Ob kleine Jugendzentren oder riesige Konzerthallen – bei Feine Sahne Fischfilet gleicht jeder Auftritt einem Abriss. Zum Abschluss ihrer komplett ausverkauften „Alles auf Rausch“- Tour haben sich die Punkrocker aus Vorpommern die Swiss Life Hall in Hannover vorgeknöpft. Zusammen mit den Berliner Rappern von Zugezogen Maskulin sorgen sie dafür, dass 2018 allen positiv im Gedächtnis bleibt.
„Das zeigt ganz einfach, wo man im Jahre 2018 steht, wenn man Menschen ertrinken lässt. Was für ein Schweineglück wir haben, auf diesem Fleckchen Erde zu sein!“
Eine Band mit Haltung?
„Ohne Scheiß, wir hoffen auf einen verfickten Abriss“, eröffnet Feine Sahne Fischfilet-Frontmann Monchi mit einer kleinen Ansprache den Abend. „Wir haben uns gefreut, dass Zugezogen Maskulin als Gäste zugesagt haben. Wir feiern deren Mukke hammerhart! Wir sehen uns nachher im Café Glocksee, Digger! Jetzt heißt es Rock’n’Roll“. Und schon legen die Berliner von Zugezogen Maskulin mit „Alle gegen Alle“ los. Bereits nach den ersten Zeilen fliegen Bierbecher durch die Halle und vor der Bühne wird ausgelassen getanzt. Der rechte Arm von Rapper Testo steckt zwar in einer Schlaufe, aber die Berliner ziehen ihre Show mit der gewohnten Energie durch. „Hannover, hört zu, ich bin behindert“, verkündet der Verletzte. „Monchi hat gesagt, diese Bandage würde ich wegen einer Schulterverletzung tragen. Ich erzähle Euch jetzt die wahre Geschichte: Auf dem Weg ins Hotel in Erfurt haben mich ein paar Hater überfallen und sie haben auf mich geschossen. Aber ich habe es überlebt!“ Nach dieser wohl nicht ganz ernst gemeinten Enthüllungsgeschichte geht es mit dem Song „Steffi Graf“ weiter. Das Publikum feiert ausgelassen und vor dem Wellenbrecher tobt beständig ein Moshpit.
Dass die Berliner den Schalk im Nacken haben, beweist auch der Song „Ich bin nicht Monchi“, den sie extra für die Tour mit Feine Sahne Fischfilet geschrieben haben. Aber auch nachdenkliche Töne dürfen natürlich nicht fehlen und so werden bei „Der müde Tod“ alle Feuerzeuge und Handy-Taschenlampen entzündet. Nach so viel Gefühl wird der Bass für „Plattenbau O.S.T.“ wieder aufgedreht. „Es gibt ein Arbeitsverhältnis zwischen Feine Sahne und uns: Wenn Ihr nicht richtig aufgewärmt seid, haben wir unseren Vertrag nicht erfüllt“, erklärt Rapper Grim und zieht für das Finale sein Shirt aus. Bewaffnet mit goldenen Prosecco-Maschinengewehren verabschiedet sich das Duo schließlich ohne Zugabe von der Bühne.
Antifaschistische Bierzeltmusik
Für Feine Sahne Fischfilet ist es heute das 501. Konzert in ihrer Laufbahn. Seit dem Release ihres neuesten Albums „Sturm & Dreck“ (Albumreview) und dem Dokumentarfilm „Wildes Herz“, der sich auch kritisch mit der Vergangenheit des Sängers Jan „Monchi“ Gorkow auseinandersetzt, ging es für die Musiker aus dem Rostocker Umland steil bergauf. Spielten sie vor fünf Jahren noch im Café Glocksee, ist jetzt die Swiss Life Hall bis auf den letzten Platz ausverkauft.
„Heute ist die letzte Show und jetzt reißen wir diesen Scheißladen hier ab“, verkündet Monchi, bevor es mit „Zurück in unserer Stadt“ losgeht. Von der ersten Minute an singt und feiert das Publikum und auch auf den Tribünen hält es niemanden mehr auf seinem Platz.
Solidarität ist eine Pflicht, kein Verbrechen
Als beim Song „Alles auf Rausch“ die Zeile „Vor der Bühne bunter Rauch“ erklingt, brennt natürlich auch der erste Bengalo in Signalrot. Aber bei Feine Sahne Fischfilet geht es nicht nur um Musik und Feierei, sondern vor allem um politische Positionierung. Dass die Rettung von geflüchteten Menschen in Seenot kein Verbrechen ist und Organisationen wie Solidarity at Sea oder die Crew des Rettungsschiffs Iuventa Unterstützung benötigen, wird von der Punkrockband immer wieder thematisiert.
„Das zeigt ganz einfach, wo man im Jahre 2018 steht, wenn man Menschen ertrinken lässt. Was für ein Schweineglück wir haben, auf diesem Fleckchen Erde zu sein! Ich hatte einfach nur Glück, dass mein Vater in Vorpommern gefickt hat und nicht in Scheiss-Aleppo, sonst würde ich auch im Schlauchboot sitzen, und versuchen rüber zu machen“, verkündet Monchi. Für diese klaren Worte gibt es viel Applaus, bevor das dazu passende Lied „Zuhause“ angestimmt wird.
Familie, Freunde und die Liebe
„Ich stell mir vor, dass meine Eltern sich das jetzt mit ansehen. Dieses Lied ist für die zwei tollsten Menschen, neben meinen Geschwistern, die mich durch mein Leben begleitet haben. Wenn Dein Vater stagedived und Deine Mutter Bengalos anreißt, dann merken wir, dass wir eine Menge Glück hatten“, erzählt Monchi über seine Eltern, denen er das Lied „Niemand wie Ihr“ gewidmet hat. Um das eigene Fehlverhalten und Freunde, die trotz allem zu einem halten und einen manchmal wieder in die richtigen Bahnen lenken, geht es danach in „Ich mag kein Alkohol“.
„Hannover, es war der Hammer! Wir sehen uns in den Kneipen dieser Stadt“, bedankt sich Monchi gerührt, bevor es in die letzten Zugaben geht. Und diese könnten intensiver nicht sein: Beim wutgeladenen „Dreck der Zeit“ begibt sich Monchi mit unter die pogende Masse vor der Bühne. Anschließend performt Gitarrist und Sänger Christoph Sell ganz alleine „Warten auf das Meer“. Das gesamte Publikum setzt sich auf den Boden, um den emotionalen Zeilen zu lauschen. Nur vereinzelt spenden Feuerzeuge, Wunderkerzen und Bengalos Licht. Doch was wäre ein Konzert der Punkrocker ohne ihre Hymne „Komplett im Arsch“? Eben! Und so endet dieser fantastische Abend mit einer Wall of Death, einer crowdsurfenden Tour-Crew und vor allem viel Liebe.