Um die Musik der Melvins annährend verstehen zu können, kann ein Ausflug durch deren Geschichte nicht schaden: Alles begann in den 80er-Jahren an der Montesano High School irgendwo um Aberdeen. Eine Stadt, die unweigerlich mit der Grunge-Ikone Kurt Cobain verbunden ist. Grunge spielte damals noch keine Rolle. Gemeinsam mit dem späteren Mudhoney-Bassisten Matt Lukin und Drummer Mike Dillard hob Buzz Osborne alias King Buzzo ein wirkliches Phänomen aus dem Boden. Während der musikalische Einschlag damals wohl am ehesten als Post-Punk bezeichnet werden konnte, wiedersetzten sich die Melvins bis heute jeglicher Genre-Kategorisierung. Das seattleeske Grungelabel, ließen sie sich gleich gar nicht auf die Stirn pressen. Bis heute bleiben sie ihrer selbstdefinierten undefinierten Linie treu.
Die abenteuerliche Geschichte der Melvins
1986 ging es auf Tour. Währenddessen wurde die Band von einer Truppe Skinheads verfolgt, die -sagen wir- der Band nicht aus der Liebe zur musikalischen Darbietung folgte. Vielleicht war auch das schon die Zeit, als die Band besagten Kurt Cobain als Roadie im Gepäck hatte. Cobain unterdessen versuchte sich den Melvin als Gitarrist anzuschließen. Er scheiterte jedoch, da er beim Vorspielen zu nervös wurde und alle Lieder vergaß. Zufall oder Fügung? Einige Jahre später verkaufen Nirvana mit „Nevermind“ unzählige Platten. Der Grunge war salonfähig und Kurt fädelt den Majordeal bei Atlantic Records für die befreundete Band ein. Dale Crover, der auch heute noch am Schlagzeug der Melvins sitzt, spielte nebenbei bei Nirvana und Cobain findet man beispielsweise auf dem „Houdini„-Album der Melvins wieder.
Order and Chaos
Eine Scheibe der Melvins bedeutete schon immer hohe Mathematik – Order and Chaos. So verhält es sich auch auf „Pinkus Abortion Technician“. Die längste Nummer ist schlappe acht Minuten und somit im absolut melvin´schen Rahmen. Der Frontmann mit der Robert Smith Frisur berichtet über die Zeit im Studio ganz passend: „We drank a lot of coffee and enjoyed each other’s company.“ Da die Melvins nämlich, laut Aussage ihres Frontmannes, schon Doppelbesetzungen an nahezu jedem Instrument hatten, sei nun auch mal der Bass dran. Die selbstgestellte Frage, ob dies Sinn mache und irgendwie funktioniere, beantwortete die Band schnell bejahend. Somit bekommt Steven McDonald (Redd Kross, OFF!) auf „Pinkus Abortion Technician“ Unterstützung vom Butthole Surfers Bassisten und Teilzeit Melvin Jeff Pinkus. Wo und ob Parallelen zwischen dem Butthole Surfers Debüt-Albumtitel „Locust Abortion Technician“ und der aktuellen Melvins Scheibe bestehen, kann sich jeder selbst denken.
Eine Komplexität, die zwar eine echt tolerante Hörerschaft braucht, aber auch absolut genial ist
Gemeinsam interpretiert man den Butthole Surfers Klassiker „Moving To Florida“ neu, indem man ein Medley mit James Gang´s „Stop“ arrangiert und das Ganze dann „Stop Moving To Florida“ nennt. Auch der Butthole Surfers Titel „Graveyard“ und die Beatles Hymne „I Want To Hold Your Hand“ werden standesgemäß „schräg“ gecovert. Damit sind schon drei der acht Songs des neuen Albums nicht aus der eigenen Feder, aber trotzdem maximal spannend. In den musikalischen Wirren der Platte trifft man immer wieder auf fein geschnittene Riffs, eingängige Melodien und humorvolle Arrangements. Hier zeigt sich eine Komplexität, die zwar eine echt tolerante Hörerschaft braucht, aber andererseits auch absolut genial ist. Chaos and Order!