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Boysetsfire, Hot Water Music, Samiam & Be Well live in Hannover

Boysetsfire live am 08.10.22 im Capitol in Hannover mit Hot Water Music, Samiam und Be Well

Foto: Mirco Wenzel

Überall hört man aktuell, das Touren wegen mangelnder Ticketverkäufe abgesagt oder verschoben werden. Beim großartigen Tourpaket mit Boysetsfire, Hot Water Music, Samiam und Be Well sah es wohl zwischenzeitlich auch nicht so gut aus, da die eigentlich angedachte Location, die Swiss Life Hall in Hannover, nicht so voll anhand der bis dahin verkauften Tickets werden konnte, dass die Rechnung sich lohnt. Glücklicherweise hat Hannover noch ein paar andere Locations und so konnte das Konzert in die nächstkleinere Veranstaltungshalle, das Capitol, verlegt werden und schwupps war das Konzert dann auch ausverkauft. Es darf sich heute also auf einen bunten Abend voller Musik gefreut werden.

Verurteilt es aufs Schärfste, wenn Freunde oder Familie Scheiße über diese Themen erzählen oder sich darüber sogar noch lustig machen. Wir können die Lage der Welt nicht ändern, wenn wir die Zustände tolerieren. Wir müssen kämpfen, bis endlich alle Menschen gleich behandelt werden, egal welche Religion, Hautfarbe oder Geschlecht sie angehören.Nathan Gray (Boysetsfire)

„You’re so awesome for being here early“

Den Anfang machen Be Well, die – zumindest auf dem Papier – die jüngste Band des heutigen Abends sind, da sie erst 2019 gegründet wurden. Schaut man sich aber die Bandmitglieder mal genauer an, erkennt man direkt, dass es sich hier um alte Hasen der Szene handelt. Hier sind u. a. Bandmitglieder von Bane, Darkest Hour oder auch Battery zugange, die die Menge heute Abend mit ihrer Mischung aus Hardcore und Punkrock ordentlich in Schwung bringen wollen. Los geht es mit „Hello Sun“ aus ihrem aktuellen gleichnamigen Werk, dicht gefolgt von „Treadless“, und lädt die Menge direkt zum Tanz ein.

Die Herren sind sehr gut drauf, der Funke springt schon hier und da über und es wird ausgelassen getanzt und gefeiert. Sänger Brian McTernan erzählt der Menge, wie sehr er Hannover liebt und sich sogar einen E-Roller geschnappt hat und ein bisschen in der Stadt herumgefahren ist. Außerdem freut er sich diebisch, auf solch einer Tour mit den Lieblingen seiner Jugend auf Tour zu sein. Aber auch ernste Themen schneidet der Frontmann an. So hofft er, dass seine psychischen Probleme nicht an seine Tochter weitergegeben werden und er alles daransetzen wird, um dies zu verhindern.

Beim letzten Song „Confessional“ wird sogar in richtiger Hardcore-Manier das Publikum mit zum Mitsingen animiert. Frontmann Brian springt kurzerhand von der Bühne, geht mit der ersten Reihe auf Tuchfühlung und hält des Öfteren das Mikro in die Menge. Das war schon einmal ein gelungener Auftakt, auch wenn der Sound leider nicht so gut war. Das tat der Stimmung aber trotzdem keinen Abbruch.

Bildergalerie: Be Well

„We’re Samiam but we’re not starting right now“

In der Umbaupause sieht man etwas, was man heutzutage nicht mehr allzu oft sieht: Samiam kommen schon auf die Bühne und machen den Soundcheck selbst. Sänger Jason Beebout erklärte auch neben dem ganzen obligatorischen Mikrophoncheck warum: Der Tonmischer stand im Stau. Das erklärt dann auch, warum Be Well nicht so einen guten Sound hatten.

Dann kann es aber endlich losgehen und Samiam präsentieren direkt einen neuen Song namens „Crystallized“ des kommenden Albums. Direkt im Anschluss wird der Klassiker „Sunshine“ gespielt und die Menge ist jetzt voll da und tanzt und singt. Man hat sich wohl schon sehr auf Samiam gefreut (man sah auch viele Bandshirts vorab in der Menge). Die Herren aus Berkeley, Kalifornien haben heute ein buntes Potpourri an Songs mitgebracht. Neben einem weiteren neuen Song namens „Lights Out Little Hustler“ stehen natürlich auch die älteren Songs der Scheiben „Astray“, „You’re Freaking Me Out“ oder „Clumsy“ auf dem Zettel. „Dull“, „Factory“, oder „Capsized“ werden natürlich auch entsprechend abgefeiert.
Trotz des etwas längeren Soundchecks hatten Samiam sogar noch Zeit für einen Song mehr. Sänger Jason sagte scherzhaft, dass sie wohl etwas schneller als sonst gespielt hatten. Mit „Full On“ beenden Samiam ein großartiges Set, was mit ganz schön lautem Beifall bejubelt wird und die Herren verlassen übers ganze Gesicht strahlend die Bühne. So langsam wird’s heiß und stickig im Capitol, also genau die richtige Temperatur für den nächsten Act des Abends.

Bildergalerie: Samiam

„Thank you for your love, your energy and your support“

In der Umbaupause wird die Bühne einfach vergrößert. Ist ja auch klar, denn der Co-Headliner des Abends steht gleich auf der Bühne.

Unter lautem Beifall betreten diese nun Hot Water Music. Die Herren haben Anfang des Jahres ihr neues Album „Feel The Void“ (Albumreview) herausgebracht und nun endlich die Möglichkeit, einige der Songs live zu präsentieren. Mit einem der neuen Songs geht es auch direkt los und das Publikum wird mit „Another Breath“, dem Opener des neuen Albums, ordentlich eingeheizt. Die Menge ist mittlerweile auf Betriebstemperatur und feiert jeden Song der Band aus Gainesville, Florida gnadenlos ab. Seien es alte Stücke wie „Free Radio Gainesville“ oder „Remedy“ oder neuere Stücke wie „Drag My Body“ oder „Habitual“ – alles kommt beim Publikum richtig gut an. Sogar die ersten Crowdsurfer sind jetzt unterwegs.

Zeit zum Verschnaufen gibt es auch und Hot Water Music beweisen, dass sie auch mit einer kleinen Akustik-Einlage eine mehr als gute Figur machen. Den Anfang macht Chris Cresswell, der schon seit einiger Zeit Chris Wollard aus gesundheitlichen Gründen live ersetzt, mit „I Was On A Mountain“. Tatsächlich hat das Album „Caution“, auf dem der Song zu finden ist, genau heute 20-jähriges Jubiläum. Dann gibt Chuck Ragan mit seiner Reibeisenstimme „Old Rules“ zum Besten. Der Menge gefällt es sichtlich und singt lauthals mit. Sogar Feuerzeuge sieht man vereinzelnd in die Luft gestreckt.

Dann geht es aber wieder lautstark zur Sache, bis die Show mit den Hits „Trusty Chords“ und „Turnstile“ ein großartiges Ende nimmt. Unter tosendem Beifall und vielen Dankesbekundungen verlässt die durchgeschwitzte und glückliche Band die Bühne. Das Publikum ist mittlerweile auch ordentlich verschwitzt und das Capitol gleicht einer Sauna. Fehlt eigentlich nur noch ein Aufguss. Den kann aber mit Sicherheit der zweite Headliner des heutigen Abends liefern. Aber erst einmal noch kurz durchschnaufen und Klamotten lüften, bevor es zum letzten Tanz des heutigen Abends geht.

Bildergalerie: Hot Water Music

„Thank you for being here. Thank you for your time you’ll never get back“

Lustige Anekdote am Rande: Die Umbaupausenmusik kam beim Publikum ziemlich gut an und hier wurden schon einige Songs ziemlich gefeiert. Vor allem Whitney Houstons „I Wanna Dance With Somebody“ wurde von ziemlich vielen Menschen im Publikum lauthals mitgesungen. Aber kurz darauf geht es auch schon endlich der Band weiter, auf die sich heute Abend wirklich jeder gefreut hat: Boysetsfire betreten und lautem Beifall die Bühne.

Und welcher Song eignet sich am besten, um direkt die Menge von Null auf Hundert zu bringen? Als Frontmann Nathan Gray lauthals „Rise“ ins Mikrophon brüllt, weiß jeder was die Stunde geschlagen hat und mit „After The Eulogy“ bitten die Herren direkt zum Tanz. Das Publikum lässt sich natürlich nicht lange bitten und brüllt, tanzt und pogt, als wenn es kein Morgen geben würde. Auch die Crowdsurfer lassen natürlich nicht lange auf sich warten und kurzerhand hat sich das Capitol in ein wahres Tollhaus verwandelt. Mit „Release The Dogs“ geht es auch gleich energiegeladen weiter und falls noch irgendwer nicht ganz auf Betriebstemperatur war, dann war er es spätestens jetzt, denn die Energie, die Boysetsfire versprühen, springt wirklich auf jeden Besucher über. Selbst auf dem Oberrang wird mittlerweile ziemlich ausgelassen gefeiert.

Frontmann Nathan Gray ist auch anscheinend sichtlich begeistert von der nicht zu versiegen scheinenden Energie des Publikums, obwohl schon nicht minder großartige Band das Vorprogramm bestritten haben. Er bedankt sich das ein ums andere mal sichtlich glücklich beim Publikum.

Bildergalerie: Boysetsfire

„Stop letting your familiy and friends talk shit and make jokes about opressed minorities“

Boysetsfire wären aber nicht Boysetsfire wenn es an dem Abend nicht auch um politische Themen geht. Frontmann Nathan nutzt die Gelegenheit, um auf den immer noch aufkeimenden Faschismus aufmerksam zu machen, der vor allem Flüchtlingen oder der LGBTQ+-Szene in letzter Zeit gehörig zu schaffen macht. Er hat auch eine Lösung für dieses Problem: „Verurteilt es aufs Schärfste, wenn Freunde oder Familie Scheiße über diese Themen erzählen oder sich darüber sogar noch lustig machen. Wir können die Lage der Welt nicht ändern, wenn wir die Zustände tolerieren. Wir müssen kämpfen, bis endlich alle Menschen gleich behandelt werden, egal welche Religion, Hautfarbe oder Geschlecht sie angehören.“ Passend dazu geht es danach mit „One Match“ direkt weiter.

Natürlich darf auch eine kleine Dankesrede an die ganzen anderen Bands der Tour nicht fehlen und Gitarrist Josh Latshaw bedankt sich überschwänglich bei den Vorbands, ohne die das Ganze nur halb so schön gewesen wäre. Das findet das Publikum auch und feuert noch einmal einen donnernden Applaus Richtung Backstage. Dann geht es auch schon in den Endspurt und die Hütte wird noch einmal richtig abgerissen. Das Konzert gipfelt dann in dem Gassenhauer „Rookie“, wo nicht nur das Publikum noch einmal alles aus sich herausholt. Als die letzten Töne von „Rookie“ verklingen, kennt der Applaus keine Grenzen mehr. Dann verabschieden sich die Herren vorerst, aber wir wissen ja alle, dass es das noch nicht gewesen sein kann.

Nach lautstarken Zugabe-Rufen kommt die Band auch freudestrahlend wieder heraus und zimmert uns direkt „Walk Astray“ um die Ohren. Das Publikum, als auch die Band, holt noch einmal alles aus sich heraus und legen das Capitol wahrlich in Schutt und Asche. Mit „Empire“, welches vom Publikum noch einmal richtig laut mitgesungen wird, endet ein grandioser Auftritt von Boysetsfire und ein wunderschöner Konzertabend. So gehen nicht nur die Herren von Boysetsfire mehr als zufrieden und glücklich von der Bühne, sondern auch in der Menge sieht man viele glückliche und verschwitze Gesichter.

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