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Spanish Love Songs – No Joy

Bevor wir in die Besprechung des neuen Albums von Spanish Love Songs mit dem wundervollen Titel “No Joy” starten, möchte ich einen kurzen Disclaimer vorweg schicken: Zu Beginn der unsäglichen Pandemie haben Spanish Love Songs einen eigenen „Fanclub“ in Form des “Doom and Gloom Social Clubs” auf Patreon gegründet, der mich und viele andere bis heute begleitet. Dort haben sie Podcasts, Cover-Songs, neu-interpretierte Versionen älterer Songs, Live-Streams und auch Demo-Versionen veröffentlicht bzw. einen Einblick in die Arbeit an neuem Material gegeben. Ich bin also sehr nah am Entstehungsprozess von “No Joy” gewesen und es fühlt sich ähnlich an, als würde eine befreundete Band ein Album veröffentlichen. Das vorweg.

Keine Vergleiche mehr – Spanish Love Songs erfinden ein Stück weit sich und das Genre neu und werden sich künftig nur noch an sich selbst messen müssen.Archi

Konsequente Weiterentwicklung

“No Joy” ist nun also der Nachfolger vom Album “Brave Faces, Everyone”, wenn man mal von der neu interpretierten Platte “Brave Faces, Etc.” absieht. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn wer letztere vielleicht ausgelassen oder nicht verfolgt hat, der wird nicht ganz verstehen, warum Spanish Love Songs auf “No Joy” nicht nur eine konsequente Weiterentwicklung ihres Sounds erreicht haben, sondern es auch das vermutlich erste Album ist, auf dem die Band um Sänger Dylan das erste Mal “sie selbst” sind.

Höhepunkte und Tiefpunkte akzeptieren

Aber von vorne: “No Joy” enthält 12 neue Spanish Love Songs (Songs) in knapp 45 Minuten, vier davon durften wir bereits als Singles vorab hören. Der 80s-Disco-Sound der ersten Single “Haunted” dürfte sicher viele erst einmal irritiert haben und doch war es der ideale Startpunkt um die Fans und Hörer:innen mit “No Joy” vertraut zu machen – ein Song, bei dem man am Liebsten mit den besten Freund:innen im Arm auf der Tanzfläche weinen möchten. Und dieses Gefühl beschreibt das gesamte Erlebnis des neuen Albums perfekt – “Your not haunted, you just miss everything”. In der zweiten Single “Clean Up Crew” singt Dylan dann “Maybe a big life isn’t ours” und sofort ist das alte Spanish Love Songs Feeling wieder da – das Leben mag hier und da beschissen sein, aber es geht uns allen so. Die dritte Single “Pendulum” zeigt dann, worum es sich beim doch sehr pointierten Titel der Platte “No Joy” dreht – “But I know what they say when I walk in the light: There’s no joy in my life. There’s no joy when I’m right.“, selbst in positiven Momenten fällt es Menschen wie Dylan (und sicher vielen Fans der Band) schwer Freude zu empfinden, doch man muss lernen mit diesem Pendeln umzugehen und die Höhepunkte, genau wie die Tiefpunkte zu akzeptieren. Die letzte Vorab-Single ist dann “Marvel”, einer der Song anhand dessen die Band den Entstehungsprozess des Albums am besten dokumentiert hat. Der Song entstand aus einer Idee, die Dylan hatte, während er in der Pandemie an “Custom Songs” für Supporter gearbeitet hat und ich erinnere mich noch gut, wie ich den Song im Herbst 2021 das erste Mal als sehr rohe Akustik-Version gehört habe und die Zeile “Stay alive out of spite” direkt hervorgestochen ist und einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Eine Zeile, die auch in der finalen Version des Songs eine unglaubliche Strahlkraft besitzt und wie kaum eine andere den Spirit von Spanish Love Songs zusammenfasst. Ich würde mich nicht wundern, die Worte zukünftig auf einigen Tattoos wiederzufinden.

Vergleiche fallen schwer und werden hinfällig

Durch die Live-Streams und Demo-Versionen habe ich einen immer besseren Eindruck von dem Song bekommen und es ist wirklich ein interessantes Gefühl, in jetzt in seiner vollkommenen Version zu hören. Ich empfehle allen, die jetzt Bock bekommen haben, nachträglich in den Prozess einzutauchen, eine Mitgliedschaft im besagten “Doom and Gloom Social Club”, denn da sollte man auch als Quereinsteiger:in Zugriff auf all’ diese kleinen Behind-The-Scenes bekommen. Doch genug von dem, was es schon zu hören gab – was erwartet uns bei den restlichen acht Songs? An vorderster Front stehen natürlich die Lyrics, die schon seit “Giant Sings the Blues” und “Schmaltz” ein Markenzeichen von Spanish Love Songs sind. Sänger und Songwriter Dylan schafft es mit seiner unnachahmlichen Art, seine Alltagsbeobachtungen, seinen Blick auf die Welt und die eigenen Gefühle und Ängste in Songs zu verpacken, die bei der Person vor der Bühne oder den Lautsprechern tiefste Gefühle hervorrufen können. Heraus kommen dabei auf “No Joy” leider auch zum Teil recht sperrige Songs, die etwas länger brauchen werden, um sich in den Gehörgängen festzusetzen – entweder weil sie keinen klassischen Songstrukturen folgen oder weil sie ganz einfach keinen erkennbaren Chorus haben. Das ist vor allem im zweiten Teil des Albums auffällig und sorgt dafür, dass Vergleiche zu ihren vorherigen Alben oder gar zu anderen Bands immer schwerer werden. Und hier schließt sich der erwähnte Kreis, dass die Band sich auf “No Joy” das erste Mal wirklich wie sie selbst anfühlen. Zu alldem kommt natürlich der erwähnte musikalische Fortschritt, der sich auf “Brave Faces, Etc.” schon angedeutet hat – geradlinige, teils fast discohafte Drumbeats von Drummer Ruben treffen auf gezielte Synthesizer-Einsätze von Meredith an den Keys. Das Gerüst bleibt Spanish Love Songs, nicht zuletzt durch große Gitarrenmomente, den einzigartigen Bass und natürlich den charakteristischen Gesang, doch die Spielwiese hat sich deutlich erweitert. Das wird sicher nicht (mehr) allen gefallen, aber eröffnet der Band eine ganz neue Welt: Keine Vergleiche mehr mit The Menzingers oder The Wonder Years – Spanish Love Songs erfinden ein Stück weit sich und das Genre neu und werden sich künftig nur noch an sich selbst messen müssen.

Video: Spanish Love Songs – Pendulum

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