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Exklusives Tourtagebuch: The Sewer Rats

The Sewer Rats The Jukebox Romantics

Foto: Some Random Italian Guy

Unser Archi hat sich mit seinen Sewer Rats auf den Weg in die Staaten gemacht. Um genauer zu sein, an die Ostküste Amerikas. Höhepunkt der gemeinsamen Reise mit den Musikerkumpels von The Jukebox Romatics sind sicherlich die beiden Gigs im Zuge des legendären The Fest in Gainesville. Was er sonst alles „on the road“ erlebte, berichtet er exklusiv in seinem Tourtagebuch. Teil eins beschreibt die Reise der Kölner Band von New York City nach Gainesville.

„Es herrscht Aufregung bei allen Beteiligten!“

New York City (NY), Coney Island Baby, Donnerstag, 18. Oktober 2018

Foto: Archi

Der erste Tourtag hat immer etwas magisches, auch wenn es dieses Mal, technisch gesehen, nicht der erste Tourtag war, sondern nur der erste Tag des zweiten Teils unserer Tour mit den Jukebox Romantics aus New York. Dann auch noch der Kick-Off mitten in Manhatten – viel mehr geht nicht! Es herrscht Aufregung bei allen Beteiligten: die Jukebox Romantics hoffen, dass sie gute Gastgeber sind und alles glatt läuft. Wir müssen uns mit den Gegebenheiten und dem Equipment vor Ort vertraut machen (weil wir nichts mitgebracht haben und ich beispielsweise meine Gitarre erst vor Ort gekauft habe und heute im Coney Island Baby das erste Mal spiele).

Foto: Archi

Der erste Kulturschock für uns: 2 Getränkemarken pro Person den ganzen Abend, keinerlei Verpflegung vor Ort und natürlich keine Pennplätze von der Location – das weiß man zwar alles vorher, trotzdem ist es verrückt, es dann zu erleben, wenn man deutsche beziehungsweise europäische Umstände gewohnt ist. Wir freuen uns darüber, dass Freundinnen und Freunde aus Deutschland dabei sind und dass andere Leute zum Teil extra zweieinhalb Stunden gefahren sind, um uns (wieder) zu sehen.

Foto: Archi

Dafür, dass in New York zeitgleich etwa 27.000 Sachen abgehen, ist das Coney Island Baby gut gefüllt und die Stimmung hervorragend, was sicher auch unserem Paradiesvogel-Dasein geschuldet ist. Mein Shoutout geht raus an Sister Munch, die alle auschecken sollten, die auf female-fronted Geballer stehen.

Philadelphia (PA), The TuSK, Freitag, 19. Oktober

Foto: Archi

Unser nächster Stopp ist Philly, also eigentlich unser richtiger Tourstart, nachdem wir die ersten Tage „Urlaub“ in New York City gemacht haben. Treffpunkt ist das Haus von Jukebox Romantics-Gitarrist Terry, nördlich von New York City. Dort beladen wir die »Juicebox«, unser Zuhause für die nächsten zweieinhalb Wochen und machen uns auf den Weg nach Philadelphia.

„Ich habe mehrmals das Gefühl, der Boden des Ladens könne jederzeit durchbrechen und wir auf die Besucher der Sportsbar stürzen.“

The TuSK ist eine Punkrock-Location die mitten auf einer der Partystraßen der Stadt liegt und durch eine Treppe über die darunterliegende Sportsbar erreicht wird – das bedeutet Load-In durch Unmengen von Football- und Baseball-Fans. Fünf Bands stehen heute auf der Speisekarte, vollkommen üblich in Amerika und absolut unabhängig vom Wochentag, wie wir schon bald feststellen werden. Eine verrückte Show, mit Leuten, die uns einfach das Mikro wegnehmen und selbst singen. Ich habe mehrmals das Gefühl, der Boden des Ladens könne jederzeit durchbrechen und wir auf die Besucher der Sportsbar stürzen. Nicht schlecht für den zweiten Abend in Amerika. Übernachtet wird bei Oscar, Ex-Mitglied der Band Far From Finished, der mit seiner neuen Band The Lot auch mit von der Partie war. Besten Dank!

Baltimore (MD), Sidebar, Samstag, 20. Oktober

Foto: Archi

The Sidebar in Baltimore ist die Location des heutigen Abends. Schon im Vorfeld wurde uns gesagt, wir sollen in Baltimore etwas aufpassen und nicht alleine rumlaufen, um keinen Ärger zu bekommen. Juhu. Die lieben Leute von Feed The Scene haben die Show in der Sidebar auf die Beine gestellt und von den sechs Bands des heutigen Abends spielen vier auch beim Fest in Florida. Also cool, um sich schon einmal kennenzulernen und auszuchecken – zum Beispiel die Boys von Lost In Society, die uns noch mehrfach über den Weg laufen werden.

Foto: Archi

Für einen Samstag mit so gutem Line-Up ist leider erstaunlich wenig los, für uns jedoch egal, weil auf Tour jeden Tag Samstag ist. Nach der Show probiere ich das erste Mal in meinem Leben Taco Bell und werde es noch bereuen. Die Nacht verbringen wir im wunderbaren Haus von Feed The Scene. In Baltimore haben wir eine der erholsamsten Nächte der Tour, auch wenn am nächsten Tag schon um 09.00 Uhr Abfahrt sein muss.

„Erleichterung macht sich breit!“

Norfolk (VA), Taphouse, Sonntag, 21. Oktober

Foto: Archi

Der Grund für die frühe Abfahrt ist, dass wir am nächsten Tag schon um 16.00 Uhr auf dem »Oktoberfest« in Norfolk spielen. 12 Bands an einem Sonntag – eigentlich vollkommen hirnrissig. Mit uns spielen aber coole Bands wie Lost Love aus Kanada und auch die Jungs von Lost In Society sind wieder am Start. Die Stimmung ist bei uns allerdings eher am Tiefpunkt, weil unser Sänger Chris schon den ganzen Tag kaum einen Ton herausbekommt – das bedeutet für mich: Texte lernen und auf alles gefasst machen.Es ist verrückt, dass dann um 16.00 Uhr wirklich eine ziemliche Traube an Menschen den Weg zu uns findet, obwohl draußen die Sonne scheint und es Sonntag ist.

Foto: Archi

Außerdem spielt das regionale Football-Team nahezu zeitgleich – was in Deutschland übrigens eine typische Ausreden wäre, wenn eine Show mal nicht läuft. Wir entscheiden uns beim Gesang für eine Doppellösung und den Leuten gefällt es gut. Erleichterung macht sich breit! Nach unserer Show geht der Reigen dann noch bis 02.00 Uhr weiter, als Grand-Finale spielen Invaluable ein komplettes Tony Hawk Pro Skater Coverset – bester Sonntag! Danach tatsächlich nochmal Taco Bell und ab in’s Bett.

The Sewer Rats at Taphouse Oktoberfest

Wilmington (NC), Calico Room, Montag, 22. Oktober

Foto: Archi

Heute merke ich, dass ich mich dran gewöhnen muss, dass wir eigentlich jeden Tag die komplette Zeit im Van verbringen. Dafür ist heute der Anblick zum Glück etwas abwechslungsreicher, als die übliche Highway-Aussicht. Vor etwa einem Monat wurde North Carolina übel von einem Hurricane getroffen, wodurch viele der Häuser, an denen wir vorbeifahren, kein Dach mehr haben oder gänzlich unbewohnbar sind. Ein gruseliger Anblick und eine schreckliche Vorstellung für alle Betroffenen. Unser Gastgeber und lokaler Veranstalter ist zum Glück mit dem Schrecken davon gekommen, aber erzählt von einem Nachbarn, der vor den Augen seiner Frau und Kinder im Wohnzimmer von einem Baum erschlagen wurde. Herzlich Willkommen.

Da die erste von vier (!) Bands an einem Montag (!!) erst um 22.00Uhr (!!!) startet, genießen wir noch ein wenig das spätsommerliche Wetter bei BBQ-Stimmung und veganem Chili und hören weitere Stories von Hurricanes und wie die Leute vom Staat vollkommen allein gelassen werden. Kurz vor Showtime fahren wir dann zum Venue und können es nicht glauben, wie viele Leute zu Wochenbeginn und um so eine Uhrzeit noch Bock zu feiern haben. Das bedeutet Stagedives, Singalongs und viele fröhliche Gesichter. Es scheint, als ob die Leute hier aus solchen Abenden ihre Kraft schöpfen, um die erwähnten Schicksalsschläge besserb wegzustecken. Nach der Show gab es wohl eine Schlägerei unweit unserer Location, weshalb plötzlich fünf Polizeiautos die Straße blockieren und mit gezogener Waffe Unbeteiligte wegschicken. Welcome to America!

„Leute stürmen die Bühne, wir singen die Anlage kaputt und das Publikum übernimmt einfach!“

Savannah (GA), Sulfur Studios, Dienstag, 23. Oktober

Foto: Archi

Auf dem Weg nach Savannah halten wir bei South of the Border – einem Rastplatz, der irgendwie einem Themenpark gleicht. Es gibt Fahrgeschäfte, Feuerwerksverkauf, Souvenir-Shops und unendliche Essensmöglichkeiten. Als wir Savannah erreichen, werden wir fast von der hohen Luftfeuchtigkeit erschlagen – ein weiterer unfassbarer Fakt, wir sind seit sechs Tagen unterwegs und haben von schmuddeligem Herbstwetter über goldenen Spätsommer bis dampfende Waschküche schon alles erlebt.

Foto: Archi

Das heutige Konzert ist in einer Künstler-Werkstatt oder einem Atelier bzw. fancy “Artspace” und dementsprechend auch eine neue Erfahrung für uns. Alles leergeräumt, eine kleine Soundanlage hingestellt – Konzert! Geil! Vor der Show gehen wir noch in der Bar nebenan Burger essen und die 6-jährige Tochter vom Besitzer fordert mich zu einer Partie Videospiele heraus. Ich verliere jedes: “You have a funny voice. I’ll let you win next time.” – What do you mean? – “You’re using funny words.”

Foto: Archi

Durch die Besonderheit der Location war auch das Publikum erfrischend anders, sehr kreativ und mit einem anderen Blick auf die Dinge, als der gemeine US-Amerikaner. Während der Show werde ich vom The Jukebox Romantics Sänger Terry mit Pizza gefüttert und mein absolutes Highlight ist der Auftritt der All-Girl-Band Basically Nancy Die Ladies sind allesamt noch in der Highschool und nicht älter als 17 – ich wünschte, ich wäre in dem Alter SO cool und professionell gewesen. Nach dem Konzert folgt unsere erste Nacht in einem Motel und es ist genau so, wie in jeder amerikanischen Horrorserie. Ich bin Fan!

Jacksonville (FL), 1904 Music Hall, Mittwoch, 24. Oktober

Foto: Archi

Endlich sind wir in Florida angekommen – keine Pullover mehr und das für fast eine ganze Woche. Juhu! Und da wir endlich mal etwas Zeit haben, schneidet unser Bassist Schorni dem The Jukebox Romantics-Basser Bobby erstmal die Haare und alle anderen genießen die Gastfreundschaft unserer heutigen Bleibe.  Die 1904 Music Hall ist die wohl professionellste Location der ganzen Tour, riesige Crew die im Hintergrund arbeitet, fette Bühne und Anlage, viel Platz, beste Promoarbeit . Dazu kommt, dass man uns die Vorfreude auf die nächsten Tage schon anmerkt und alle in Gedanken schon beim The Fest sind. Den Anwesenden gefällt es und wir werden mit einer Motorrad-Kollone belohnt, die ich sonst nur aus Youtube-Dashcam-Fail-Videos kenne.

Tatsächlich ist es für mich nochmal wichtig zu betonen, dass wir bisher fast jede Nacht bei Freunden der The Jukebox Romantics oder der jeweiligen Veranstalter geschlafen haben, da es in Amerika eigentlich niemand interessiert, wo die Band schläft. Ein unfassbar großes Dankeschön an dieser Stelle an alle, die uns sieben stinkenden Typen ein Dach über dem Kopf geliehen haben.

Gainesville (FL), Loosey’s“Pre-Fest”, Donnerstag, 25. Oktober

Foto: Archi

Wenn ich es in Savannah und Jacksonville schon tropisch fand, dann schlägt Gainesville nachts mit 21°C und 96% Luftfeuchtigkeit dem Fass den kompletten Boden aus. Wir spielen heute schon in der Location, in der wir auch drei Tage später unser The Fest Set spielen werden, was praktisch ist, denn so können wir schon alles auschecken und ankommen. Auf dem Weg nach Gainesville waren wir beim legendären Whataburger essen (gleiches Spiel wie Taco Bell – für 10 Minuten ganz geil, danach den Rest des Tages ein Gefühl wie halb-tot). Aber wir haben Fritten auf’s Haus, ein Whataburger-Fannypack und -Koozies geschenkt bekommen. Damit konnten wir im Loosey’s gleich Eindruck schinden, denn die meisten Amis wussten nicht, dass sowas überhaupt existiert.

Foto: Archi

Die Show war ein großes Wiedersehen mit vielen Bands, die wir unterwegs schon getroffen haben. Und auf das verkorkste Konzert von gestern folgt heute das beste Konzert der bisherigen Tour. Leute stürmen die Bühne, wir singen die Anlage kaputt und das Publikum übernimmt einfach. Schon jetzt ein Gefühl, dass diese halbe Stunde schwer zu toppen sein wird. Aber wir haben ja jetzt zwei spielfreie Tage, können uns viele Bands ansehen und die Batterien aufladen. Unsere Bleibe für das Wochenende ist bei einem Ü40-Skate-Dude mit dem Namen Tate – eine echte Legende in Gainesville. Der begeistert uns mit seinen Stories und Weisheiten auf jeden Fall die nächsten Tage.

Video: The Sewer Rats – To Punk For You

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