28 Jahre Bandgeschichte. Neun Alben. Zwei Auflösungen. Zwei Reunions. Vier Freunde fürs Leben, die jetzt fünf sind: Hot Water Music, diese urtypische Lieblingsband und Vorlage für unzählige Tattoos, hat über die letzten drei Dekaden rauhalsigen Punkrock geprägt wie kaum eine andere Band. „Feel The Void“ ist das Ergebnis ihrer Rückkehr zu alten Traditionen auf der einen und völlig neuen Umständen auf der anderen Seite. Wie stark brennt das Feuer noch?
Freundschaft, Zusammenhalt, Geschlossenheit: Wer glaubt, die Texte von Hot Water Music seien nur Phrasendrescherei, hört der Band nicht richtig zu, die in so ziemlich jeder Wortmeldung betont, dass sich bei Hot Water Music in erster Linie alles um die persönlichen Bande dreht und die Musik erst danach kommt – womit sich auch die zwei Trennungen in der Vergangenheit erklären lassen. So weit soll es aber nie wieder kommen, wenn man Chris Wollard glaubt. Sie seien gereift und erkennen die Belastungsgrenzen nun rechtzeitig. Dazu gehört auch Wollards Live-Rückzug vor fünf Jahren, der dazu geführt hat, dass die Gainesville-Legenden zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte offiziell als Quintett firmieren. Ein Schritt, der einen zweiten Chris ins Bandgefüge gebracht hat: Zunächst als Liveersatz geplant, hat sich Chris Cresswell, Frontmann der kanadischen Punkband The Flatliners, inzwischen als festes Mitglied etabliert.
Us and Chris
Schon auf der vor drei Jahren erschienen EP „Shake Up The Shadows“ durfte er Mitwirken, sein voller Einfluss entfaltet sich aber erst jetzt auf „Feel The Void“. Am deutlichsten wird das im überragenden „Turn The Dial“, in welchem Cresswell den Leadgesang übernimmt. Ein durchaus gewagter Schritt für eine Band, die zum großen Teil von der Dynamik ihrer zwei einzigartigen Stimmen lebt. Ein gelungenes Experiment aber, da sich der Song trotz der ungewohnten Stimme sofort nach Hot Water Music anfühlt. Das darf auch als Verdienst von Brian McTernan gewertet werden, der für „Feel The Void“ nach jahrelanger Auszeit auf den Produzentenstuhl zurückgekehrt ist. Ein weiterer Beweis für die „Freundschaft-über-alles“-Attitüde, die eben auch Hot Water Music und McTernan verbindet. Schließlich geht die wohl erfolgreichste Ära der Band Anfang der frühen 2000er mit dem Albumlauf aus „A Flight And A Crash“, „Caution“ und „The New What Next“ auf sein Konto.
Don‘t say you lost the feeling
„Feel The Void“ atmet vielleicht auch deswegen viel von dem Vibe dieser Ära: Das zurückgenommene, melancholisch-schöne „The Weeds“ ist dabei eine deutliche Referenz speziell an das letzte Album vor der Trennung. Vor allem aber ist es die konsequente Rückkehr zum dualen Gesang von Ragan und Wollard, die viele Fans glücklich machen dürfte und das neue Album angenehm „nach früher“ klingen lässt. Aber auch lang vermisste Härte hält wieder Einzug in den Bandsound: „Another Breath“ ist ein schwer groovender Brocken und als Einstieg in das Album damit eine mindestens interessante Wahl. Die größte Stärke von Hot Water Music (abgesehen von der übermenschlichen Rhythmusgruppe um Bassist Jason Black und Drummer George Rebelo) liegt aber schon immer in den hymnischen Momenten, gepaart mit ordentlich Feuer: Das hochtourige „Killing Time“ gibt hier das Paradebeispiel, während „Habitual“ und „Hearts Stay Full“ die richtige Portion Melancholie addieren. Das ansteckende „Collect Your Things And Run“ ist vielleicht kein zweites „Trusty Chords“, kommt aber erstaunlich dicht ran. Etwas leiser, dafür nochmal intensiver zeigt sich das wunderschöne „Ride High“ und wird damit zum heimlichen Highlight.
All heads up
Eindeutige Tiefpunkte drängen sich nicht wirklich auf: „Newtown Scraper“ ist arg sperrig geraten und der Titelsong tut sich schwer damit, Spannung aufzubauen. Dafür gibt es mit „Lock Up“ einen mehr als gelungenen Rausschmeißer: Hochmelodisch, mitreißend und konsequent mehrstimmig endet damit das vielleicht stärkste Album, das Hot Water Music in den letzten 20 Jahren abgeliefert haben. Das Feuer brennt wieder.
PS: Nach vollzogenem Wechsel aus der möglichst objektiven Rezensentenrolle zurück in die des absoluten Fans lässt sich sagen, dass „Feel The Void“ nach dem okayen, aber auch etwas kraftlosem „Light It Up“ und dem ziemlich enttäuschenden Comeback „Exister“ (welches immer noch wie ein Fremdkörper in der Diskographie wirkt) endlich wieder auf ganzer Linie überzeugen kann. Die EP hatte das bereits angedeutet, aber die Erwartungen hielten sich dennoch auf niedrigem Niveau. Nach knapp 30 Jahren und mehreren Meilensteinen in der Diskographie wäre ein etwas gesetzterer Sound auch immer noch völlig ok gewesen – umso schöner zu sehen, dass Hot Water Music endgültig zu alter Stärke zurückfinden.