Website-Icon Count Your Bruises Magazine

The Flatliners – New Ruin

Die Flatliners sind zurück – pünktlich zum 20-jährigen Bandjubiläum und etwas mehr als fünf Jahre nach „Inviting Light“ liefert der Vierer aus Toronto, Kanada am 5. August die neue Platte „New Ruin“ ab. Nach einem Ausflug zu Rise Records dieses Mal wieder auf Fat Wreck Chords, wo die Band bereits drei wegweisende Alben veröffentlicht hat.
Zugegebenermaßen bin ich mit dem letzten, etwas experimentelleren Release nie so wirklich warm geworden. Der Hall auf Chris Cresswells Stimme und die laschen Gitarren waren für mich anfangs gänzlich abschreckend. Mit etwas Abstand und Perspektive habe ich aber auch diese Platte etwas mehr lieb gewonnen, auch wenn es bestimmt niemals meine Flatliners Favoriten-Platte werden wird. Seit dem Release war ich aber gespannt, wie die Band sich wohl in Zukunft weiter entwickeln würde, so dass ich Mitte Juni umso froher war, als die Flatliners aus dem Nichts ihre neue Single „Performative Hours“ online samt Video mit Aussicht auf ein neues Album
veröffentlichten.
Die Gitarren von Chris Cresswell und Scott Brigham haben wieder mehr Punch und die Produktion klingt einfach unglaublich druckvoll.

The Flats are back

The Flats are back und wie: Der Song, der gleichzeitig als Opener der Platte fungiert, steht im Kontrast zur letzten Veröffentlichung und wartet in den Strophen mit einer wirklich rauen, dreckigen und gleichzeitig melodiösen Stimme des Frontmanns auf. Die Gitarren von Chris Cresswell und Scott Brigham haben wieder mehr Punch und die Produktion klingt einfach unglaublich druckvoll. Ein meisterhafter Start in die Platte ist also schon mal garantiert und mit „Rat King“ setzt sich dieser Trend auch direkt fort. Der Song, der mich von der Stimmung her – bedingt durch den Gitarrenriff – ein wenig an „Tail Feathers“ von
der „Dead Language“ Platte erinnert, kann ebenfalls begeistern und wartet mit einem eingängigeren Chorus auf. „Feed the rat, feed the rat king, crawling under my skin“.

Keine schnelle Platte

Ein Punkt, der für die gesamte Platte gilt: Die Refrains auf dieser Platte sind stark und laden einfach zum Mitsingen oder je nach Titel auch Mitgröhlen ein. Wer auf schnelle Songs wie „July! August! Reno!“ oder „The Calming Collection“ gehofft hat, wird leider auch auf diesem Album – genau wie beim Vorgänger – nicht fündig. Kurz gesagt: „New Ruin“ ist keine schnelle Platte. Es scheint so als würden die Kanadier zumindest für den Moment diese Zeiten hinter sich gelassen haben. In der ersten Hälfte geht es mit „Big Strum“ sogar verhältnismäßig ruhig zu, man probiert gerne neue Sachen aus wie die hohen Backingvocals, die fast ein bisschen nach „Beach boys“ klingen. Der folgende Song „Top Left Door“ beginnt mit einem Akustik-Intro, welches einer Cresswell Solo Platte auch gut stehen würde, bevor dann dissonante Gitarrenriffs durch die Boxen jagen. Der Song fühlt sich wie ein schnelleres „Unconditional Love“ an und ist am besten mit einer klassischen Rock-Nummer zu beschreiben. „Get under my skin, cause I wantmore“.

Für mich im Moment die schwächste Nummer auf der Platte, aber immer noch ein guter Song, was für dieses Album spricht. „It’ll hurt“ kommt mit einem drei Akkorde Gitarren-Riff als Basis um die Ecke und bleibt durch die wiederholenden Zeilen „I think you will“ im Refrain gut im Kopf und lässt ein bisschen „Menzingers“- Vibes durchscheinen. Man hält weiterhin das Tempo etwas zurück und hält sich eher in poppigen Gefilden auf. Anders als bei „Oath“, der vor Energie nur so strotzt. Nach einem Schlagzeug-Gitarren-Intro, welches man in der Form auch in einem Jimmy Eat World Song vermuten könnte, geht es mit kraftvoller Stimme in der Strophe weiter bevor durch ein beherztes, geschrienes „Love“ endgültig die Gehörgänge durchgepustet werden und der Refrain sich vollständig entfaltet. Der Song ist ein absoluter Hit, der live mit Sicherheit sehr viel Spaß machen
wird. „Recoil“ kann mich mit dem gekonnten Einsatz vom Wechsel zwischen laut und leise in Strophe und Refrain überzeugen. Chris Cresswell demonstriert hier, dass er sich auch in tieferen Tonlagen pudelwohl fühlt und beweist abermals, warum er einer der aktuell besten Sänger im Punkrock Business ist. Paul Ramirez am Schlagzeug und Jon Darbey am Bass haben auf der Platte eher eine Nebenrolle abgestaubt und haschen nicht unbedingt nach Aufmerksamkeit. Verglichen mit älteren Releases ist das Drumming eher songdienlich und weniger vertrackt als es früher z.B. bei einem Song wie „Shithawks“ noch der Fall war.
​Echte Highlights folgen gegen Ende der Platte mit der ebenfalls vorab veröffentlichten Single „Souvenir“, „Heirloom“ und „Tunnel Vision“. Letzteres ist die schnellste Nummer der Platte, Punk Beat und schnelle Palm-Mute Gitarrenattacke im Vers und einen Refrain, den man nicht mehr so schnell aus dem Kopf bekommt. „On and on and on again, terrified in tunnel vision“ konnte ich bereits nach dem ersten Durchgang nicht mehr aus dem Kopf bekommen. „Heirloom“ behandelt inhaltlich, was die vorherige Generation uns hinterlassen hat und dass es fast zu spät ist, das Ruder herumzureißen. Die Betonung liegt auf fast, ein bisschen Hoffnung schwingt immer in den Texten mit, auch wenn sie auf „New Ruin“ weitestgehend sehr düster sind.
Mit einem über 6-minütigen „Under a dying sun“ endet das nunmehr sechste Studioalbum der Flatliners mit einem langsam aufbauenden Song im Dreivierteltakt. Die wiederkehrende Gitarrenmelodie und der wunderschöne Gesang tragen den Song, welcher sich als würdiger Abschluss der Platte erweist und den notwendigen Wehmut verstreut. Ein bisschen schmunzeln muss ich, wenn ich mitzähle, in wie vielen Songs Cresswell auf der Platte das Wort „skin“ in den Texten eingebaut hat. Was dem Brian Fallon sein „radio“ ist, ist dem Chris Cresswell offensichtlich sein „skin“. Der Qualität der Platte tut das natürlich keinen Abbruch. Ich entschuldige mich, wenn ihr das ab jetzt nicht mehr überhören könnt.

Zurück zum Alten – Aber nicht ganz

Mit „New Ruin“ fallen die Experimente diesmal weniger groß aus und ich würde die Platte soundtechnisch am ehesten bei einem Mix aus „Dead Language“ und „Inviting Light“ verorten, der sich zum Glück produktionstechnisch von dem letzten Studioalbum sehr stark unterscheidet und wieder mehr auf eine rauere Note setzt.
Fans, die der Band beim letzten Album den Rücken gekehrt haben, dürften hier wieder mehr Gefallen finden, wenngleich die Flatliners keine vollständige Transformation zum „alten“ Sound vollziehen. Bei einer Band, die bisher stetig im Wandel war, ist dieser vermutlich ohnehin schwierig zu definieren. Fulminante Post-Pandemie Platte, die der Flatliners Diskographie eine Menge neuer Hits beschert. Ich bin Fan.

Video: The Flatliners – Rat King

Die mobile Version verlassen