolgt mehr als angemessen. Wie genau es zu dem Unfall kam, ist für uns nicht zu rekonstruieren, aber leider hatte man von Beginn an das Gefühl, dass offensichtlich einige der Anwesenden vor der Bühne auf Krawall aus sind. Bereits ab dem ersten Akkord wurde so aggressiv ausgeteilt, dass sich nicht mehr, als diese handvoll Besucher vor die Bühne trauten. Violent Dancing nennt man das, was aber bei einem solchen Konzert und, wenn man mal ganz ehrlich ist, auch bei jedem anderen, absolut nichts zu suchen hat. Gar nichts! Nach dem der Verletzte von einem Krankenwagen abgeholt wurde, ist die Frage, ob es nun weiter geht? Booze & Glory entscheiden sich glücklicherweise für eine Fortsetzung, auch wenn man den vier Musikern anmerkt, dass es ihnen nicht leicht fällt und sie von den Ereignissen angeschlagen wirken. Daher auch eine sehr deutliche Ansage von Mark, dass alle Gewaltbereiten sofort gehen dürfen. Die, die es betrifft, fühlen sich leider in keinster Weise angesprochen, sondern beginnen die Band verbal zu beleidigen.
Es folgt „Ticking Bombs“, was nicht passender sein könnte und dann die nächste Unterbrechung. Mark verlässt zunehmend wütend die Bühne und Chema weist noch einmal daraufhin, dass Gewalt beim Tanzen nichts zu suchen hat und sich die Brutalos vor der Bühne gerne verpissen dürfen! Und Sänger Mark spricht sich, als er zurückkommt, klar gegen Drogenkonsum aus, da der ein oder andere vor der Bühne wohl den Eindruck erweckt, high zu sein. Starke Ansagen der Band, denn alle wollen und sollen eine gute Zeit haben. Und Booze & Glory starten den nächsten Versuch. Vorne vor der Bühne gehen nun auch einige andere Besucher dazwischen. „Carry On“ ist das nächste Lied, dann spielt die Band „Violence and Fear“. Das Mikrofon knallt auf den Bühnenboden und Mark verlässt, nun definitiv stocksauer die Bühne. Man hört ihn, seinen Ärger Luft machen – das was er hier von oben beobachten muss, funktioniert für den Musiker in keiner Pore. Es kommt vor der Bühne zu Auseinandersetzungen zwischen den Krawallmachern und einigen offensichtlich vernünftigen Besuchern, die die Schnauze voll haben. Und endlich werden die Störenfriede des Ladens verwiesen. Danke dafür an Hannover Concerts, die in einer Situation, die vermutlich gar nicht so einfach durchzusetzen war ruhig und bedacht reagiert haben!
Starke Haltung und ein starkes und friedliches Ende
Und endlich kehrt etwas Ruhe ein. Und was kaum zu glauben war, die Stimmung verbessert sich fast schlagartig um 300 Prozent. „Simple“ folgt, genau wie „My Heart Is Burning“. Weitere Tracks sind nun unter anderem „Live It Up“, „Hurricane“, „Days, Months And Years“ und eins der besten Lieder der Band „Blood From A Stone“. Hier bekommen Booze & Glory Unterstützung von Giuda Sänger Tenda und vom Analogs-Sänger und -Gitarristen Kamil. Heute werden die Zugaben direkt ohne Pause angehängt. Booze & Glory beenden schließlich diesen denkwürdigen Abend mit „Three Points“, einer weiteren West Hamm United-Hymne, dem Elton John Cover „I`m Still Standing“ und dem Oberhit „Only Fools Get Caught“ und retten so auch ein Konzert, was viele schon im Abbruch enden sahen, auf ganz starke und beeindruckende Weise. Einen weiteren großen Beitrag leisteten dabei auch die rund 350 Besucher, die nach den anfänglichen Verunsicherungen im Publikumsraum zeigten, wie man einen Dienstagabend in einen ausgelassenen Samstag verwandelt. Die letztlich grinsend und walzertanzend den Raum vor der Bühne in das verzauberten, was er eigentlich ist: kultureller Freiraum, der jedem gehört und in dem sich jeder sicher fühlen darf!
Booze & Glory haben in Hannover wirklich abgeliefert und das Beste aus diesem Abend herausgeholt. Respekt! Mit starken Ansagen und den auch nötigen Unterbrechungen haben die Musiker Haltung und Ruhe bewahrt, das Konzert gerettet und doch noch für einen versöhnlichen Abschluss gesorgt. Klasse Band und live auch eine echte Macht! Aber um das noch einmal zu betonen: Violent Dancing und Obermacker-Gehabe haben auf einem Konzert nichts zu suchen. Leute, die Bock auf Krawall haben auch nicht. Geht ins Boxstudio. Und um es nicht zu vergessen: gute Besserung an den verletzten Besucher. Komm schnell wieder auf die Beine!