Mit „Unsere Stadt brennt“ hat die deutsche Punkrock-Band Radio Havanna im Februar ihr neues Album veröffentlicht und war vor der Show im Kulturzentrum Faust in Hannover für ein Akustik-Set zu Gast bei 25 Music. Wir haben dort vorbeigeschaut und Bassist Oliver „Olli“ Saal nahm sich die Zeit, uns ein paar Fragen zum neuen Album und der „Wie viel Pop darf Punk?“-Diskussion zu beantworten.
Olli, wie ist es seit Alerta bei euch gelaufen? Zurückblickend, wie wäre euer Resümee?
Wir können uns wirklich nicht beschweren! Seit der Veröffentlichung von „Alerta“ haben wir circa 150 Konzerte gespielt, darunter Shows in den USA, mit den Toten Hosen in Berlin, auf riesigen Festivals und in kleinsten Kellern. Kurz: Wir tun das, was uns Spaß macht, etwas Besseres können wir uns nicht wünschen.
Kannst du uns was über die Zeit in Amerika berichten? Gibt es spannende Anekdoten?
Wir waren in Gainesville, Florida, beinahe von Alligatoren verspeist worden, haben in New Orleans so viel geschwitzt wie nie zuvor in unserem Leben und haben zwischendurch noch eine handvoll Konzerte gespielt, darunter beim legendären THE FEST. Ganz ehrlich, wir sind mit der Musik von amerikanischen Bands aufgewachsen, deshalb war es ein Traum von uns, einmal in den USA zu spielen. Der ist damit in Erfüllung gegangen.
Aktuell wurde euer neuestes Album „Unsere Stadt brennt“ veröffentlicht. Ihr habt eine gute handvoll neuer Stilmittel zum wohlbekannten Sound gemischt. Was haltet ihr von der „Wie viel Pop darf Punk“-Diskussion?
Die Diskussion ist wohl unvermeidlich, die Sittenwächter des guten Geschmacks sollen sie auch ruhig führen. Uns ist das in Wahrheit aber scheissegal. Wenn man sich mitten in einem kreativen Prozess befindet – und ein Album zu schreiben, ist einer – dann denkt man besser nicht über Schubladen, Genregrenzen und No-Gos nach, sonst wird man möglicherweise nicht besonders weit kommen. Die Diskussion – „Ist das noch Punkrock?“ – müssen dann andere führen, wir haben doch nach mehr als einem Jahr intensiver Arbeit sowieso jeden objektiven Blick verloren.
Das war für uns sehr interessant, als Produzentenduo haben dieses mal Archi MC Motherfucker und Andi Jung agiert, zwei sehr erfahrene – man könne auch sagen alte – Haudegen der Aufnahmekunst. Die Aufnahmen haben in den uns bereits vertrauten Räumlichkeiten des „Daily Hero“ Studios in Berlin-Kreuzberg stattgefunden.
Was ist das Besondere für euch an „Unsere Stadt brennt“?
Ich glaube, neben typischen Radio Havanna-Songs wie „Sturm“ oder „Schiffbruch“ enthält das Album ein paar musikalische Experimente, die wir uns so auf den Vorgängeralben noch nicht getraut hätten. Ich denke da insbesondere an „Glasherz“ und „Unsere Stadt Brennt“.
„Geisterstadt“ – eine Abrechnung mit eurer Heimatstadt Suhl? Wie geht es euch damit? Was geht einem im Kopf rum, wenn man dieses Thema beim Schreiben der Texte durcharbeitet?
Das ist keine Abrechnung mit unserer Heimatstadt. Wir wollten einen Text schreiben, in dem sich die vielen jungen Leute wiederfinden, die ihre als zu eng, spießig und klein empfundene Kleinstadt verlassen und in die weite Welt aufbrechen. Dass wir selbst diese Erfahrung gemacht haben, hat das Texten sicherlich erleichtert, trotzdem glaube ich, dass sich hier der eine oder andere Hörer wiedererkennt und der Text deshalb auch eine universelle Gültigkeit besitzt.
Durch euer vielfältiges soziales und politisches Engagement habt ihr euch in den letzten Jahren als wichtiges politisches Sprachrohr der jungen Punkszene Deutschlands etablieren können. Was liegt euch im Moment ganz besonders am Herzen?
Wir haben vor der Veröffentlichung des Albums „Schiffbruch“ zum kostenlosen Download angeboten, um damit auf die Situation der Flüchtlinge, die an Europas Außengrenzen sterben, hinzuweisen und die Flüchtlingshilfeorganisation „ProAsyl“ zu unterstützen. Das Thema geht uns sehr nahe, das sollte aber eigentlich jedem so gehen, der nur einen Funken Menschlichkeit in sich trägt und die Augen nicht vor der Realität verschließen will.
Wie wird es mit Radio Havanna weiter gehen? Was wünscht ihr euch für das kommende Jahr?
Wir sind gespannt, was die Leute zu unserem neuen Album sagen und freuen uns auf jedes Feedback. Wenn die Tour einmal vorbei ist, kehrt hoffentlich ein bisschen Ruhe ein, in der wir uns dann für einen großartigen Festivalsommer mit viel Sonne und schönen Menschen einstimmen können!
Besten Dank!
Der Dank geht zurück!
von Maria