Tempo raus und Melodien, wie vertraute Umarmungen rein: Das neueste Album des Alkaline Trio-Bassisten und Co-Sängers Dan Andriano ist einfach schön. Der Mann, der dank seiner einprägsamen Stimme die Zuordnung zum melancholischen Pop-Punk nie so ganz verlieren wird, bleibt seiner musikalischen Geschichte treu, zeichnet eine eigene Note obendrauf und liefert den hörbaren Beweis, das Beste aus dieser verdammten Pandemie gemacht zu haben.
Dan Andriano & The Bygones ist das neueste Projekt des US-Amerikaners. Dafür schnappt er sich die Musiker Randy, Dylan Moore und Nick Kenrick. Ursprünglich war eine EP geplant, doch Andriano hatte am Ende der ersten Woche so viel Material, mit dem er arbeiten konnte – und spürte eine so natürliche Beziehung zu den Moore-Brüdern, dass die improvisierte Session zu einem ganzen Album führte.
Eröffnet wird die Platte durch den Track „Narcissus, Amateur Classic Narcissist“. Vielleicht der beste Track, ein Album zu starten. Geschickt zieht mich der Song, durch das perfekte metronomische Ticken seiner euphorisierenden Melodie, in einen doch überraschenden Bann. Der Indie-Rock-Song „Sea Level“ knüpft mit der immer weniger tabuisierten Auseinandersetzung von psychischen Belastungen zur eigenen Selbsterkenntnis an und erzählt davon, wie man ein besseres Bewusstsein für sich selbst und das Erkennen von Frühwarnzeichen finden kann. Schon hier zeigt sich die Vertrautheit von Andrianos zuckersüßer Stimme. Gleichermaßen schließt sich der Titeltrack „Dear Darkness“ an – da ist sie wieder, die düstere Melancholie dieser „Emophase“, aus der (das muss man sich bewusst machen) keiner von uns jemals ganz herauswachsen wird.
„Wrong“ verändert die Dynamik und schmiegt sich – in erstaunlichen viereinhalb Minuten – mit jedem Klaviertastenanschlag verletzlicher und roher, als alles was ich bisher auf diesem Album gehört habe, an. Live wird es nicht ausbleiben, dass dieser Song Herzen schmelzen lässt. Spanned an „Dear Darkness“ ist übrigens, dass man es hier wohl mit einem klassischen Selbstläufer zu tun hat. Während die Welt weder neu erfunden, noch außergewöhnlich verändert wird, bekommen experimentelle „Ausreißer“ aus Klavier und Gitarrensolos sehr berechtigte Momente. Es wird gejammed und genau so fühlt es sich immer wieder an – als würde man mit in dieser Garage sitzen, in der die Songs, mitten in einer Pandemie, einfach so entstehen.
Wer hier die große Neuerung sucht, wird wohl enttäuscht sein. „Dear Darkness“ besticht durch Routine und Vertrautheit. Es schenkt uns die Sicherheit und das Bewusstsein, dass wir in den letzten zwei Jahren den selben Struggle und die gleichen Wünsche hatten – egal wo und wie weit wir voneinander entfernt waren. Ganz nach Frank Giering: „Weißt Du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem, was Du machst. Und wenn es so richtig scheiße ist, ist wenigstens noch die Musik da.“
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