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Punk in the Park live im Oak Canyon Park in Silverado, CA

Foto: Gerry Oliver

Einmal pieksen bitte. Und nochmal. Das hätte der Autor dieser Zeilen bereits vor zwei Dekaden beim Bestaunen des „Punk in the Park“ Line-up’s verlangt. Wahrhaftig türmt sich auch 2021 die Creme de la Creme der damaligen (und heutigen) Cali-Punk-Szene auf dem Poster.

Danke für das willkommene Gewitter aus Livesets neuer und alter Helden unter der strahlenden Novembersonne, Kalifornien und Cameron Collins!Patrick

Nach 18 konzertfreien Monaten

Apropos Line-up: Jenes für die Parkplätze ist schon mal real und nicht gerade mickrig. Dennoch verlaufen Anreise und Einlass sehr flüssig und schnell. Das „Park“ bezieht sich auf den wunderschön gelegenen Oak Canyon im Herzen von Orange County, Kalifornien, welcher dieses Wochenden knapp 20.000 Besucher beherbergen soll. Das Auto ist der einzige Weg zu dem entlegenen Festivalgelände, wer keines hat der wandert eben die elf (!) Meilen vom Bahnhof in Irvine durch den strahlenden Sonnenschein zu Fuss. Sowie Josh, der mehr als dankbar ist, wenige Kilometer vor dem Einlasszelt spontan am Strassenrand aufgelesen zu werden. Das erste eiskalte Craft Beer hat sich Josh demnach zig mal mehr verdient, als die verwöhnten Mietwagentouristen.

Wer sich dafür entschieden hat nach 18 konzertfreien Monaten in ein „VIP“-Ticket zu investieren, wird mit vier Stunden voller endloser Bier-Samples belohnt. Unter den Brauereien befinden sich viele Highlights wie etwa Modern Times, Lucky Luke oder die Locals von Beachwood Brewing, dessen „Hazy IPA“ definitiv als Favorit des Autorenteams erkoren wird. Die vier Stunden allerdings wissen viele Besucher zu gut auszukosten – so dass der Pegel (und leider auch das Grobian-Level) bereits zu den frühen Performances von The Bombpops oder The Last Gang weit herangereift sind. Dabei gibt es hier einmal zuckersüsses, poppiges Brett (Bombpops) und einmal die gröbere, anstachelnde Variante (aka The Last Gang), die live eindeutig gewinnt und einfach besser zum Flair des Festivals passt.

Foto: Gerry Oliver

Bierduschen-, Nostalgie und Circlepits

Aufgrund eines medizinischen Notfalls müssen Pulley leider wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn absagen – aber werden dank eines gut vernetzten Veranstalters auf den letzten Drücker durch die Voodoo Glow Skulls ersetzt. Diese machen mit semi-neuem Frontmann Efrem Schulz (auch Schreihals bei Death By Stereo) eine gute bis sehr gute Figur und spielen mit Songs wie „Charlie Brown“, „Shoot The Moon“ oder dem neuen „Generation Genocide“ sogar die Riverboat Gamblers and die Wand, die zuvor mit Soundproblemen auf der Hauptbühne zu kämpfen haben. Trotz Verletzung und OP von Gitarrist Fadi El-Assad sind die Texaner heute zwar am Start, leider aber merkt man der hyperaktiven Liveband ihre Spielpause an.

Mit Guttermouth, TSOL und Fear steht dann ein Bierduschen-, Nostalgie und Circlepit-Trio in den Startlöchern, wie es pünktlich zur untergehenden Sonne seinesgleichen sucht: sommerlicher Samstagabend, drei oder vier oder auch fünf Generationen Punkrock, eine dank kalifornischem Herbst (bei 27 Grad) und den besagten Bier Samples gut auf Betriebstemperatur gebrachte Crowd – die Massenwanderung von der großen Hauptbühne zur kleinen „Monster Stage“ und zurück ist ausgelassen und tut wahrlich gut. Grosse und kleine Punks treffen sich in der Mitte am alten Kettenkarussell, welches eigentlich nicht zum Inventar des Festivals gehört, aber kurzerhand zum Entertainment-Highlight umfunktioniert wird. Ein weiterer Platz auf dem Treppchen geht an Lee Ving und Fear, die aus allen Rohren Spielfreude, Rotz und Feierlaune – sowie The Aquabats Saxophonist Jimmy Briggs zu „New York’s Alright If You Like Saxophones“ auf die Menge loslassen.

Foto: Gerry Oliver

Diese ist mittlerweile auf eine stattliche Grösse herangewachsen. Für den ersten der beiden „Punk in the Park“-Tage wurde schon Wochen vorher der Ausverkauf gemeldet. Der restliche Abend bleibt hochkarätig und lauert mit weiteren Überraschungen auf: Lagwagon stimmen mit einer „front to back“ Performance ihres Albums „Double Plaidinum“ auf die soeben gestartete Tour ein, die Vandals haben Trommler-Legende Josh Freese heute gegen Brooks Wackerman (u.a. Avenged Sevenfold, Bad Religion, Suicidal Tendencies) getauscht, Lagwagon-Frontmann Joey Cape zeigt sich gesanglich trotz eines mehr als bescheidenen Jahres in Topform. Wer nach „Alien 8“, „Oi! To The World“, „I’ve Got An Ape Drape“, „To All My Friends“, „The New You“ oder der Lagwagon-Zugabe „May 16“ noch Luft und Kapazitäten hat, kann sich im Bro-Getümmel zu Pennywise seine Moshpit-Sporen abholen. Die South Bay Surfpunks liefern Hit um Hit und mischen mit „Stand By Me“ und Fight For Your Right (To Party) und Bad Religion’s „Do What You Want“ (mit Gastvocals von Fat Mike) die richtige Dosis Coversongs unter das Bündel aus „Same Old Story“, „My Own Country“ und natuerlich „Bro Hymn“ – wobei die Show der alteingesessenen Kalifornier einfach nicht an das Energielevel und die Dynamik des Nachmittagspaketes herankommt.

„Santana hat das Zeug dazu, neues und altes Ignite Material glänzen zu lassen.“Patrick

Der frühe Vogel

Dank des frühen Endes (Punkt 21.30 Uhr fällt am Samstagabend der Hammer) sind viele hungrige (und vor allem durstige) Wochenendbesucher bereits auf den Beinen, als die soeben vom „The Fest“ eingeflogenen MakeWar und die großartigen Get Dead den Sonntag zur besten Brunch-Zeit eröffnen. Ein mehr als solides Set von La Pobreska (bei denen Zebrahead/Death By Stereo Gitarrist Dan Palmer aushilftt) statt zäher Umbaupause lässt Erinnerungen an das Wochenende zuvor in Gainesville aufleben. Pausenlos hochkarätige Musik von sympathischen Acts, präsentiert in einem Umfeld, welcher Bock, Fokus und Liebe versprüht, wie sonst bloss der Weihnachtsmann im Coca-Cola Werbespot.

Ein mehr als gelungener Start in den zweiten „Punk in the Park“ Tag. Auch Left Alone kommt der Sonnenschein, die Tatsache mehrere Hundert befreundete Fans im Publikum zu haben, sowie ihre fundierten Offbeat-Hymnen sehr gelegen. Viel zu früh müssen Ignite dann beweisen, dass ihr neuer Sänger Eli Santana die bessere Rampensau ist. Muskelprotz und ex-Vocalist Zoli Teglas steckt der frisch zur Orange County-Hardcoreband dazugestossene Holy Grail-Frontmann locker flockig in die Tonne. „Veteran“ oder „Let It Burn“ machen Bock und klingen mindestens genauso explosiv wie zuvor mit Teglas. Als sich der verschwitzte Pit zum Nachschubholen am Bierzelt trifft, ist man sich einig: Santana hat das Zeug dazu, neues und altes Ignite Material glänzen zu lassen. All die Euphorie sorgen für ein knapper als erhofftes Teenage Bottlerocket-Erlebnis, denn Verschnaufpausen zwischen den Acts auf den beiden Bühnen gibt es absolut null.

Favoriten aus New Jersey

Vielleicht doch noch die verbleibende Sample-Hour mitnehmen und mit drei bis vier frisch gezapften Minibechern Richtung Authority Zero wandern? Deal! Festivaltauglich waren die Mannen aus Arizona schon immer, heute beweisen sie neben glasklarem Sound und gewohnter tighter Fingerfertigkeit auch menschliche Werte, als es darum geht einen verletzten Besucher aus dem Pit zu befördern. Noch schnell die Plattenstände sowie das kulturelle Angebot des Festivals abgeklappert, welches sich mit Szenekunst, Benefiz-und Infozelten, Kisten voller Vinylschätzen, sowie (masslos überteuert) Grill- und Frittiergut durchaus sehen lassen kann – dann Strung Out und The Dickies aus sicherer Distanz bestaunen.

Foto: Gerry Oliver

Erstere bieten zwar eine ansehnliche Setlist, kämpfen aber, wie viele der früheren Main Stage Bands, mit dem brettigen, viel zu lauten, aber dumpfen Sound – letztere wären wohl besser im Line-Up aufgehoben gewesen, wenn nicht ein Großteil der Besucher nach wenigen Minuten zum Aufwärmen für die Bouncing Souls abgewandert wären. Die Jersey Legenden nehmen sich statt vieler Worte lieber eine Setlist zur Brust, die keine Wünsche offen lässt: Statt gezwungen neues Material in die gute halbe Stunde Spielzeit zu quetschen, feuern Greg Attonito und Co. Singalong für Singalong, Hit für Hit und Kanonenkugel für Kanonenkugel in die Dämmerung und gehen klar als Favorit des Sonntags, vielleicht sogar des gesamten Wochenendes hervor. „Kate is Great“, East Coast Fuck You“, „Lean on Sheena“, „Gone“ – selbst die feier- und entertainmenterprobten Me First & The Gimme Gimmes haben es in den ersten Minuten ihres Sets schwer, da Anschluss zu finden.

Ein leicht mulmiges Gefühl verbleibt auf dem Weg zum dunklen Parkplatz, denn Orange County hat für Outdoor-Events dieser Grösse keinerlei Masken- oder Impfmandate.Patrick

Bierdosenhagel und Glitzerblazer

Foto: Gerry Oliver

Fat Mike und CJ Ramone teilen sich heute die Bass-Duties, ansonsten aber wirkt das Lineup der Gimmes heute weniger eingespielt und teils sogar leicht schwammig. Die „This next one’s a cover“ Jokes von Frontmann Spike Slawson ziehen ebenso, wie sein liebevolles Ukulele-Intro, dennoch wirkt der Fünfer – heute mit Drummer Andrew Pinching (The Damned) und Gitarrist John Reis (Rocket From The Crypt, Hot Snakes) – einfach nicht so eingespielt und dynamisch, wie gewohnt. Dem angeheiterten und gierig auf den Tagesheadliner NOFX wartenden Mob ist das egal. Es hagelt halb volle Bierdosen (Respekt, bei einem Preis von 13 Dollar pro Dose) – und dank der Songauswahl um „Rocket Man“, „I Will Survive“ oder „Sweet Caroline“, gibt es praktisch niemanden, der die Texte nicht mitgröhlen kann oder möchte.

Foto: Gerry Oliver
Foto: Gerry Oliver

Eine knappe Stunde Verschnaufpause gönnt sich Fat Mike, bevor er zusammen mit El Hefe, Eric Melvin und Smelly zum etablierten „Time Warp“ Intro auf die Bühne wackelt. Sein aktueller Lebensstil kommt dem Bassist, Vater und Labelchef definitiv zu Gute – selbst aus der Ferne sieht der Frontmann weit gesünder und agiler aus, als oftmals in den letzten Jahren. „Backstage Passport“ ist – wie Mike selbst verlauten lässt“ – ein üblicher Start in das Set; die Wogen werden aber direkt mit „Stickin In My Eye“, „72 Hookers“ oder „Leave It Alone“ geglättet. Bei NOFX live scheiden sich nicht zuletzt seit Ausfallmomenten, wie etwa der Las Vegas Show 2018, die Geister. Lassen aber muss man der Band ihre Entertainmentqualitäten, auch wenn diese sich natürlich nicht immer im politisch korrekten Rahmen bewegen. Zwischen einem Karriere umfassenden Potpourri aus „Falling In Love“, „Day To Daze“, „Leaving Jesusland“, „I Love You More Than I Hate Me“ oder dem Frank Turner Cover „The Ballad Of Me And My Friends“ werden Eltern angezählt, die ihre Kinder unverantwortlich auf eine Nofx-Show schleppen, es wird über Orange County und mexikanische Werte hergezogen. Dann auf einmal bedanken sich NOFX brav bei Veranstalter Cameron Collins, der neben dem „Punk in the Park“ auch Schirmherr der „Punk in Drublic“ Musik- und Craft Beer Festivals ist und zu dem NOFX mittlerweile eine vertiefte Beziehung aufgebaut haben. Alles in allem bieten die vier Mittfünfziger den perfekten, flüssigen Abschluss eines Wochenendes, welches vielleicht nicht zu 100% willkommene „Punkvibes“ versprüht, aber nach langer Konzertpause und Veranstaltungsentzug definitiv als ein positives und mitreißendes Erlebnis verbleibt.

55 Minuten absoluter Stillstand

Ein leicht mulmiges Gefühl verbleibt auf dem Weg zum dunklen Parkplatz, denn Orange County hat für Outdoor-Events dieser Grösse keinerlei Masken- oder Impfmandate. Schnell aber werden die Gedanken umgelenkt auf Mitleid: Zunächst Mitleid mit den zahlreichen Besuchern, die keinen Schimmer haben, wo in dem Meer aus 3000+ Autos sie geparkt haben und letztlich Mitleid mit sich selbst und den 55 Minuten absoluten Stillstands, bevor das Abreise-Verkehrschaos den Weg Richtung Freeway und Hotel erlaubt. Eine knappe Stunde also zum reflektieren, den Hut ziehen vor Josh und seinem 11-Meilen-Hike, der bestimmt die Trommelfelle wiederbelebte. Danke für das willkommene Gewitter aus Livesets neuer und alter Helden unter der strahlenden Novembersonne, Kalifornien und Cameron Collins!

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