Run, Melos! sind – zumindest laut ihrer Facebookseite – eine Band, die auf Bier, Schnitzel und Schlafen steht und sich selbst „irgendwo zwischen explodiertem Einhorn und einer deftigen Prise Old School Punk“ ansiedelt. Das reicht eigentlich schon, um die Combo aus Jeinsen/Hannover überaus sympathisch zu finden. Wer den Fünfer etwas besser kennt weiß allerdings auch, dass Zynismus nicht nur auf der Bühne das präferierte sprachliche Mittel der Musiker ist.
Diese Band, die Punk für Mädchen in dem coolen Kellerclub unter irgendeinem Schwimmbad macht
Trotz der stets drohenden Gefahr auf die Schippe genommen zu werden, wirkt Gitarristin und Sängerin Britta ordentlich überrascht, als ihr Bruder und Gitarrist Werner (der auch Robert heißt, aber lieber Werner genannt wird) ausholt, um die intimsten Setlistgeheimnisse auszuplaudern. Dass sich hinter dem Opener „Money Can’t Buy Me Dinosaurs“ die Setlistnotiz „Das Lied, bei dem am Anfang Robert den Einstieg voll oft verkackt hat“ versteckt, erwähnt er allerdings nicht.
Weiter geht es mit „It’s Funny Because It’s Poisonous“ und „Lesbiandary“. Neben der charakterstarken Stimme von Sängerin Donnie überzeugt auch Britta stimmlich auf ganzer Linie. RUN, MELOS! machen Spaß, auch und vielleicht genau weil es laut Selbstreflexion der Band Lieder gibt, bei denen Donnies Stimme zerstört wird, Britta ihr Solo nicht hinbekommt oder keiner eine schönere Zweitstimme singt, als Ex-Drummer Andy. Macht so weiter, „You Can’t Let Fear Steal Your Funk“, wie ihr sagen würdet. Ein Hoch auf diese Band, die Punk für Mädchen in dem coolen Kellerclub unter irgendeinem Schwimmbad macht!
Es wird sich auf das wirklich Wichtige fokussiert
Als Nukerock betiteln FATHER NUKE ihre musikalische Ausrichtung. Kein Wunder, dass die aus Hannover stammende Band sich in kein vorgefertigtes Genre drücken lässt. Ihr Sound ist eine völlig perfekt installierte Melodie der Gegensätzlichkeit: Gerade wenn man sich ziemlich sicher ist, herausgefunden zu haben, an wen FATHER NUKE erinnert, gibt es eine fast dramatische Wendung und man beginnt von vorn zu überlegen. Obwohl die Band selbst angibt von Bands wie MOTORPSYCHO, THE CLASH, SOUNDGARDEN, STONE TEMPLE PILOTS oder MOTÖRHEAD geprägt zu sein, lassen sie keinen Zentimeter Platz für objektive Vergleiche.
Auch von großen Ansagen halten sich die vier Musiker fern. Es wird sich auf das wirklich Wichtige fokussiert: Das Publikum, Bier und Musik. Auch wenn dem Vierer die Hingabe zu ihren Instrumenten und ihrer Musik absolut ins Gesicht geschrieben steht, bleibt ein wenig selbstironischer Spaß nicht aus: „In der Passerelle spielt immer so eine russische Band, die sich für uns ausgibt und CD’s verkauft!“, scherzen die Musiker. CD’s haben sie jedoch an diesem Abend zum Leid der Zuhörenden nicht dabei.
FATHER NUKE spielen ein wahres Brett: Los geht es mit dem Opener „Spinning Wheels“ und Daniel Junger peitscht das Schlagzeug. In den ersten Reihen wird getanzt und immer wieder fallt den Besuchern sichtlich die Kinnladen herunter – sei es durch die ausdrucksstarke Stimme von Frontmann Alex Osou, dem treibender Bass Dirk Gon Mahlers oder der tobenden Gitarre von Guido Thomsen. Stetig gibt es etwas Neues im Sound der Hannoveraner zu entdecken. Über „Outside“, „Perfect Day“ und „The Best We Ever Had“ liest sich die Setlist wie eine Aufzählung von wirklich guten Vorsätzen für 2017.
Alternative trifft auf Grunge und Stoner und verabredet sich schnell auf ein Bier
„Schön, dass Ihr da seid, lasst uns einen geilen Abend zusammen haben!“, begrüßt CANDY TRIP DOWN Frontmann Daniel die mittlerweile rund 100 anwesenden Besucher und eröffnet mit „Stuck State“ das Set. CANDY TRIP DOWN treten nach FATHER NUKE ein mächtiges Erbe an und liefern ab. Das Publikum traut sich mittlerweile näher an die Bühne und zollt dem Fünfer tanzend seinen Respekt. Alternative trifft auf Grunge und Stoner und verabredet sich schnell auf ein Bier. Als „Lucky“ darf sich wirklich jeder Anwesende heute Abend bezeichnen. So ein heimelich-familiär anmutendes Konzert erlebt man nicht alle Tage.
CANDY TRIP DOWN vereinen mit ihrem Neujahrsempfang nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern lassen aus Fremden Freunde werden – ob am Krökeltisch, am Tresen oder eben dort, wo die Musik spielt. Sphärisch zieht der Sound der Hannoveraner durch die Reihen und verwandelt den Keller des Vertrauens in eine Garage der frühen 90er. Erinnerungen an legendäre Bands wie NIRVANA oder PEARL JAM bleiben nicht aus. Im Einklang mit ihrem Publikum gestalten CANDY TRIP DOWN einen wohl mehr als perfekten Abend und geben Vollgas.
Daniel lässt seinen Blick immer wieder über das Publikum schweifen, hält kurz inne, senkt den Kopf und schließt die Augen mit einem kaum übersehbaren Lächeln. Würde man die Zeit einfrieren, könnte man diesem Ausschnitt den Titel „Wohlgefühl“ geben. Denn manchmal, wenn wirklich alles einfach irgendwie perfekt ist, hält das Leben ganz kleine Überraschungen parat. Während Schlagzeuger Flo von den „Candys“ nicht mehr wegzudenken ist, beobachtet man seinen langjährigen Vorgänger Steffen im beliebten Tresenbereich des Kellerclubs. Bassist Michi erhebt sein Glas und bedankt sich bei allen Anwesenden und Beteiligten: „Wir wünschen Euch einen schönen Abend, habt noch viel Spaß! Wir freuen uns auf das nächste Mal mit Euch!“