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Muse – Simulation Theory

Kaum eine andere Band vermag es, mehrere Musikrichtungen auf einer soliden Alternativrockbasis so herrlich zu verflechten, wie das ursprünglich britische Trio Muse. Deren Experimentierfreudigkeit scheint keine Grenzen zu kennen und so wagen sich die Jungs auf ihrem achten Studioalbum „Simulation Theory“ an das kaum bekannte Genre Synthwave heran.

„Insgesamt ist „Simulation Theory“ trotz zahlreicher Rockelemente und hervorragender Gesangsarbeit ein sehr poppiges Album“

Zurück in die futuristischen Achtziger

Durch den Gated Reverb stampft sich der Opener „Algorithm“ direkt in das Ohr des Hörers und kreiert durch die Verbindung von Elementen klassischer Musik und Arcade-Game-Synthieffekten eine Klangatmosphäre irgendwo zwischen Stranger Things und Tron. Die Assoziation kommt nicht von irgendwo her – für das Coverartwork in retrofuturistischem Neonpink und Blau stand ihnen Stranger-Things-Künstler Kyle Lambert zur Seite.

Gesang und Lyrics kommen in typischer Muse-Manier daher, wenn auch der Platte ein wesentlich hoffnungsvollerer Vibe anhängt, als es bei den Vorgängeralben – vor allem bei der düster-rockigen Platte „Drones“ – der Fall ist. „Simulation Theory“ folgt keinem stringenten Konzept. Es variiert vielmehr irgendwo zwischen Aufarbeitung offensichtlich persönlicher Empfindungen wie bei „The Dark Side“, das zweifellos von dem Sehnen nach Erlösung aus dem eigenen psychischen Gefängnis handelt, und gesellschaftskritischer Sci-Fi-Thematik, wie die Zeilen „This means war with your creator“ beim Opener erkennen lassen.

Akustisches Tohuwabohu

Bei „Pressure“ ist man kurz erleichtert, das nun nicht jedes Lied auf der Platte im Retrowave-Gewand daherkommt. Bei „Propaganda“ ist man dann verwirrt – eine elektronisch verzerrte Stimme stottert das Wort Propaganda. Mithilfe eines tiefen Hip-Hop-Basses und verträglichem Gesang in den oberen Tonlagen könnte man sich den Song ganz gut im Viva Nachmittagsprogramm vorstellen. Auch „Break It To Me“ mag dieses akustische Tohuwabohu nicht zu entwirren. Denn hier werden orientalische Klänge mit Synthieeffekten und elektronischen Drums vollgekleistert. Man ist sich unschlüssig, ob man das als coole Innovation beurteilen soll oder ob Muse es hier mit ihrer Experimentierfreudigkeit ein wenig übertrieben haben. „Dig Down“ ist da ein ganz ähnlicher Fall – nervt der massive Effekt oder passt er ganz gut?

„Something Human“ könnte ein wunderbar kitschiger Akkustiksong sein, aber nein, auch das Hausparty-taugliche Gitarrengezupfe wird durch die Unterlegung verzerrter Effekte in das Synthwave-Korsett gezwungen. Höchstwahrscheinlich, um den Songtext zu untermauern, in denen sich eine scheinbar künstliche Intelligenz nach etwas Menschlichkeit sehnt – da kommen Erinnerungen an die Serie Maniac hoch. Mit kitschig-positiver Message und poppigen Emo-Indie-Rock-Sound kommt auch „Get Up And Fight“ daher und könnte so auch von Simple Plan und Konsorten stammen.

„The album will be a very mixed bag“

Wesentlich mehr Spaß macht da „Thought Contagion“, eine Poprock-Hymne mit den von Muse so geliebten Chorelementen und eingängigem Chorus. Dieser Song wurde auch bereits im Vorfeld als Musikvideo veröffentlicht, in dem sich ein junger Mann, Vampire in achtziger Jahre Gothpunk-Charme und maskierte Vertreter der Exekutive auf neonlichtdurchtränkten Straßen eine Show liefern. Textlinien, wie „It’s too late for a revolution – Brace for the final solution“ hätten jedoch vielleicht auf ihre potentielle Missverständlichkeit hin überprüft werden sollen. Als eine weitere Hymne – jedoch im Retrowave-Gewand à la Dance With The Dead – kommt „Blockades“ daher, auch hier wieder Chorgesang im Chorus.

Mit „The Void“, ein ruhiger Track mit Pianoklängen und dem anfänglichen Stranger-Things-Soundgefühl, endet das Album. Auf der Super Deluxe Edition schließen sich weitere zehn alternative Versionen oder Remixe der vorangegangen Songs an, darunter ein Remix der UCLA Bruin Marching Band, der genau das ist, wonach es klingt oder eine akkustische Gospelversion des Songs „Dig Down“.

Insgesamt ist „Simulation Theory“ trotz zahlreicher Rockelemente und hervorragender Gesangsarbeit ein sehr poppiges Album. Und wie bereits erwähnt, viel weniger negativ als seine Vorgänger – es klingt alles in allem irgendwie leichter, trotz der viel zum Einsatz kommenden schweren Effekte. Wie Sänger Matt Bellamy in einem Rolling Stone Interview zu seiner aktuellen Platte sagte: „The album will be a very mixed bag. The songs are going to be quite different in spots and we’re also interested in doing some genre-blending and era-blending.“ Und das ist Muse auch schlichtweg gelungen. Ob man das nun als innovativen Fortschritt oder experimentelles sich ausprobieren beurteilen soll, ist wohl ein ganz klarer Fall von persönlicher Präferenz und wohl auch von Set und Setting beim Hören von „Simulation Theory“.

Video: Muse – Algorithm

Hier erhältlich
Muse – Simulation Theory
Release: 08. November 2018
Label:Warner Bros. Records

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