„Wegschauen und schweigen ist gerade keine Option. Wir müssen uns dagegen wehren und zeigen dass dieses Land tolerant, weltoffen und friedlich sein sollte“
Unter dem Motto “Herz statt Hetze” versammeln sich am vergangenen Samstag ca. 4000 Menschen auf dem Parkplatz an der Johanniskirche in Chemnitz. Bereits im Vorfeld, nach den Ausschreitungen des letzten vollen Augustwochenendes, positionierte sich die Band Madsen sehr klar für die Unterstützung des Bündnis „Nazifrei Chemnitz“: „Wenn eine Horde rechter Idioten durch Chemnitz rennt und auf alles eindrischt, was nicht Ihrer Meinung ist, dann ist das mehr als besorgniserregend. Wegschauen und schweigen ist gerade keine Option. Wir müssen uns dagegen wehren und zeigen dass dieses Land tolerant, weltoffen und friedlich sein sollte. Hier geht es nicht um das Kleinreden einer tragischen Tat. Wir verurteilen es jedoch zutiefst, wenn solche Vorkommnisse für rechtspopulistische Zwecke missbraucht werden. Die Menschen in Chemnitz brauchen jetzt Unterstützung – jeden Tag. Deswegen kommen wir schon am Samstag und lassen die Musik an – gegen Faschismus!“
Das Chemnitz weder grau, noch braun ist, zeigten am Samstag tausende Menschen, die sich gegen den, durch AfD und „Pro Chemnitz“ initiierten „Trauermarsch“ auf die Straße machten. Auf der anschließenden Kundgebung werden viele Redebeiträge abgehalten und ein buntes Kulturprogramm geboten, unter anderem von den örtlichen Musikschulen und Vereinen. Unter den Demonstranten befinden sich auch der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD), Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir und seine Nachfolgerin Annalena Baerbock sowie die ehemalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD).
„Hass ist krass, Liebe ist krasser!“
Geflüchtete Menschen, die aktuell in Chemnitz wohnhaft sind, berichten von der Angst die sie seit den jüngsten Ereignissen verspüren und wie sehr sich der offenkundige Hass und die Diskriminierung seitdem verstärkt habe. Auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig ruft offen dazu auf, dass Chemnitz sich von der bunten statt der braunen Seite zeigen soll. Oder wie die Künstlerin Barbara sagen würde: „Hass ist krass, Liebe ist krasser!“ An Kreativität fehlt es diesen oft so düster wirkenden Zeiten nicht, die Social Media Kanäle überschlagen sich fast ob der bunten und einfallsreichen Auswahl an Plakaten mit all ihren Schriftzügen.
“Wir wollen mit euch 40 Minuten lang laut gegen Nazis sein, habt ihr Bock?”
Im Zuge der Kundgebung entern Madsen einen Anhänger und schlagen die Saiten an. Das letzte mal, dass sie das machten, sei vor den geplanten Endlager in Gorleben gewesen. “Wir wollen mit euch 40 Minuten lang laut gegen Nazis sein, habt ihr Bock?”, wird die Menge wortgewandt angefeuert. Während die Band aus dem Wendland spielt, zeigt sich wieder einmal, dass Musik viel kann und ein Stück Frieden ist. Während zeitgleich die rechte Demo aufgelöst wird, tanzt und springt ein bunt gemischtes Publikum. Die im Vorfeld verteilten roten Papp-Herzen vereinen sich, wie eine hoffnungsvolle, friedliche, aber auch mahnende Front in der Luft und verleihen dem so wichtigen Motto des heutigen Tages mehr und mehr Ausdruck.
Rote Papp-Herzen vereinen sich, wie eine hoffnungsvolle, friedliche, aber auch mahnende Front in der Luft
Doch auch, wenn Musik und ein gemeinschaftliches Gefühl zu einer vereinenden Masse uns zeigt, wie wichtig es ist zusammen zu kommen, sind zwischen den Musikbeiträgen immer wieder Spannung gegenüber der allgemeinen Situation zu spüren. Zeilen wie „Mord und Todschlag, Menschenhass – kein großes Thema für dich, betrifft dich auch nicht hast du bist jetzt gedacht. Hörst du die Sirenen, sie singen ein Lied.“ werden deutlicher denn je und zeigen, wie lange diese tiefbraune Finsternis schon über uns schwebt. Denn nur durch den friedlichen Widerstand, wird die Stadt nicht leerer von Menschen, die faschistisches Gedankengut und neonazistische Parolen rufen und damit ganz klar Ängste schüren.
„Whose City? Our City!“
Auch die Band Egotronic organisierte kurzfristig über den Jusos einen Auftritt in der drittgrößten Stadt Sachsens. Während die Band einige ihrer stark antifaschistischen Songs spielt und langsam zum Ende kommt, wird die faschistische Demo erflogreich blockiert und aufgelöst. Viele der Gegendemonstranten versammeln sich am Rand des Parkplatzes um ihre Banner, selbstgeschriebenen Plakate und Flaggen in die Höhe zu halten. Es geht ein freudiger Aufruf derer durch die Menge, die Herzen statt Hetze verbreiten: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda! Whose City? Our City!“, wird skandiert. Egotronic spielen spontan extra ein kürzeres Set, um dabei sein zu können und rufen dazu auf, immer und immer wieder klar Stellung zu beziehen. Eine deutsche Stadt darf nie wieder grau oder braun werden und die Gegendemonstrationen der letzten Tage zeigen, dass es sich lohnt, zu hoffen.