Die Briten You Me At Six erfanden sich auf ihrem neuen Album „VI“ (Albumreview), das im Oktober letzten Jahres auf den Markt kam, neu und überraschten ihre Fans mit deutlich softeren Klängen. Nun heißt es, die neuen Songs auch live auf die Bühne zu bringen und so sind You Me At Six auch in Deutschland zu Gast. In Hamburg trafen wir Gitarrist Chris Miller und Bassist Matt Barnes zum Interview.
„Wir sehen uns nicht als Rock- oder Pop-Band. Wir schreiben einfach das, was wir möchten“
Zuallererst: Hallo, wie geht es Euch?
Matt: Sehr gut. Es ist schön, zurück in Deutschland zu sein. Es ist unsere zweite Show in Deutschland, zuvor haben wir in Köln gespielt. Es war toll, durch Hamburg zu laufen und sich alles anzuschauen. Wir sind am Hamburger Kanal entlang spaziert und das war ziemlich schön. Guter Tag in Hamburg!
Klingt gut! Ich habe ein paar Fragen zu Eurem neuen Album „VI“. Darauf habt Ihr verschiedene Genre gemixt. Wie kam es dazu? Passierte das einfach während des Schreibprozesses oder war das von Beginn an geplant?
Chris: Ich denke dieses Mal war es so, dass wir einfach alles einfassen wollten und die Tür für neue Ideen zu öffnen. Das hat die ganze Sache für uns frisch gehalten, denn dies ist unser sechstes Album. Entsprechend sind wir schon sehr oft durch diesen Schreibprozess gegangen und wir wollten dieses Mal einfach neue Sachen ausprobieren.
Matt: Weißt Du, es gibt auch einfach so viele verschiedene Genre. Das ist nicht wirklich wichtig. Wir sehen uns nicht als Rock- oder Pop-Band oder so. Wir schreiben einfach das, was wir möchten… Und in der heutigen Zeit von Spotify oder Apple Music ist jedes Genre für jeden mit einem Klick zugänglich. So viele Leute hören ganz verschiedene Genre. Die Leute sind nicht nur Rock-Fans, die Leute sind auch nicht nur Pop-Fans. Da gibt es riesige Überschneidungen. Deswegen haben wir das gemacht, wonach uns war.
Da der Sound etwas anders ist, als auf Euren Vorgängeralben: Hattet Ihr die Befürchtung, dass es schlechtes Feedback von der Presse und sogar von Euren Fans geben könnte?
Chris: Ich denke das ist etwas, das man immer im Hinterkopf hat, aber wir haben uns nicht wirklich Sorgen gemacht. Wir waren sehr zuversichtlich, dass das, was wir erschaffen haben, gut ist und wir haben uns alle Fünf stark damit gefühlt. Das ist das, was am meisten zählt. Wenn die Leute es mögen, mögen sie es, wenn sie es nicht mögen… ist es uns eigentlich egal (lacht).
Matt: (grinst) Genau. Total egal (beide lachen). Wenn jemand sagt: „Ich mag das Album nicht!“ sage ich „Tja, ich mag es. Also… fuck you!“ (beide lachen). Ich denke Leute können sich sehr davon beeinflussen lassen, wenn sie Reviews lesen oder auf das hören, was andere Leute sagen. Aber ich meine: Wenn jeder die gleichen Künstler mögen würde, gäbe es nur einen riesigen Musiker, den jeder lieben würde. Es gibt nicht nur eine Person die jeder liebt, das ist das Schöne am Menschsein, oder? Man entscheidet sich für das, was man möchte.
Chris: (nickt) Ich denke wir kümmern uns mehr darum, was die Fans denken, als darum, was die Medien schreiben, die vielleicht gerade einmal zehn Minuten in unser Album gehört haben. Da gibt es Leute, die uns schon seit Jahren begleiten, das ist für uns natürlich wichtiger, als das, was jemand von einer Zeitung von uns denkt.
„Wir haben einfach versucht, die Songs in kein bestimmtes Genre zu drücken“
Verständlich! Wie würdest Ihr den Prozess von „Night People“ to „VI“ beschreiben?
Matt: „Night People“ war definitiv rockiger und das war auch unser Anliegen. Dieses Mal haben wir einfach das gemacht, was wir auch auf Alben wie „Sinners Never Sleep“ gemacht haben. Was immer dabei rauskam, kam eben raus. Wenn es ein Pop-Song war, war es eben so. Wenn es ein rockiger Song war, war es ein rockiger Song oder ein Liebeslied… Wir haben einfach versucht, die Songs in kein bestimmtes Genre zu drücken. Wir haben uns einfach gefragt: „In welche Richtung geht dieser Song?“ und am Ende dachten wir dann immer „Oh, das ist ziemlich cool!“.
Chris: Uns war wichtig, was am Ende für den jeweiligen Song das richtige ist und wollten uns selbst nicht einengen, weil es eventuell nicht zum Rest passen könnte.
Was habt Ihr auf den Shows, die Ihr bereits gespielt habt, denn so für Feedback zu den neuen Songs bekommen?
Matt: Tatsächlich ziemlich positives! Einige der neuen Songs gehen mehr nach vorne als die älteren, vor allem auf der Show in Köln. Wir haben den Song „Stay With Me“ von unserem zweiten Album gespielt und das Publikum war so „oh okay…“ obwohl es der Song sein sollte, bei dem alle ausrasten. Als wir dann aber „I O U“ vom aktuellen Album gespielt haben, waren alle so „Yeeah!“ (imitiert begeistertes Publikum und lacht). Ich liebe es, wenn die Leute die neuen Sachen mehr mögen als die alten. Das ist aufregend, neu und motiviert dazu, weiterzumachen und die Grenzen weiter zu überschreiten.
Ende letzten Jahres seid Ihr auf Tour gegangen, um das zehnjährige Jubiläum von „Take Off Your Colours“ zu feiern…
Matt: Das stimmt!
…war es etwas anderes, ein Album in voller Länge zu spielen, anstatt eine normale Show mit verschiedenen Songs von verschiedenen Alben?
Chris: Ja, es war eine sehr, sehr andere Erfahrung für uns, denn tatsächlich haben wir einige der Songs schon seit neun Jahren nicht mehr gespielt (lacht). Auf dem Album waren auch einige Songs, die wir vorher noch nie live gespielt haben. Für uns war es also ungewohnt, die Songs in gewisser Weise wieder zu lernen und es war ganz anders, sie zu spielen. Die Lieder sind wesentlich schneller und wir mussten uns erstmal wieder einfinden. Normalerweise achten wir in unseren Sets auf Höhen und Tiefen, laute und ruhige Songs, aber auf diesem Album haben wir es einfach irgendwie gemacht. Es ware eine sehr coole und lustige Erfahrung für uns.
„Es war großartig, die Finger mehr mit im Spiel zu haben, als nur das Album selbst aufzunehmen“
Wie war es denn für Euch, nach fast zehn Jahren wieder so einen detaillierten Blick auf das Album zu werfen?
Chris: Komisch (lacht). Aber es ist wirklich eine coole Sache, die man machen kann. In unseren Köpfen haben wir auf jeden Fall eine tolle Erinnerung. Neun, zehn Jahre später interessieren sich die Leute immer noch dafür, was man tut… und etwas, das wir mit 15/16 Jahren gemacht haben, gibt es immer noch und die Leute kommen weiterhin, um einen zu sehen. Das ist ziemlich cool.
„VI“ war das erste Eurer Alben, das Ihr auch co-produziert habt, richtig? Wie war das für Euch?
Matt: Ja, es war großartig, die Finger mehr mit im Spiel zu haben, als nur das Album selbst aufzunehmen. Manchmal nimmt man einfach Alben auf, spielt alles ein und geht wieder. Dieses Mal ging es mehr darum, neue Sachen auszuprobieren und jeder war dabei mit im Raum. Für uns war es sehr gut, es zu produzieren. wir haben so viel über das Aufnehmen und das Musikschreiben in den letzten Jahren gelernt, dies war also für uns einfach auch der nächste Schritt. Wir könnten nun vermutlich Musikproduzenten werden, vor allem DJ Dan Flynn zu Deiner Linken (deutet auf Dan, alle lachen). Am Ende des Tages brauchst Du vor allem einen guten Techniker, denn er weiß mit der Technik umzugehen. Es macht wirklich Spaß.
Chris: Man ist dem Album so auf jeden Fall ein ganzes Stück näher, weil man einfach mehr in den ganzen Prozess involviert ist. Es fühlt sich auf jeden Fall so an, als wäre man mehr als eine Band.
Habt Ihr vom neuen Album denn bereits einen Song, denn Ihr besonders gerne live spielt?
Matt: Ich liebe es, „I O U“ und „Straight To My Head“ zu spielen.
Chris: Dem stimme ich zu. Von den Songs, die wir auch heute live spielen werden, sind die Beiden auch meine Favoriten. „I O U“ ist einfach etwas anders als die Songs, die wir sonst spielen und „Straight To My Head“ hat einfach einen starken Refrain. Ich liebe diese Songs.
…und von den alten Songs?
Matt: Einige alte Songs machen immer noch sehr viel Spaß zu spielen. Zum Beispiel „Reckless“, ein Song von unserem dritten Album.
Chris: „Bite My Tongue“ macht auch immer noch riesigen Spaß.
Matt: Wenn das Publikum loslegt, macht es immer Spaß, egal, was man spielt. Darum haben die „Take Off Your Colours“ Shows auch so viel Spaß gemacht, denn das Publikum ist durchgedreht!
„Es ist wesentlich nervenaufreibender, wenn man 40 Leute sieht, die einen anstarren“
Da Ihr gerade vom Publikum sprecht: Wenn Ihr auf der Bühne steht und Euch die Leute vor Euch in der Menge anschaut – was seht Ihr da? Und was geht Euch da durch den Kopf?
Chris: Um ehrlich zu sein schaue ich die meiste Zeit auf die Gitarre und versuche, sie richtig zu spielen (lacht). Aber ich mag es, die Zuschauer zu beobachten, sie beim Springen zu sehen, zu sehen, wie sie lachen oder mitsingen. Die Leute beim Mitsingen zu beobachten ist immer wieder lustig, wenn sie dabei die Wörter falsch singen, ich liebe das (lacht). Generell ist es ein großartiges Gefühl und für mich sind da kleine Konzerte sogar noch etwas schöner als die großen, denn auf den großen Shows sieht man meistens nur die ersten Reihen. Es ist also wesentlich nervenaufreibender, wenn man 40 Leute sieht, die einen anstarren (lacht).
Matt: Ich gucke eigentlich auf niemanden (beide lachen). Ich schaue eher ÜBER alle oder auf meinen Bass (beide lachen).
Ihr habt gesagt, dass Ihr Euch heute etwas in Hamburg umgeschaut habt. Gibt es noch andere Städte, auf die Ihr Euch auf der Tour besonders freut?
Matt: Wir haben einen halben freien Tag in Berlin, also werden wir uns da auch auf jeden Fall umschauen. Wir haben auch Köln schon etwas erkundet, das war ziemlich cool. Eine großartige Stadt, die Kathedrale ist beeindruckend! Ich habe auf der Tour schon viele Orte erkundet, ich laufe gerne umher, um mir alles anzuschauen. Als wir jünger waren saßen wir immer nur in der Location rum, aber jetzt, da wir älter sind, denke ich mir „Du bist hier in dieser Stadt. Umsonst. Du könntest zuhause sein, als beweg dich und schau dir alles an!“ Es ist also toll, rauszugehen und ein paar Stunden von der Location weg zu sein.
Da Du gerade von Locations sprichst: Habt Ihr eine Lieblingslocation, die Ihr auf dieser Tour auch wieder besucht?
Chris: Hmm schwierig, besonders in Europa. Denn die Locations haben alle Namen in verschiedenen Sprachen und ich vergesse dann immer, wie sie heißen… Ich erinnere mich an die Location an sich, aber nicht daran, wie sie heißen…
Matt: Geht mir genauso.
Chris: Es ist cool, hier im Gruenspan zu spielen, hier waren wir vorher noch nie. Und der Raum an sich sieht ziemlich cool aus.
Matt: Ja, wir haben bereits in der Location auf der anderen Straßenseite mit Paramore gespielt (Große Freiheit 36 Anm. d. Red.). Aber hier waren wir noch nie, wird sicher toll.
Ihr seid nicht zum ersten Mal hier in Deutschland auf Tour. Was würdet Ihr einer Band raten, die zum ersten Mal auf Deutschlandtour geht? Was sollten sie wissen?
Matt: Sie sollten wissen, dass… Wir immer hier sind, wenn es kalt ist. Ich weiß auch nicht warum.
Chris: (lacht) Wirklich jedes Mal!
Matt: Jedes Mal, wenn wir auf Tour in Deutschland ist, ist es echt verdammt kalt…
Chris: Sogar wenn wir auf den Sommerfestivals spielen, ist es am Tag unserer Show immer kalt.
Matt: So ist es! Wir sind vermutlich das 15. Mal in Deutschland und ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals warm war. Aber das ist unser eigener Fehler… Unser Booker bucht immer nur Shows im tiefsten Winter. Buch‘ mal ein paar Shows im Sommer, verdammt nochmal! Ich würde sehr gerne mal im Sommer wiederkommen und schauen, wie es ist, wenn es warm hier ist.
…hier ist es ehrlich gesagt nicht wirklich oft heiß….
Matt: Ganz genauso wie in England (alle lachen). Aber zumindest sind wir auf die Kälte vorbereitet. Jeder hat seine Winterjacke dabei, außer Max, der braucht keine. Außerdem sind die deutschen Fans großartig, sehr aufgeschlossen und willkommen-heißend. Wir lieben das deutsche Publikum, sie hören immer aufmerksam zu, was man zu sagen hat und lieben die Songs, die wir veröffentlichen. Das ist cool.
„Wir werden immer wieder nach Deutschland kommen, auch wenn es nur noch drei Leute gibt, die uns sehen wollen“
Die Tour ist zwar noch ziemlich am Anfang, aber hattet Ihr schon ganz besondere Momente mit dem Publikum?
Matt: Gestern gab es keine Absperrung und bei „Room To Breathe“ fingen plötzlich alle an, zu crowdsurfen.
Chris: Das Publikum gestern war wirklich toll.
Matt: Ja, das war großartig. Bisher haben wir aber nur drei Shows gespielt, also kann man dazu noch nicht so viel sagen.
Das waren jetzt auch schon alle meine Fragen. Die berühmten letzten Worte gehören also Euch.
Matt: Cool! Die berühmten letzten Worte… (überlegt). „VI“ ist jetzt endlich auf dem Markt und wir werden immer wieder nach Deutschland kommen, auch wenn es nur noch drei Leute gibt, die uns sehen wollen. Also let’s keep going! (beide lachen)
Danke Euch für das Interview!
Chris: Vielen Dank!
Einen Konzertbericht von der You Me At Six Show in Hamburg findet Ihr hier
Video: You Me At Six – Straight To My Head