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Im KreuzverHör: Feine Sahne Fischfilet – „Sturm & Dreck“

feine sahne fischfilet sturm und dreck

Direkt nach der Veröffentlichung des Donots KreuzverHörs nehmen sich Archi und Maria die neue Feine Sahne Fischfilet Scheibe „Sturm & Dreck“ vor. Auch diese Platte läuft bei den beiden in Dauerschleife. Wir möchten Euch ihre Gedanken nicht vorenthalten. Freut Euch auf eine neue Runde im KreuzverHör.

Feine Sahne Fischfilet
Sturm & Dreck

VÖ: 12.01.2018

Audiolith Records/Broken Silence

Maria: Diesen Freitag geht es rund im deutschsprachigen Releasekosmos. Neues Jahr, neue Alben – das ist wie auf dem Rummel. Über die Donots hatten wir es ja erst, Feine Sahne Fischfilet – „Vorpommerns gefährlichste Band“ – veröffentlichen nun auch ihr nächstes Album „Sturm und Dreck“. Schöner Name, sag mal, kommst Du da nicht auch irgendwo her?

Archi: Jo, ich bin quasi nebenan aufgewachsen. Feine Sahne sind ja irgendwie eine der kontroversesten Bands im deutschsprachigen Musikraum. Genauso kontrovers ist auch ihr Werdegang: Von kleinen Release-Shows in der vorpommerschen Provinz bis zu Rock am Ring – von Angriffen auf den Bandbus und Proberaum bis zur großartigen Aktion „Noch nicht komplett im Arsch“ zur Landtagswahl in Meck-Pomm, aber auch von Gerichtsverfahren und Verfassungsschutz bis zum Support für Die Toten Hosen. Quasi einmal die ganze Bandbreite vom ersten Album „Backstage mit Freunden“ bis zur neuen Platte „Sturm & Dreck“.

Maria: Es ist tatsächlich der Wahnsinn, wie sich Feine Sahne Fischfilet entwickelt haben. Da hat ja keiner dran gedacht – das stand ja auch erstmal irgendwie gar nicht zur Debatte. Ich erinnere mich noch gut daran, wie plötzlich der Aufschrei um die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht durch die Szene ging und jetzt… Monchi formulierte das tatsächlich ganz gut selbst, als er davon sprach, dass die Band gerade in einem Traum lebe, den er nie hatte. Da muss man sich wohl mehrmals in den Arm kneifen, um so einen rasanten Durchmarsch zu realisieren. Trotzdem sind die echt authentisch geblieben. Punkersympathie halt.

„Feine Sahne Fischfilet haben schon immer an der richtigen Stelle ihr Maul aufgemacht“

Archi: Auf jeden Fall, da hat sich nicht viel verändert. Sie haben ja auch immer gesagt, sie machen Punk, ohne jemals Punk gewesen zu sein.

Maria: Feine Sahne haben definitiv in jeder Zelle eine große Portion Punk abbekommen.

Archi: Wirklich sympathisch! Ich erinnere mich da übrigens noch an einige Storys, als man
zu Anfang noch ab und an zu den Shows mitfuhr: Nürnberg, Göttingen – Die haben schon
immer an der richtigen Stelle ihr Maul aufgemacht. Jetzt ist es halt geil, dass viel, viel mehr
Leute hören, was sie zu sagen haben. Aber jetzt mal zur neuen Platte! Welche Songs sind bei
Dir denn nach dem ersten Hören hängengeblieben?

Maria: „Schlaflos in Marsaille“ hält mich in einer Dauerschleife gefangen. Ich komm gar
nicht mehr von dem Song runter. Was für eine Überhymne an die Liebe – zu wem und was
auch immer. Aber Hymnen hat dieses Album mehr als genug. Da läuft einem die Gänsehaut
quer über den Körper. Ein Album, wie eine Feine Sahne-Liveshow. Apropos, die Stories
erzählst Du mir gleich bei einem Kaffee.

Archi: Abgemacht.

„Das ist streckenweise echt Poesie“

Maria: Zeitweise dachte ich, dass mir der Sound streckenweise ein wenig zu ausgebremst sei
und das es mich stören könnte, immer mal wieder den Fingerabdruck Tobi Kuhns
rauszuhören. Mittlerweile ist mir klar, dass das Maulen im echt kleinkarierten Bereich ist.
Beim nächsten Durchlauf sah das nämlich schon wieder ganz anders aus. Außerdem kickt
mich das Songwriting ordentlich. Das ist streckenweise echt Poesie. Da kann man sich ganz
gut vorstellen wie viel mehr Abriss Feine Sahne Konzerte werden. Meinst Du „Sturm &
Dreck“ schafft den Charteinstieg?

Archi: Charteinstieg? Na logo! Ich gehe sogar so weit, dass es die Top 20 werden könnten,
das würde ich feiern. Alles andere als ausgebremst ist übrigens mein Favorit der Platte „Dreck
der Zeit“. Der geht gut nach vorne und ist politisch hochbrisant. Ansonsten hast du natürlich
Recht – Hymnen, Hymnen, Hymnen – fette Chöre und einprägsame Melodien, aber das
konnten die Fischfilets ja schon immer ganz gut. Und die Texte sind echt ausgefeilter denn je;
ehrlich, persönlich und natürlich immer mit leichtem Hang zum Pathos. Beste Textzeile des
Jahres jetzt schon für mich: „Ich kann immer noch nicht singen und spiel jetzt bei Rock am
Ring“.

Maria: Müsste nicht eigentlich „Wo niemals Ebbe ist“ einen Platz im Regal Deiner Hymnen
bekommen? Es gibt so einige Stellen, die man ganz gern fest verankert im eigene
Sprachgebrauch immer und immer wieder zitieren möchte: „Mit 2 Promille durch die
Nachbarschaft. Wir sind zurück in unserer Stadt und scheißen vor Eure Burschenschaft“ oder
„Nichts ist biegsamer, als meine Moral.“

Die schrägsten Geschichten schreibt das Leben noch immer selbst

Maria: „Wo niemals Ebbe ist“ gehört bei mir übrigens zu den „Handbremsensongs“, die
dieses ganz besondere Gänsehautgefühl auslösen. So ein Gefühl, bei dem man einfach mal
innehält und beginnt über das Leben und seine Wichtigkeiten nachzudenken. Scheiße, bin ich
alt – man möge mir einen großen Schluck Klosterfrau Melissengeist – mit einem kleinen
Tröpfchen Pfeffi für den Geschmack – genehmigen (seufzt). Das direkt anknüpfende „Wir
haben immer noch uns“ knallt dann allerdings wieder amtlich ins Freundschaftshymnenkonstrukt. Das wird so die „Festival-Samstag-14-Uhr-der-Pegel-stehtund-der-ganze-Zeltplatz-brüllt-mit“-SingAlong Hymne werden. Ich werde Dir im Sommer vom Rodeo berichten, ob ich richtig lag. Apropos alles brüllt mit: „Barista, Barista –
Antifascista?“ Hast Du das mitbekommen? Ich hab ja Tränen gelacht und die Kollegen der
TAZ haben das maximal auf die Spitze getrieben.

Archi: Haha. Ja, die schrägsten Geschichten schreibt das Leben noch immer selbst – die
guten wie die schlechten. Der Song „Suruç“ ist so ein Beispiel, in dem Monchi verarbeitet,
dass er in der Nähe der syrischen Grenze nur knapp einem Anschlag des IS entgangen ist. Ein
paar Tage vorher stand er noch auf einer Festivalbühne und dann steht er plötzlich zwischen
Toten und Verletzten.

Maria: Das geht einem voll unter die Haut.

Archi: Der Song drückt allerdings nicht auf die Tränendrüse, sondern blickt in bester Feine
Sahne Fischfilet-Manier nach vorne und fordert zum Kämpfen auf. Jetzt erst recht – „Für das
Leben und gegen den Tod“!

Maria: Es ist total schön, dass Musik trotz der ganzen Scheiße auf der Welt so viel
Optimismus, Hoffnung und Solidarität transportiert.

Archi: All das fügt sich auf dem neuen Album tadellos zusammen – wo die Vorgängeralben
für mich einige Tiefpunkte hatten, wirkt der Abwechslungsreichtum der neuen Songs
entschieden dagegen und zeigt einmal mehr, was eine Band wie Feine Sahne alles kann –
politisch, proletenhaft, laut und leise. Für mich die beste Platte seit „Backstage“ ;).

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