Etwas später im August als für gewöhnlich üblich, startet das Fährmannsfest mit einer Spezial Ausgabe in die 36. Runde. Der Freitag wird sich als entschleunigter Auftakt auf höchstem musikalischen Niveau zeigen, der mit über 3000 Besuchern und Kettcar als Headliner einen mehr als würdigen Höhepunkt in der Geschichte des kleinen hannoverschen Woodstocks setzt. Neben dem sympathischen Headliner wird das Fährmannsfest durch Isolation Berlin, The Districts und Fortuna Ehrenfeld eröffnet.
Während die Kölner Indie-Pop-Band Fortuna Ehrenfeld und The Districts aus Pennsylvania den frühen Abend an der Ihme einleiten, ist das Publikum schon zahlreich versammelt, aber auch hier und da immer wieder – ganz wörtlich gemeint – mit dem Kopf in den Wolken. Man traut dem grauen, wolkenverhangenen Himmel noch nicht so richtig zu, dass er den Abend trocken verlaufen lässt.
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Es werden Melodien zu Titeln wie „Gegen die Vernunft“, „Das ist Punk, das raffst du nie“, „Glitzerschwein“ und „Der Puff von Barcelona“ angestimmt und während Fortuna Ehrenfeld – das Bandprojekt des Kölner Musikproduzenten, Komponisten und Texters Martin Bechler, der auch, wie Kettcar, in die Grand Hotel Van Cleef Schmiede gehört – sich mit seinen Texten klar positioniert und beweist, wie gut er auf eben dieses Festival passt, demonstrieren The Districts ohne große Ansagen ihr musikalisches Können und erinnern an The Strooks oder The Kooks. Bis zum Ende des Tages wird die Band vom Publikum immer wieder als besonders spannende und großartige Liveband bezeichnet.
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Isolation Berlin legen mit den Titel „Der Bus Der Stillen Hoffnung“ los und so langsam kommt Bewegung in das Publikum vor der Bühne. Wir sehen sehnsuchtsvolle, traurige, wütende, aber auch nach vor blickende Musik aus dem deutschen Sprachraum und definieren wohl die Sparte des deutschen Rocks neu. Hinter der Bühne öffnet sich derweil der graue Schleier, um seinen schönsten Sonnenuntergang zu zeigen. Während auch das Lindener Wahrzeichen – die drei warmen Brüder – in das tiefrote Licht der Abendsonne gehüllt werden, macht sich der Abend so langsam auf die Zielgerade.
Bildergalerie: Isolation Berlin
Humanismus ist nicht verhandelbar
Kettcar starten mit „Rettung“ vom 2012er Album „Zwischen den Runden“ und ziehen das Publikum, was zum größten Teil für die Hamburger Band gekommen ist, sofort in ihren Bann. Hinter sphärischem Licht, das die Musiker vermehrt Schemenhaft zeigt, liegt der Fokus auf den sieben Videoleinwänden im Hintergrund. Kettcar spielen für diesen Sommer exklusiv im Norden auf dem Fährmannsfest und ziehen somit Menschen aus dem gesamten Norddeutschen Raum an das Ihmeufer.
Es dauert nicht lange und Markus Wiebusch bezieht Position. Den dritten Song „Sommer ’89 (Er schnitt Löcher In Den Zaun)“ leitet er mit der Erklärung ein, dass alle Anwesenden wissen, dass es kaum noch nötig sei, Gleichdenkende von seiner Haltung zu überzeugen und dass es trotzdem maximal elementar sei, immer und immer wieder darüber zu reden und zu singen. Denn Humanismus, so Wiebusch, ist nicht verhandelbar. Mit „48 Stunden“ und „Balu“ widmen die Hamburger zwei „Liebeslieder“ den Chaostagen, an die sie sich an diesem Wochenende nicht als einzige Band erinnern und stimmen somit zwei ihrer großen Hits an. Dass Kettcar eine höchst sympathische Band ist, belegt schon Stefan Henningsen bei der Anmoderation der Band. Nachdem die Band auf dem Béi Chéz Heinz Hoffest spielte, lud sie im folgenden Jahr die gesamte Belegschaft zur Show ins Capitol ein.
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Gänsehaut in unter drei Sekunden
„Balkon Gegenüber“ wird mit der Geschichte um den ersten großen möglichen Plattendeal, die damit verbundene Story um die zweite Strophe des Songs, die nach 18 Jahren dann doch geschrieben wurde und der Gründung des Grand Hotel van Cleef eingeleitet. Drei Anekdoten, die letztlich zeigen, wie sehr sich Kettcar bis heute treu bleiben. Nach einem Applaus, der immer tosender wird, nutzt Wiebusch die „Euphorie“ und lädt das Publikum zum Mitmachen ein. Er erklärt, dass Kettcar eigentlich nicht so eine Animationsband ist, dass man aber beim kommenden Lied die Hand heben und im Takt wippen könne, wenn man es tief im Herzen spüren könne. So kündigt er seinen Solo-Song „Der Tag Wird Kommen“ an, in dem er sich mit dem Thema Homophobie im Fußball auseinandersetzt. Ein Song, der Gänsehaut in unter drei Sekunden auf den ganzen Körper bringt.
„Hier ist so gute Stimmung, ihr seid doch alle nicht aus Hannover“
Für den nächsten Schmunzler sorgt der Bassist Reimer Bustorff, der erzählt, dass er mit dem Gedanken an ein neues Album seine Mutter anrief. Nach seinem Vorschlag schlug sie ihm, so seine Erzählung, allerdings eher eine Ausbildung vor. Als der Gedanke verworfen war, kam von der Mutter allerdings die Idee, eine Pro-Platte zu machen, für Leute wie Sea Watch oder Viva Con Aqua und Co. Nachdem Markus Wiebusch weiterführt, wie man ihn letztlich von der Idee überzeugen konnte und „Ich vs. Ihr“ ein Album wurde, das zeigt, dass „Eine gute Tat nicht zum moralischen Selbstbild werden darf“, wurde „Revolver Entsichern“ angestimmt und das Publikum zeigt sich weiterhin konstant textsicher.
Über die Landungsbrücken raus
Wiebusch scherzt „Hier ist so gute Stimmung, Ihr seid doch alle nicht aus Hannover“ und kündigt den nächsten Song passend mit „aber schön mit´m Taxi nach Hause fahren“ an. Nach „Ankunftshalle“, „Auf den billigen Plätzen“, „Ich danke der Academy“ und „Deiche“ verabschieden sich die Hamburger von der Bühne, um nach der deutlichen Bitte aus dem Publikum für drei weitere Songs zurück auf die Bühne zu kommen. Mit einem Bild für die Mutter, die das „sonst ja nie glauben wird“ geleiten Kettcar ihre Gäste für diesen großartigen Fährmannsfest Auftakt über die „Landungsbrücken Raus“.