The Baboon Show – I Never Say Goodnight

Versetzt Euch für einen kurzen Moment in den Gedanken The Baboon Show würden ein neues Album veröffentlichen, ohne auf Tour zu gehen. Ich würde mich jetzt mal weit aus dem Fenster lehnen und vermuten, dass Ihr entweder akut einen Lachanfall bekommen habt, mit fest zerknautschtem und leicht verängstigtem Gesicht den Kopf schüttelt oder vielleicht weinend in einer noch abgelegeneren Ecke, als der Hintersten hockt. Darüber, dass oben genanntes schon mal nicht funktioniert, müssen wir also zumindest nicht diskutieren – schön.

„Der frenetische Druck, den die Band sonst durch eine Mischung aus Tempi und Energie erschafft, verbindet sich nun in einem Cocktail aus Überzeugung und Willen.“

Die Rechnung geht auf

Wie geht man also mit so einer global beschissenen Situation um? Exakt! Man sucht sich am besten die goldene Mitte und veröffentlicht die in Form einer EP. Damit kann man dann gerade genug Dampf für sich selbst ablassen und den Fans zumindest soviel neues Material liefern, dass diese keine andere Wahl haben, als sich mit vor Schmacht vertrockneten Ohren nach diesem einen verdammten full-length Album sehnen zu müssen. Klug! Besonders, weil die Rechnung aufgeht!

Bereits der Opener und Titeltrack „I Never Say Goodnight“ ist einer der mächtigsten Songs der Baboon Show Historie und macht blitzschnell zwei Gedanken: „Lasst das bitte alles nur die B-Ware (HOLY) sein!“ und „Wie kann man einfach nur immer und immer wieder so abgefahrene Hymnen schreiben?!“

Es ist vermutlich überflüssig zu erwähnen, dass ich mir nach 40 Sekunden heavy rotation die Platte bestellt habe. Besonders an dieser LP ist übrigens, dass sie als 12″-Vinyl, einseitig bespielt und mit einem Etching auf der unbespielten Seite erscheint. Somit kommt also nicht nur das musikverliebte, sondern auch das Sammlerherz voll auf seine Kosten.

Der nötige Hauch Arbeiterkampfpathos

„Which Way Will You Go“ unterstreicht als zweiter Song die These, dass die Schweden nicht nur besonders gut in Hymnen, sondern auch (und irgendwie geht ja auch das einen nicht ohne das andere) im Refrain komponieren sind. „Hey hey hey. Which way will you go. Stand up proud and tell them what they need to know“, brüllt es aus den Boxen feinste Rockanleihen.

Darunter liegt, wie auch anders, wenn es um etwas richtig Wichtiges bei den Schweden geht, ein simpler Viervierteltakt, der nicht nur mit den Händen über dem Kopf mitgeklatscht, sondern auch ganz gern mitmarschiert werden darf. Wenn dieser Song also nicht in jeglicher Hinsicht ins Stadion gehört, weiß ich auch nicht mehr weiter: hier haben wir nämlich die absolute richtige Attitüde und perfekte musikalische Früh- und oder Späterziehung für den zuweilen eingestaubten Sportfan.

Außerdem kocht „Which Way Will You Go“ dermaßen an Motivation über, dass ich seine Melodie ganz sicher in der nächsten Gehaltsrunde trällern werde. Der nötige Hauch Arbeiterkampfpathos umweht ihn allemal.

Es geht um Hoffnung und Mut

Auch „Some Piece Of Peace“ ist ein, um es ganz banal zu formulieren, besonderer Song. Er richtet sein Anliegen, an einen selbstverliebten und egozentrischen Präsidenten, der schneller vor den Trümmern seiner selbst stehen wird, als ihm lieb ist. Es ist eine Abrechnung, die trotz all der kaum ertragbaren Missstände die Hoffnung nicht verliert: „All my life I’ve been waiting for some piece of peace and no more war.“

Die Anordnung der wenigen Songs gleicht fast einer Abhandlung und überzeugt durch großartige Arrangements zwischen reduziertem Tempo und höchst ehrlichem Tiefgang. Der frenetische Druck, den die Band sonst in einer Mischung aus Tempi und Energie kreiert, verbindet sich nun in einem Cocktail aus Überzeugung und Willen. Der Spot liegt auf den Inhalten und entlädt sich im hochemotionalen Ausdruck dieser.

Melodische Emotionalität

Am Ende macht die bereits veröffentlichte Akustikversion des „Punk Rock Harbour“ Klassikers „You Got A Problem Without Knowing It“ die Platte rund. Ein stark mahnender Song, der in all seiner melodischen Emotionalität fast zum Weihnachtshit 2020 erklärt werden müsste. Dabei bin ich unsicher, ob ich das mehr oder weniger zynisch meine, als es klingt, aber ich bin sicher, dass die Message zu hinterfragen, kritisch zu sein, aber nicht blind hinterherzurennen eine der wichtigsten Botschaften ist, die diese EP und das ganze Jahr für uns zurücklassen sollte. Mit CJ von Mando Diao am Cello hat sich die The Baboon Show prominente Unterstützung für den Song ins Boot geholt.

„You know me. Don’t ever say goodnight!“

Und ganz am Ende der vier Songs enthüllt sich das Bild vor dem inneren Auge, wie The Baboon Show in der Zukunft die Fans ihrer ungestümen Liveshows mit den Zeilen „You know me. Don’t ever say goodnight!“ verabschieden werden. Ich möchte keine Sekunde mehr warten müssen, denn nach 2020 werden diese letzten Worte nicht mehr einfach so in den Wänden einer Konzertlocation verhallen, sondern wie Leuchtreklame über jede unserer Stirne laufen.

Video: The Baboon Show – I Never Said Goodnight

Hier erhältlich

The Baboon Show – I Never Say Goodnight
Release: 11. Dezember 2020
Label: Kidnap Music

Maria

Bei Maria reichen sich Punk und Politik nicht einfach nur die Hand, sie liegen sich quasi eng umschlungen im Arm und trinken Schnäpschen auf die alten Zeiten. Wenn sie nicht gerade davon träumt durch die Welt zu reisen, ihrem Ärger auf Demos Luft macht oder ihrem Weltschmerz nachhängt, testet sie die neuesten Eiskreationen der Stadt, träumt vom Sommer und von Festivals oder sortiert ihre Platten zwischen der Terrorgruppe, Wizo, Propagandhi und No Use For A Name.

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Maria

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