Unser Leiden hat ein Ende, denn Frank Carter ist mit seinen Rattlesnakes auf großer „End of Suffering“-Tour. Nach Schottland, Frankreich, Italien und Ungarn macht das Quartett auch in einigen deutschen Städten Halt. Im ausverkauften Béi Chéz Heinz sorgen The Pearl Harts für weibliche Alternative-Unterstützung.
„Dieser Song hier ist der verfickten Theresa May gewidmet.“
Ein heißer UK-Export
Kirsty und Sara, besser bekannt als The Pearl Harts, setzen auf Minimalismus, der sich gewaschen hat. Nur mit Gitarre und Drums machen die Beiden gute, blueslastige Rockmusik. Und genau wie bei Frank Carter & The Rattlesnakes handelt es sich bei The Pearl Hearts um einen heißen UK-Export. „This next song is a new single“, kündigt Kirsty an. Der Titel ist allerdings nicht mehr zu verstehen, denn die Band hat zu Beginn mit technischen Problemen und unschönen Rückkopplungen zu kämpfen. Die Stimmung im Publikum ist ebenfalls verhalten und nur hier und da nicken vereinzelte Besucher mit.
„Dieses nächste Lied handelt von unserer Freundin Lara.“, leitet Sängerin und Gitarristin Kirsty den gleichnamigen Song ein. Die Britinnen legen sich auf der Bühne mächtig ins Zeug. Mit ihrer kratzigen Stimme, vollem Körpereinsatz und einer ordentlichen Portion Rock’n’Roll nimmt die Show allmählich Fahrt auf. Und auch die Hannoveraner lassen sich nun zum Mitklatschen animieren. „Thank you so much“ bedankt sie sich für den Applaus. „Wir sind The Pearl Harts aus London, danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt.“ Mit einem letzten, überwiegend instrumentellen Stück verabschiedet sich das Duo nach einer halben Stunde unter Jubel und Applaus von der Bühne
Bildergalerie: The Pearl Harts
Tätowiert bis zu den Ohren und voller Energie
Unter Jubelrufen entern die Headliner die Bühne. Mit ihrer neuen Single „Crowbar“ steigen die Briten gleich mit einem energetischen und schnellen Stück ein und das bis auf den letzten Platz gefüllte Heinz singt von Anfang an mit. „Es ist ein großes Geschenk, heute Abend hier zu sein, danke, dass wir hier sein dürfen.“, begrüßt Frontmann Frank Carter seine Fans, bevor mit „Wildflowers“ die Temperatur weiter steigt. Die ersten Crowdsurfer riskieren unter der niedrigen Decke des Heinz-Kellers bereits blaue Flecken. Einen weiteren Vorgeschmack auf das im Mai erscheinende Album „End of Suffering“ liefert der Song „Tyrant Lizard King“. An diesem Abend ist der Sound zwar perfekt, aber wer nicht das Glück hat, in den ersten Reihen zu stehen, kann das Geschehen auf der Bühne höchstens erahnen. Carter, der für seine akrobatischen Showeinlagen bekannt ist, turnt sich unterdessen auf den Händen der Crowd und mit den Füßen an der Decke durch den Song. „Dieser hier ist der verfickten Theresa May gewidmet.“ kommentiert der britische Frontmann das Brexit-Debakel und stimmt „Trouble“ an.
„You are fucking beautiful people“
„Hat uns schon mal jemand live gesehen? Dieser Song ist für euch, es ist der erste Song, den wir je geschrieben haben und es geht darum, wie gut es sich anfühlt, Sex zu haben.“, sagt Carter über den Song „Fangs“ und erntet dafür einige Lacher. Doch neben seiner lustigen und mitreißenden Art ist der Punkrocker, der zuvor die Bands Gallows und Pure Love gründete und zehn Jahre als Tätowierer arbeitete, vor allem für seine starken Prinzipien bekannt. Und so wird „Heartbreaker“ wie gewohnt mit einem Lobgesang an das weibliche Geschlecht eingeleitet: „Wenn Ihr schon immer mal Crowdsurfen wolltet, ist das Eure Chance und jeder einzelne Mann wird Euch mit Respekt behandeln. Denn dann können die Frauen eine positive erste Erfahrung machen und genau darum geht es beim Punkrock.“ Gesagt, getan – schon startet das Massen-Crowdsurfen.
Es ist okay zu schreien und zu weinen
Aber auch ernste Themen dürfen an diesem Abend nicht fehlen und Carter scheut sich nicht, über seine dunkelsten Momente zu sprechen. „Als ich am Morgen aufwachte, wollte ich einfach wieder schlafen gehen. In diesem Raum sind Menschen, die sich genauso fühlen und sich selbst so sehr hassen, dass sie sterben wollen. Behalte diesen Scheiß nicht für dich, er wird dich umbringen. Und es ist ok zu schreien und zu weinen.“ lautet die schonungslose Geschichte zum Song „Anxiety“ vom kommenden Album. Der darauf folgende Hit „Snake Eyes“ wird genutzt, um die restlichen Bandmitglieder vorzustellen: Die begnadeten Rattlesnakes sind Dean Richardson, Tom Barclay und Gareth Grover.
Bei „Lullaby“, das der Frontmann seiner kleinen Tochter gewidmet hat, rastet das Heinz endgültig aus. Niemanden hält es mehr auf seinem Platz, alle tanzen, springen und singen aus voller Kehle mit. Doch auch das schönste, 17 Songs starke, Set geht einmal vorbei. Und so fehlt eigentlich nur noch ein Stück, ohne das niemand so recht nach Hause gehen will: „I Hate You“. „Das ist ein Liebeslied, also sing es aus vollem Herzen.“, lautet der ironisch-poetische Abschied des Punkrock-Meisters, dem das Publikum fast gänsehautesk folgt.