SeeYouSpaceCowboy haben 2019 mit ihrem Debütalbum „The Correlation Between Entrance And Exit Wounds“ ein längst totgesagtes Genre mit Bravour wiederbelebt: den 2000er-Emo, auch besser bekannt als Screamo. Aber als Screamo-Band darf man SeeYouSpaceCowboy, die übrigens ihren Namen von der Anime-Serie Cowboy Beebop haben, keinesfalls betiteln, was auch schon ihr seinerzeit veröffentlichter Song „Stop Calling Us Screamo“ wohl mehr als deutlich machte. Die Musik der Band um Frontfrau Connie Sgarbossa lässt sich auch, wenn überhaupt, nur am Rande in diese Kategorie stecken. Im Herzen sind SeeYouSpaceCowboy eine Post-Hardcore-Band mit einem massiven Hang zum Durchdrehen, was sich in den vielen Mathcore-Parts in ihren Songs widerspiegelt. Und so wurde ihre eigens kreierte Musikrichtung „Sasscore“ geboren, welche nun erneut auf die Welt mit ihrem neuen Album „The Romance Of Affliction“ losgelassen werden soll.
„Unter dem Strich ist „The Romance Of Affliction“ ein Brett von Album geworden, was sowohl musikalisch als auch lyrisch zu jeder Zeit voll zu begeistern weiß und sich mit Sicherheit in der einen oder anderen Liste der besten Alben dieses Jahres wiederfinden wird.“
Stark angefangen und zum Glück nicht stark nachgelassen
Los geht’s gleich mit einem Kracher von Opener namens „Life As A Soap Opera Plot, 26 Years Running“. Treibende Beats gepaart mit heftigen Breakdowns und einem ohrwurmverdächtigen Refrain legen die Messlatte für das Album schon einmal ziemlich hoch, nicht zuletzt auch deswegen, weil niemand geringeres als Every Time I Die-Frontmann Keith Buckley sich hier die Ehre gibt und dem Song die Krone aufsetzt.
Zum Glück trifft hier der Satz „Stark angefangen, stark nachgelassen“ überhaupt nicht zu, denn mit der ersten Vorab-Auskopplung „Misinterpreting Constellations“ und der aktuellen Vorab-Veröffentlichung „The End To A Brief Moment Of Lasting Intimacy“ wird bockstark nachgelegt. Aber auch die nachfolgenden Songs stehen dem Anfangsgewitter in nichts nach. Was SeeYouSpaceCowboy hier musikalisch abliefern, klingt vielleicht im ersten Moment völlig chaotisch, ist aber absolut clever durchdacht und der wirklich sehr schmale Grat zwischen schon hymnenhaft anmutenden Refrains und völligen Wahnsinn wird hier bis zur völligen Perfektion ausgereizt und mit einer Selbstverständlichkeit in die Gehörgänge gedonnert, dass es nur so eine wahre Freude ist. Sei es das Gekeife von Frontfrau Conny, die überaus eingängigen Clean-Vocals von Bassist Taylor Allen oder die sowohl cleanen als auch geshouteten Gesangparts von Gitarrist Ethan Sgarbossa, von dem sie erst beim Aufnehmen herausgefunden haben, dass er auch singen kann, treffen immer genau ins Schwarze und vor allem die Clean-Gesänge harmonieren sehr gut miteinander, wenn sie zum Einsatz kommen. Auch instrumental kann die Band vollkommen überzeugen, vor allem, wenn es so richtig chaotisch wird. Dadurch wird auch viel Abwechslung beim Hören geboten und Langeweile ist hier völlige Fehlanzeige.
Ungeschönte Wahrheiten
Wo wir grad bei chaotisch sind: Der Song „Anything To Get Me Anywhere But Here“ ist wohl das verrückteste, was Ihr dieses Jahr hören werdet. Hier wird alles abgefeuert, was nur geht und das auch nicht ohne Grund, denn hier wird ein ziemlich heftiger Drogentrip musikalisch dargestellt, was uns auch zum Thema des Albums bringt. Frontfrau Conny verarbeitet hier ihre Drogenabhängigkeit und vor allem ihr Dasein als Abhängige, die in eine andere Drogenabhängige verliebt ist. Was hier lyrisch verarbeitet wird, ist definitiv keine leichte Kost aber dafür die ungeschönte Wahrheit und das war der Band und vor allem Conny sehr wichtig. Wie in einer selbst-erfüllenden Prophezeiung wäre die nämlich zwei Wochen nach Ende der Aufnahmen zum neuen Album fast an einer Überdosis gestorben. Sie befindet sich aber auf dem Weg der Besserung, obwohl es ein steiniger Weg ist.
Alles, was Rang und Namen hat
Da SeeYouSpaceCowboy die Scheibe „Hot Damn!“ von Every Time I Die zu Ihren Einflüssen zählen, lag es quasi auf der Hand, das Keith Buckley hier einfach mitmischen muss. Aber er ist nicht der Einzige, der hier etwas zum neuen Album der Band beisteuert. Neben Ifidiefirst, mit denen die Band Anfang des Jahres auch eine sehr gute Split-EP veröffentlicht hat und Rapper Shaolin G, der auf „Sharpen What You Can“ zum Ende des Songs für einen sensationellen Build-Up zum Breakdown sorgt, muss hier allen voran noch Aaron Gillespie, seines Zeichens Drummer und Sänger der Band Underoath, genannt werden. Underoath sind der Einfluss schlechthin für SeeYouSpaceCowboy und es muss sich wohl wie ein Ritterschlag angefühlt haben, als Aaron ein paar Gesangslinien zu „Intersecting Storylines To The Same Tragedy“ beigesteuert hat.
Auch bei der Produktion des Albums war hier kein unbekannter der Szene beteiligt. Knocked Loose-Gitarrist Isaac Hale hat hier wirklich sehr gute Arbeit geleistet und dem Album den passenden Sound und Härte verliehen.
Unter dem Strich ist „The Romance Of Affliction“ ein Brett von Album geworden, was sowohl musikalisch als auch lyrisch zu jeder Zeit voll zu begeistern weiß und sich mit Sicherheit in der einen oder anderen Liste der besten Alben dieses Jahres wiederfinden wird. Wie SeeYouSpaceCowboy die Gratwanderung zwischen hymnenhaften Refrains und völligem Wahnsinn und Chaos, ohne dabei den roten Faden zu verlieren, gelang, ist ganz großes Tennis.