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Clowns – Endless

Schon seit Jahren kocht die australische Musikszene ein ganz eigenes Süppchen und liefert uns einige der spannendsten und energiegeladensten Bands unserer Zeit. Amyl And The Sniffers, C.O.F.F.I.N, The Chats, Grindhouse, King Gizzard & The Lizard Wizard, Civic – die Liste ist “Endless”. Passend also, dass die Band, die bei dieser Entwicklung an vorderster Front steht, sich nun mit einem entsprechend betitelten neuen Album zurückmeldet. Clowns lassen uns nun schon seit vier Jahren auf den Nachfolger von „Nature/Nurture“ warten, ihrer vierten Platte, mit der die Melbourner 2019 Teil der Fat Wreck Familie wurden. In der Zwischenzeit gab es (mal wieder) einen Besetzungswechsel an der Gitarre, wie es seit Beginn scheinbar zum guten Ton gehört, sowie zwei Singles, die einen leichten Richtungswechsel vermuten ließen, ohne allzu sehr auf das hinzudeuten, was uns das Quartett nun vorlegt. Denn mit „Endless“ erweitern sie ihr ohnehin schon umfangreiches Sound-Portfolio um einige neue Facetten.

Als jemand, der Alben als Gesamtkunstwerk betrachtet und neben der klanglichen auch viel Wert auf die optische Qualität legt, war die Wahl dieses Covers sicher eine… Entscheidung.

Dämonisches Vampir-Skelett mit Keytar

Lasst uns zuerst über das Cover sprechen. Als jemand, der Alben als Gesamtkunstwerk betrachtet und neben der klanglichen auch viel Wert auf die optische Qualität legt, war die Wahl dieses Covers sicher eine…Entscheidung. Aus meiner Sicht leider keine Gute, erinnert mich das Cover doch eher an die zusammengewürfelten ersten Gehversuche der Dorfmetalband von nebenan, die mir mit dem Vorschlaghammer klarmachen müssen, wie hart und wild und morbide und gefährlich ihre Musik ist, weil ihre Breakdowns dafür nicht ausreichen. Die Clowns hingegen hätten das eigentlich gar nicht nötig, haben sich auf ihren Socials aber so sehr über dieses trashige Artwork gefreut, dass ich gar nicht groß meckern will, schließlich sind Geschmäcker verschieden und immerhin passt es zum 80s-Metal-Vibe, der das Album durchzieht.

Da sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Nach dem Klavier-Opener „Endless“ folgt bereits die erste veröffentlichte Single der Platte, „Formaldehyde“, welche direkt vermuten lässt, wohin die Reise beim fünften Longplayer der Band gehen wird. Neben dem ebenfalls bewusst trashigen Musikvideo zum Song fällt das Lied auch musikalisch ins Auge, äh, Ohr. Inhaltlich sehr schlicht gehalten und selbstreferenziell ist dem Quintett anzumerken, wie viel Spaß sie beim Spielen haben. Auch das passt wieder gut, immerhin geht es in dem Song um das Gefühl, unsterblich zu sein und allen Widrigkeiten zu trotzen – das Hauptthema des gesamten Albums.

(Bi-)Sexuelles Erwachen

„Scared to die“ mit dann etwas hardrockiger, hier kommen die 80s Vibes der Platte erstmals voll durch. Textlich geht es, entgegen dem Titel, nicht um die Angst vor dem Tod per se, sondern um die Dinge, durch die sich Sänger Stevie lebendig fühlt – namentlich hauptsächlich Sex, laut Chorus. Und da haben wir auch schon das zweite große Thema des Albums, denn mit „Bisexual Awakening“ haben Clowns im Vorfeld der Veröffentlichung bereits für Aufmerksamkeit gesorgt. Der Song ist eine Art Coming-Out für Frontmann Stevie Williams, der, eigenen Angaben nach, „too straight to be gay but too gay to be straight” sei und deswegen lange Zeit nicht wusste, wo sein Platz in der Welt wäre. Dass diese äußerst persönliche Botschaft durchaus einigen Gegenwind in den Kommentarspalten sozialer Medien bekommen hat, zeigt leider deutlich, wie viel Arbeit uns in der Punk Szene noch bevorsteht. Dabei sollte der eigentliche Kritikpunkt sein, dass der Song stark nach „Historys Stranglers“ von The Bronx klingt – sofern die Nähe zu einem absoluten Banger (wie die Kids heute sagen) als Kritik zu formulieren ist.

Letzten Endes nehmen Clowns solche Reaktionen zwar wahr, versuchen sie aber seit jeher zu nutzen, um sich selbst zu pushen und allen Nein-Sager:innen zu beweisen, dass sie falsch liegen. Darum dreht sich auch der Song „Thanks For Nothing“ (den wir in der Reihenfolge sneeky übersprungen haben), der zum Großteil von Bassistin Hanny J gesungen wird. Hanny J hat eine wunderbare Stimme, die für diesen Track eher in Richtung ihres Solo-Projekts geht. Dadurch wird „Thanks For Nothing“ insgesamt etwas poppiger, was an dieser Stelle in der Tracklist sicher gut tut, aber auch etwas schade ist, wenn ich zum Vergleich in Richtung des letzten Albums schaue und dort „Nature“ finde, dem sie ebenfalls ihre Stimme lieh und der zu meinen absoluten Favoriten der Band zählt. Gemessen daran geht „Thanks For Nothing“ leider etwas unter.

Ein absolutes Highlight liefern die Australier:innen aber mit „I Got A Knife“ ab! Nicht nur aufgrund der E-Orgel, die sie auch auf „Nature/Nurture“ schon sporadisch eingebaut haben, sondern auch weil Cecilia Boström von The Baboon Show einen Teil des Gesangs übernimmt! „I got a Knife – I’m not afraid to use it. I got a life – I’m not afraid to use it”. Kurz, knapp, auf den Punkt und sau gut.

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Weiter geht es mit “Z3r0s&0n3s“, dem meiner Meinung nach besten Song des gesamten Albums. Es ist der Song, der am ehesten so klingt, als hätte er auch auf einer der vorherigen beiden Veröffentlichungen erscheinen können – was angesichts der hohen Qualität dieser Alben definitiv ein Kompliment ist!

Und auch der nächste Track klingt so, als hätte ihn die Band schon einmal rausgebracht. In diesem Fall stimmt das sogar auch, denn „Sarah“ (eine Anspielung auf das englische Wort für Serotonin) gab es bereits vor zwei Jahren als Single auf die Lauscher. Für die neue Platte wurde der Song nochmal neu aufgenommen und gemixt, was aus meiner Sicht aber ein Rückschritt war. Der alte Mix war hier und da etwas gröber, hatte dafür aber mehr Energie, mehr Bumms und, wenn ich mich nicht irre, auch etwas mehr Tempo.

Bad Blood 2.0

Mit „Deathwish“ greifen die Clowns dann nicht nur wieder das Thema des Albums auf, sondern auch in ihre „Bad Blood“-Trickkiste. Der Song ballert brachial aus den Boxen und wird nur durch das zart-filigrane Zwischenspiel aufgebrochen, das sich von ähnlichen Songs der Band abhebt und mit dem sie einmal mehr ihr Händchen für nahtlose Übergänge und spannendes Songwriting beweisen. Hier spielen die Clowns all ihre Stärken aus und das Ergebnis ist großartig!

Etwas geradliniger, aber nicht weniger hart sind die Töne, die sie in „Enough is Enough“ anschlagen. Hier erinnern sie sehr stark an das Material ihres zweiten Longplayers, dieses Mal aber durch die Röhre von Hanny J ergänzt, die sich an den Backup-Vocals austoben darf. Hier werden sich einige Mosh-Pits freuen!

Mit „Quicksand“ gibt es dann kurz vor dem Ende nochmal einen Stilwechsel, wenn die Band aus ihrem Hardcore-Geballer in ein von einer Akustikgitarre getragenes Intro übergeht. Erst nach zwei Minuten, fast der Hälfte des Songs, treten sie das Gaspedal und starten durch, doch der Aufbau hat sich gelohnt, denn „Quicksand“ gehört zu den markantesten Tracks der Platte und hätte ohne Probleme einen würdigen Abschluss geliefert. Doch die Band hatte andere Pläne…

True-Crime und Punk

Clowns haben ein beachtliches Händchen für starke Album-Closer bewiesen. Vom knapp 12-minütigen „Human Terror“, über die Psych-Rock Einschläge im neunminütigen „Not Coping“, bis hin zum Sitar-getragenen „Nurture“ – immer wieder schafften es die Australier:innen auf ihren letzten drei Alben zum Schluss noch einmal die kreative Keule zu schwingen. Und kreativ wurden sie auch dieses Mal wieder, so viel steht fest! Mit der Unterstützung eines anonymen Casefile Hosts und der Trompetensektion ihrer Freunde von Feine Sahne Fischfilet haben die Clowns eine Art Punk-vertonten True-Crime-Spaghetti-Western auf die Beine gestellt. Ein Spoken Word Track, instrumentell unterlegt. Was nach einer lustigen Idee klingt, stellt sich, zumindest aus meiner Sicht, als Enttäuschung heraus. Aufgrund des angesprochenen Song-Portfolios waren meine Erwartungen an den letzten Song auf „Endless“ entsprechend hoch, konnten aber nicht erfüllt werden. So interessant das Konzept ist, die Idee allein trägt nicht über acht Minuten und insgesamt lenkt der Erzähler zu sehr von dem ab, was eigentlich zählt – die Band!

Fazit

„Endless“ wird auf jeden Fall nicht den Spitzenplatz in meinem persönlichen Clowns-Ranking einnehmen. Dafür sind „Bad Blood“ und vor allem „Lucid Again“ zu stark. Und auch wenn mir vor allem die Callbacks zu älteren Stücken gefallen haben, rechne ich es den Australier:innen hoch an, dass sie uns nicht mit jeder Platte das gleiche Ergebnis, die immer gleichen Songs im immer gleichen Gewand präsentieren. Stattdessen können wir mit jedem neuen Longplayer, ja, jedem neuen Song eine Entwicklung spüren. Ob diese immer zu 100% unseren Geschmack trifft ist dabei im Grunde vollkommen egal, denn Hauptsache ist, es herrscht kein Stillstand.

Video: Clowns – Bisexual Awakening

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