Los geht es mit der aus Dänemark angereisten Band Lifesick. Während die Band ohne große Worte druckvoll in den Abend startet, füllt sich der Veranstaltungsraum des Béi Chéz Heinz mehr und mehr.
Neben der Präsentation eines neuen Songs hält es Frontmann Simon Shoshan nur kurze Zeit zwischen seinen Musikerkollegen auf der Bühne. Er nutzt den Raum, welcher durch den altgewohnten Sicherheitsabstand Hannovers zu Bühnen entsteht und arbeitet jeden Zentimeter ab. Das Publikum wirkt bis dahin eher beobachtend. Es wird in guter alter Manier kopfnickend gelauscht.
Risk It laden zum Saunagang
Kaum ist der letzte Ton verklungen, geht es auf den Hof des Clubs. Die sommerlichen Temperaturen haben den Keller schon ordentlich im Griff und treiben die Besucher nach draußen. Mit dem ein oder anderem Kaltgetränk wird die Umbaupause bestritten und es ist klar: Das wird heute Abend eine ganz schöne Sauna.
Es dauert nicht lange, bis Risk It zum nächsten Saunagang laden. Die Dresdener Band fackelt nicht lang und lädt die Besucher ein, den Sicherheitsabstand aufzulösen: „Kommt schon! Jeder kommt zwei Schritte nach vorne. Scheißt auf die Lücke, Ihr habt immerhin Eintritt bezahlt. Keiner braucht den Abstand!“
Risk It gehen gleichermaßen druckvoll nach vorn. Mit Armen und Beinen wird in die Luft geschlagen und man bedankt sich immer wieder bei den Gästen und den beiden anderen Bands. „Subkultur ist mehr als ein cooler Turnschuh oder ein cooles Bandshirt. Subkultur ist letztlich das, was man daraus macht. Das sind solche Läden wie das Béi Chéz Heinz und das gehört unterstützt!“ , erklärt Frontmann Gregor.
„Ich denke, es ist tausend Mal geiler, eine Band im kleinen Club zu sehen, als auf einem Festival“
Die Vitalität des Publikums hat sich deutlich verändert. Vor der Bühne wird gemoshed und das Mikro eingenommen. Eine dieser wunderbaren Symbiosen zwischen Band und Publikum entsteht. Schon lange hat man das Heinz nicht mehr so in Fahrt gesehen. Erst recht nicht Mitten in der Woche „Ich denke, es ist tausend Mal geiler, eine Band im kleinen Club zu sehen, als auf einem Festival“ , führt der Frontmann seine Lobeshymne auf die Subkultur fort. Währenddessen setzten die ersten Circle Pits um die Mittelsäule ein. Auch das konnte man schon länger nicht mehr beobachten.
Immer wieder bedanken sich Risk It bei ihren Fans, bei den Veranstaltern, bei der Crew und natürlich Comeback Kid und Lifesick. Da kann man die wirkliche Bedeutung von „Community“ ganz klar beobachten: „Ohne das Alte würde es das Neue nicht geben“ , erklärt Sänger Gregor und führt fort „und ohne das Neue, wäre das Alte längst vergessen!“ . Das Publikum fest im Sattel liefern Risk It einen Abriss aller erster Sahne. Dieser Saunagang hatte es schon ganz schön in sich. Die ersten T-Shirts werden gewechselt und wieder strömen die Besucher nach draußen. Abkühlung deutlich erwünscht.
„We are wasting our time for you Hardcore Kids“
Comeback Kid tauchen die Bühne in Dunkelheit. Ein paar wenige blaue LED-Scheinwerfer weisen leuchturmgleich den Weg. Die Band ist aus den letzten Reihen kaum zu erkennen. Die Dunkelheit wird die nächsten fünf Songs anhalten. Los geht es mit „Wasted Arrows“. Bereits hier zeigt sich das Publikum textsicher und überdurchschnittlich motiviert. „Welcome in the Pit“ beschreibt das ganze recht gut. Der Hexenkessel nimmt fahrt auf und die ersten Circle Pits ziehen durch den Veranstaltungsraum. „Hannover, how are you doing tonight?“ , begrüßt der Comeback Kid Sänger Andrew Neufeld aka GOOSE sein Publikum und fährt fort: „We are wasting our time for you Hardcore Kids.“
Die benannten Hardcore Kids reagieren mit Applaus und lassen sich nicht eine Sekunde lang lumpen direkt wieder loszulegen. Heute könnte es wohl wieder von der Decke tropfen. Auch Neufeld mischt sich gleich unter die Besucher und stellt immer wieder Kontakt her. Ob im Publikum oder am Mikrofon, Comeback Kid zeigen sich wenig scheu. Wenn schon darauf geschaut wird, was lange nicht mehr im Heinz erlebt wurde, darf auch nicht vergessen werden, dass es schon lang nicht mehr so einen vollen und wahnsinnig gut abgemischten Sound im Keller des Vertrauens gab. Der lässt auch fast ignorieren, dass Neufeld heute Abend scheinbar nicht ganz gut bei Stimme ist.
Vorgeschmack auf das kommende Album
Das Publikum wirbelt ausdauernd die Arme in die Luft, klatscht schwungvoll über den Köpfen den Takt der kanadischen Band und zeigte sich wirklich mächtig textsicher. Auch Neufeld hebt die Szenegemeinschaft und Subkultur hervor. So berichtet er, dass Comeback Kid in Israel auf einem Festival hätten spielen sollen. Da dieses jedoch nicht angemeldet war, wurde es abgesagt. Die Genrekollegen von Kids Insane haben dann kurzerhand eine Show organisiert. Sowas sei nicht oft zu erleben und ein ganz besonderes Gefühl. Dieses besondere Gefühl fordert er für den heutigen Abend auch ein „Let´s make this a night to remember!“
„When you say, when you say how it used to be…“ wird angestimmt und schon geht es druckvoll zu „Do Yourself A Favour“ weiter. Kurze Zeit später erkundigt sich Neufeld, ob das Publikum schon den kürzlich veröffentlichten Song „Absolute“ gehört hätte. Unter den Jubelrufen der Gäste feuert der Frontmann an: „Then we will play it for you tonight!“
„This is for you my friends!“
Zwischen den in die Luft schlagenden Armen sind vermehrt Crowdsurfer zu beobachten. Heute wird alles gegeben. Es ist nicht mehr weit, bis zu einer dieser unvergessenen Nächte. Um den Überblick zu behalten oder doch noch ein Quäntchen Luft zu erhaschen, zieht sich Neufeld immer wieder an einem Eisenrohr an der Decke über das Publikum. Die Stimmung ist am Siedepunkt und schnell wird klar, dass in dieser Nacht absolut nichts mehr schief gehen kann. Mit erhobenen Bieres bedanken sich Comeback Kid bei den Besuchern: „This is for you my friends!“
Beim Intro zu „Wake The Dead“ taucht kurz eine leichte Stadionatmosphäre auf. Die Zuschauerchöre setzen in der ersten Sekunde ein und nehmen nochmal richtig fahrt auf. Ein großartiges Ende eines wirklich großartigen Abends. Mit dem letzten Ton ist Schluss. Vergebene „One More Song“-Chöre verhallen in der frühen Nacht und im Hof des Béi Chéz Heinz ist man sich sicher, dass Hannover seit Converge keine geilere Hardcore Show gesehen hat. Chapeau!