Im Rahmen des im April 2018 erschienen Album „Zores“ (CD-Review) ist die deutsche Indierockgröße Drangsal derzeit auf Tour und legt dabei einen Halt in der Stadt an der Leine ein. Das Vorbandprogramm liefert das Berliner Trio Pabst.
„Ich glaub, das ist mein Lieblingkonzert dieses Jahr“
Der Winter naht – die Nächte werden kälter und so sind es gerade mal frostige drei Grad, als die Glocksee gegen 20 Uhr ihre Pforten öffnet. Die Show ist restlos ausverkauft und daher ist die „Glocke“ bereits gut gefüllt, als die Jungs von Pabst um 20:24 Uhr den Abend mit „Vagabondage“ ihres aktuellen Albums „Chlorine“ eröffnen.
Neuniziger-Garagenband-Atmosphäre
Die Jungs machen einen etwas abgeschlagenen Eindruck auf der Bühne und das Publikum wippt zunächst verhalten mit dem Oberkörper im Takt der Musik. Doch gerade das zeichnet die herrliche Neunziger-Garagenband-Atmosphäre des Grungerock-Trios aus. Papst halten sich auch mit langen Ansagen nicht auf. So gibt es am Anfang eine kurze Begrüßung und die Ansage „Wir spielen ein paar Songs, der ein oder andere mag sie vielleicht kennen“, nachder es schnell mit „Perfume“ weitergeht.
„Weiter geht es nach einer kurzen Werbeunterbrechung“
„Shake The Disease“ fängt mit wunderbar psychedelischen Basslines an, doch so richtig steckt erst der deutlich härterem Song „Ocean Cruise“ an. Wo man eben noch vereinzelt Leute im Publikum die Musik hat fühlen sehen können, wird auch nun der Rest der Menge von dem Punkrock gefärbten Song mitgerissen. „Habt ihr Bock auf Drangsal?“, fragt Sänger Erik in die Runde und fährt mit „Weiter geht es nach einer kurzen Werbeunterbrechung“ fort, bevor die Band mit ihrem Schlusslied „Skinwalker“ die Bühne verlässt. Zum Schluss bedankt man sich mit großem Applaus bei den Musikern, die wohl musikalisch das Britischste darstellen, was die deutsche Newcomer-Modern-Rock-Szene zu bieten hat.
„Das hier ist halb Standup, halb Livekonzert!“
Die schwüle Luft im Obergeschoss der Glocksee ist bereits zum schneiden dick, als Drangsal um 21.35 Uhr (unrunde Uhrzeiten scheinen heute das Motto zu sein) unter tosendem Applaus und mit Sirenenklängen die in blaues Licht getünchte Bühne betreten. Frontmann Max Gruber richtet nochmal an jedes Bandmitglied das bekannte Handzeichen aus der Metalszene, bevor sie mit „Jedem Das Meine“ ihr Set beginnen.
„Tanzen!“
Beim zweiten Song „Will Ich Nur Dich“ kommt die Menge so richtig in Fahrt und folgt der kurzen Anweisung Grubers „Tanzen!“ natürlich sofort. Darauf wendet der Mann hinter Drangsal sich mit einer liebenvollen, poetisch angehauchten Begrüßung an die Anwesenden: „Jetzt mal offiziell: Hallo! Ihr seid in Hannover, wir sind Drangsal und auch in Hannover. Es ist heiß, das ist nice.“, woraufhin sie ihren ersten englischen Song „Do The Dominance“ zum Besten geben. Währen die Jungs von Pabst sich von großen Ansagen eher distanziert haben, geben sich Drangsal, ganz im Gegensatz, nur mit langen Ansagen zufrieden und Gruber gibt dazu auch ein Statement: „Dieses Live-Set hat doch Schichten, so wie dieses Outfit, wie eine Zwiebel. Lasst uns abspacken!“ – daraufhin tosendes Stampfen zwischen den Anwesenden – „Wenn ihr ein Konzert wollte, seid ihr falsch. Das hier ist halb Standup, halb Livekonzert!“
Bei dem darauf folgenden Lied „Sirenen“ wird deutlich, dass ein Großteil des Publikums die Texte von Drangsal in- und auswendig beherrscht.
Interaktion mit den Zuschauern wird bei Drangsal großgeschrieben
„Wir regen das Tempo an, es ist Der Ingrimm!“, kündigen Drangsal ihren nächsten Song an. Doch die eh schon so begeisterte Menge noch weiter anzuregen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Allerdings nicht für Drangsal. So tanzen die Leute noch ein kleines Stück ausgelassener zu den elektronischen Beats à la Achtzigerjahre. Nur in den hintersten Reihen bleibt es ein wenig ruhiger, wie das bei Konzerten häufig der Fall ist.
„Ein letztes Mal ausrasten!“
Darauffolgend motiviert Gruber den Bassisten ein alkoholisches Getränk zu exen, aber nicht ohne sich zu versichern, ob dieser denn Ersatzsaiten dabei habe, denn diese tendieren gerne mal dazu zu reißen, wenn es „hart auf hart kommt.“ In der Zeit könne sich das Publikum ja schon mal den nächsten Song überlegen. Interaktion mit den Zuschauen wird bei Drangsal großgeschrieben. Nachdem die ersten zwei Vorschläge abgelehnt werden, entscheidet man sich für den Wunsch einer jungen Frau, eine Coverversion von The Smiths „Bigmouth Strikes Again“ zum Besten zu geben.
„Ich glaub, das ist mein Lieblingskonzert dieses Jahr.“
Langsam scheint Max Gruber sich aber einen Knoten in die Zunge zu reden und gesteht, dass er erstmal einen Gin Tonic benötigt, denn er hat keine Ahnung mehr, was er da redet. Zu „Laufen Lernen“ schwebt der erste Crowdsurfer über die Menge und davon ist auch Drangsal erstaunt und bekennt sich gerührt, denn es sei nach eigener Aussage der erste Crowdsurfer auf einem ihrer Konzerte. Nach ihrem New-Wave-Hit „Arche Gruber“ erklärt Gleichnamiger: „Ich glaub, das ist mein Lieblingkonzert dieses Jahr“, und die Menge brüllt vor Freude. Vor ihrem letzten Song „ACME“ wird dann noch einmal der Drummer geehrt, der sich mit einem Solo erkenntlich zeigt und die Anweisung „Ein letztes Mal ausrasten!“ ans Publikum gerichtet. „Wir gehen jetzt saufen, dann schreit ihr Zugabe und dann spielen wir nochmal zehn Songs“, verspricht Drangsal den Anwesenden, doch diese warten dann vergeblich einige weitere Minuten vor der Bühne, denn eine Zugabe wird es heute Abend nicht mehr geben.