Als Maria mich vor einer Weile fragte, ob ich nicht Lust hätte alle Lagwagon Veröffentlichungen mal in ein Ranking fürs Count Your Bruises Magazine zu packen, habe ich nicht zweimal nachgedacht und im Bruchteil einer Sekunde ihre Nachricht sofort mit einem „Ja!Ja!Ja!“ beantwortet. Lagwagon – eine Band, die mich nun fast zwei Jahrzehnte begleitet hat und vermutlich von mir genannt werden würde, wenn es um das Thema „Lieblingsband“ geht. Dieses Jahr gab es mit „Railer“ ein wirklich großartiges neues Album, sodass es vielleicht der richtige Zeitpunkt ist mal in Erinnerungen zu schwelgen und auf alle Werke der Kalifornier zurückzuschauen. Die „Live In A Dive“ Ausgabe der Band lasse ich im Ranking mal weg, weil es kein Studioalbum im klassischen Sinne ist. Zu empfehlen ist dieser Livemitschnitt für Fans aber auf alle Fälle. Halten wir uns nicht länger mit einer Einleitung auf, sondern legen wir ohne weitere Verzögerung direkt los.
„Es ist wie die Frage, welches Kind man am meisten liebt“
#11: I think My Older Brother Used To Listen To Lagwagon
„Lagwagon“ und „schlecht“ wird von man mir in einem Satz wohl selten zusammen hören. So ist dies keineswegs eine schlechte Veröffentlichung, aber rückblickend betrachtet wohl die Platte, die mir am wenigsten zusagt. Da es eine EP ist, kann man von der Laufzeit natürlich keinen wirklich fairen Vergleich zu den anderen Alben ziehen. Die Songs auf dieser Platte sind an sich auch nicht wirklich schlecht, aber es fehlt irgendwie der gewisse Pfiff. Es ist fast schon so, als wäre man nach all den Jahren ein bisschen gelangweilt, die Produktion haut einen letztendlich auch nicht so wirklich vom Hocker. Die meisten Songs auf dieser Platte kamen wenig später auf Joey Capes erstem Soloalbum „Bridge“ ebenso in ursprünglicher Version raus. Wobei ich sagen muss, dass mir diese zum Teil akustisch besser gefallen. Möglicherweise waren es einfach keine wirklichen Lagwagon Songs. Deshalb Platz 11. Hier erhältlich.
#10: Let’s Talk About Leftovers
Dass ein Album mit übriggebliebenen Songs, B-Seiten nicht schlecht sein muss beweisen Lagwagon eindrucksvoll mit diesem Release. So findet sich auf diesem Album einer meiner absoluten Lagwagon Lieblingssongs „A Feedbag Of Truckstop Poetry“, der es leider nie zu größerer Bekanntheit geschafft hat und den ich live auch nur in Form einer Akustikversion auf einer Joey Cape Show nur ein einziges Mal hören durfte. Es gibt weitere wirklich großartige Songs wie „Brodeo“, „Burn That Bridges When We Get To It“ oder auch „Wind In Your Sail“. Die „Metal“-angehauchten Songs auf dem Release sagen mir nicht wirklich zu und insgesamt ist es halt am Ende, das was es verspricht, eine Sammlung von übriggebliebenen Songs, aus verschiedenen Sessions, die dann eben auch ein bisschen inkohärent sind. Das „Album“-Feeling kommt bei so einer Veröffentlichung nur schwer auf, sodass es am Ende Platz 10 geworden ist. Hier erhältlich.
„das Songwriting der Band ist im Laufe der Jahre bei gleichbleibender Geschwindigkeit und Energie erheblich gereift.“
#9: Duh
Auch wenn es hier möglicherweise Widerspruch gibt, schafft es das Debüt „Duh“ bei mir nicht über Platz 9 hinaus. Das Album hat noch viele Metal Anleihen und ich kann mit späteren Veröffentlichungen eher etwas anfangen. Songs wie „Angry Days“, „Tragic Vision“ oder der Evergreen „Mr. Coffee“ sind aus dem Back-Katalog nicht wegzudenken und erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Band sich noch finden muss. Normalerweise bin ich absoluter Fan von Debüt-Releases, man kann dort – wie auch bei dieser Platte – diese ungebändigte Energie einer Band spüren. Man macht einfach ohne Rücksicht auf Verluste. Meiner Meinung nach ist das Songwriting der Band im Laufe der Jahre bei gleichbleibender Geschwindigkeit und Energie noch erheblich gereift. Hier erhältlich.
#8: Resolve
Traurige Anlässe resultieren oft in gutem Songwriting. Mit „Resolve“ kam 2005 ein Album auf den Markt, welches in nur kurzer Zeit entstanden ist. Joey Cape schrieb alle Songs in einem Zeitraum von nur wenigen Tagen, um seine Trauer über den Selbstmord von seinem langjährigen Freund und Ex-Lagwagon Schlagzeuger Derrick Plourde zu verarbeiten. Die Songs sind textlich eine Achterbahnfahrt und man kann sich vorstellen, wie Joey sich gefühlt hat, wenn er z.B. mit gebrochener Stimme das Intro zu „Sad Astronaut“ singt. Der Opener „Heartbreaking Music“ hält sich nach wie vor in Lagwagons Setlisten. Was die Herren da in kürzester Zeit geschrieben haben, ist große Klasse. Kein einfaches Album zum Hören, aber die Songs haben mich seinerzeit mehr als überzeugt und den Snare Drum Sound finde ich immer noch fantastisch. Man wünscht sich gleichermaßen, dass sich Derrick nie das Leben genommen und es dieses Album nie gegeben hätte. Ich bin nicht oft in der Stimmung dieses Album zu hören, aber wenn, höre ich ein sehr authentisches Werk. Mit „Days Of New“ endet das Album dann immerhin doch noch mit einer positiven Note. Hier erhältlich.
#7: Hang
Ich habe mich ein bisschen schwergetan Hang so weit hinten zu platzieren, verbirgt sich dahinter schließlich ein frisch klingendes, innovatives Lagwagon Album. Ganze 9 Jahre mussten Fans sich seit dem Album „Resolve“ gedulden, bis sie wieder ein neues Studioalbum in den Händen halten konnten. Wer gedacht hat, dass es nach dem augenscheinlich düsteren „Resolve“ wieder fröhlicher weitergeht, hat sich geirrt. „Hang“ macht dort weiter, wo Lagwagon mit „Resolve“ aufgehört hat. Hang ist durch und durch düster, die „bitter old man“ Platte, wie sie Joey Cape in Interviews immer wieder betitelt hatte. Man merkt der Band die neu gewonnene Spielfreude an und die Metalanleihen, die auf den vorherigen Releases immer mehr in den Hintergrund gerückt waren, kommen auf „Hang“ in Teilen wieder zurück. Inzwischen ist der langjährige Bassist Jesse Buliogne ausgestiegen und der neue Mann Joe Raposo beweist auf dieser Platte mit seinen frickeligen Bassläufen eindrucksvoll, dass er mehr als nur ein Ersatz ist. Songtechnisch geht es für Lagwagon Verhältnisse diesmal etwas langsamer zur Sache. Double Time Kracher wie „Reign“, „Obsolete Absolute“ oder „One More Song“ fehlen hier trotzdem nicht. Letzterer ist eine wunderschöne Hommage an den verstorbenen Tony Sly. Insgesamt war ich ein bisschen enttäuscht, dass ein paar Songs auf diesem Album schon zuvor als Joey Akustik Solo Songs veröffentlicht worden sind. Nach 9 Jahren hatte ich mich auf ganz frische, noch nie gehörte Songs gefreut. Das schmälerte die Freude über dieses Release aber nur minimal. Die Platte läuft noch regelmäßig bei mir zu Hause. Hier erhältlich.
#6: Trashed
Das zweite Album „Trashed“ ist ein wahrer Kracher. In einem Satz: Ich bin Fan. Songs, wie „Coffee & Cigarettes“, „Island of Shame“ , „Know it all“, „Give it back“ oder „Whipping Boy“ höre ich heute noch mit einem großen breiten Grinsen. „Dis’chords“ hatte es mir seinerzeit auch richtig angetan. Lagwagon hat mit nur einem Album einen Riesensprung gemacht. Die Songs wurden kompakter, das Songwriting um Längen besser. Es deutete sich auch an, dass die Metalriffs in den folgenden Alben ein wenig in den Hintergrund rücken würden und stattdessen die Gesangsmelodien eine noch größere Rolle spielen würden. „Trashed“ ist ein Klassiker. Das ist Fat Wreck 90er Jahre Punk wie er im Buche steht und diese Platte wird wohl auch in Zukunft etliche Runden bei mir drehen während ich nostalgisch zurückblicke. Hier erhältlich.
„Im Gegensatz zu ‚Hang‘ wird hier mit voller Wucht aufs Gaspedal getreten!“
#5: Railer
Und da ist sie, die neue Platte von Lagwagon, die dieses Jahr im Oktober veröffentlicht wurde. Dass sie auf Platz 5 landet, zeigt, dass Lagwagon über die Jahre nie verlernt haben absolut zeitlose Punkhymnen zu schreiben. Wir haben es wohl der neu akquirierten Managerin zu verdanken, dass es diese Platte gibt. So hat Joey in Interviews verlauten, dass man eine ganz schöne faule Truppe sei und man immer einen Tritt in den Hintern benötige. Das Ergebnis ist jedenfalls fantastisch, denn Lagwagon schaffen es auf magische Art und Weise die gesamte Diskografie in einem Release Revue passieren zu lassen. Ähnlich wie bei „Resolve“ wurden die Songs wieder in einem sehr kurzen Zeitraum geschrieben, man hatte das Studio gebucht, bevor überhaupt irgendein Song geschrieben wurde. Offensichtlich kann der Fünfer mit Druck sehr gut umgehen. Im Gegensatz zu Hang wird hier mit voller Wucht aufs Gaspedal getreten, was der Band gut zu Gesicht steht. Es werden außerdem keine Joey Solo Songs verwurstet, sodass dem Lagwagon Fan hier 11 wirklich neue Songs und 1 Cover (wie es in guten alten Zeiten bei Lagwagon Alben häufiger der Fall war) serviert werden. Es gibt hier nichts zu skippen, jeder Song ist ein Volltreffer. Selbst „Fan Fiction“ der zunächst bei mir gar nicht gezündet hat, wird inzwischen nicht mehr übersprungen. Die Songs sind ein bisschen unbeschwerter als in den vergangenen zwei Releases. Hut ab für meine Platte des Jahres 2019. Hier erhältlich.
#4: Blaze
Geduld ist etwas, was man als Lagwagon Fan im Laufe der Bandgeschichte nach und nach erlernen musste. So wurden die Abstände zwischen einzelnen Alben zunehmend größer. Nach „Let’s Talk About Feelings“ musste man ganze fünf Jahre warten, bis Lagwagon mit „Blaze“ ein neues Album rausgehauen haben. Die Geduld hat sich jedes Mal bezahlt gemacht, so auch bei diesem Release. Ganze 14 Songs haben den Weg auf dieses Album geschafft. Musikalisch ist die Platte sehr abwechslungsreich und auch thematisch lassen sich Lagwagon volle Freiheit. In „Falling Apart“ wird über das Älterwerden rumgeblödelt, während „Never Stops“ inhaltlich eine gelungene Bestandsaufnahme von Amerika zu Post-9/11 Zeiten darstellt. Chris Flippin und Chris Rest beweisen auf dieser Platte bei Songs wie „Billionaire“ oder „Dividers“, dass sie nach wie vor hervorragende Lead-Gitarristen sind. Diese Platte kommt insgesamt viel fröhlicher und unbeschwerter daher und das steht Lagwagon ehrlich gesagt ziemlich gut. Diese Platte kam zum Ende meiner Schulzeit raus und ich weiß noch, dass sie auf Dauerrotation im Autoradio lief. Eine starke Veröffentlichung, von der Live in Zukunft in sehr gerne wieder mehr Songs im Set gespielt werden dürfen. Ein wohlverdienter Platz Numero 4. Hier erhältlich.
#3: Let’s Talk About Feelings
„Let’s Talk About Feelings“. Das Album, welches den wohl bekanntesten Lagwagon Song „May 16th“ (Tony Hawk Pro Skater 2 auf der Playstation2 lässt grüßen) enthält, ist ein zeitloser 90er Jahre Punk-Meilenstein. Wenn man einen Kritikpunkt äußern darf, dann höchstens, dass es mit etwa 25 Minuten viel zu kurz ist. „Change Despair“ gehört zu meinen Lagwagon All Time Favorites und „Messengers“, „Leave The Light on“ und „After You My Friend“ reihen sich dort problemlos ein. Mit „Owen Meaney“ ist Lagwagon ein grandioser Album-Closer gelungen, der mit einem fast zwei minütigen Punk-Instrumental aufwartet. Ein wirklich großartiger, melancholischer Song mit einem Joey Cape in Topform. Wenn diese Platte läuft, fühlt sich unweigerlich in die 90er Jahre versetzt. Wie gut das Album ist, konnte man letztes Jahr auch auf Tour erleben. Lagwagon spielte anlässlich des 20 jährigen Jubiläums das Album von vorne bis hinten. Hier erhältlich.
„Das Album ist trotz der wirklich mittelmäßigen Produktion ein Meisterwerk geworden.“
#2: Double Plaidinum
Ich hätte niemals gedacht, dass das so schwer sein kann, die Lagwagon Alben in eine Top-Reihenfolge zu bringen. Es ist wie die Frage, welches Kind man am meisten liebt – Schwierig. Schwierig war insbesondere, wo ich diese Platte einsortiere. Vorab: Ich bin absolut kein Fan von der Albumproduktion. Die Gitarren klingen nett gesagt nach ein bisschen zu viel „Fuzz“ für meinen Geschmack. Deswegen landete diese Platte anfänglich auch weiter hinten. Nachdem ich das Album dann nochmal von vorne bis hinten gehört hatte, kann ich nicht anders, als Lagwagon zu 12 wirklich fantastischen Songs gratulieren. „Alien 8“ und „Making Friends“ sind aus meinen Setlisten nicht mehr wegzudenken. Die Platte ist voller Hits. Hier hat sich Joey Cape in puncto Songwriting selbst übertroffen. „Bad Scene“, „Twenty-Seven“ und „To All My Friends“ sind wahre Punk-Perlen. Mit „Today“ versucht man sich dann auch das erste Mal an „Ska“-Rhythmen, was Überraschenderweise sehr gut funktioniert. Der Song ist ein echtes Highlight und besticht neben einer großartigen Gesangsmelodie durch fantastische Basslinien von Jesse in der Strophe. Auch, dass Joeys Stimme hier und da noch etwas rau klingt, tut den Songs irgendwie gut. Es ist nicht alles perfekt und genau das macht es am Ende irgendwie so perfekt. Das Album ist trotz der wirklich mittelmäßigen Produktion irgendwie ein Meisterwerk geworden. Hier erhältlich.
#1: Hoss
Es kann nur eine geben und das ist für mich eindeutig die „Hoss“ und damit bin ich unter den Lagwagon Fans sicher nicht alleine. Noch bevor ich die erste Zeile getippt habe, stand diese Platzierung für mich eindeutig fest. Dieses Album hat einfach nur Hits und war für Lagwagon damals das Sprungbrett für einen großen Erfolg in Europa. „Sleep“ war das erste Lied, was ich von der Band jemals gehört habe (wenn ich mich recht entsinne auf dem Sampler „Survival Of The Fattest“) und seitdem bin ich Fan. Dieses Album habe ich sicher so oft, wie kein anderes Lagwagon Album gehört. Gitarrentechnisch hat Lagwagon auf diesem Album das ganze etwas zurückgefahren. Nach „Duh“ und „Trashed“ gab es weniger Riffs, alles ein bisschen akkordlastiger und songdienlicher. Das tut der Qualität aber überhaupt keinen Abbruch, im Gegenteil. „Kids Don’t Like To Share“, „Sick“ oder „Razor Burn“ – das sind Lagwagon zur Blütezeit. Diese Platte höre ich immer noch in regelmäßigen Abständen und bereite mich so schon mal auf die Jubiläumstour im Jahre 2025 vor, dann wird „Hoss“ nämlich genau 30 Jahre alt. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn Lagwagon der Punk-Szene noch so lange erhalten bleibt. Hier erhältlich.