Mit ihrer offenen und witzigen Art haben Protest The Hero mir schon auf einigen Liveshows bewiesen, welch sympathische Typen hinter dem Bandnamen stecken. Keine große Überraschung also, dass sich Gitarrist Tim Millar als ein durch und durch interessierter und lockerer Gesprächspartner erweist. Neben dem neuen Release „Palimpsest“ und dessen Entstehung reden wir über den vielleicht peinlichsten Vorfall seiner Karriere und über Hunde die die Band fälschlicherweise für Streuner hielt.
„Wir haben in dieser Zeit langsam unseren Verstand verloren.“
Wie haben sich Aufnahme- und Schreibprozess zum letzten Album „Pacific Myth“ unterschieden?
Es war gab wirklich eine Menge Unterschiede. Bei „Pacific Myth“ haben wir über einen Zeitraum von sechs Monaten je einen Song pro Monat releast. Das hieß dann auch, dass wir manche Songs innerhalb dieses Monats schreiben und aufnehmen mussten. Mit „Palimpsest“ haben wir uns für alles viel Zeit genommen. Sowohl beim Schreiben, als auch beim Aufnehmen. Normalerweise nehmen wir uns zwei Monate, um alle Tracks für ein Album zu recorden, aber dieses Mal zog es sich von 2018 über 2019. Es war also ein weit weniger intensiver Prozess. Es war eher ein Langzeitprojekt.
Was kannst Du mir über den Aufnahmeprozess generell erzählen?
Ich kann natürlich nur erzählen, wie es war die Gitarrenspuren aufzunehmen. Das Studio ist etwas außerhalb der Stadt und damit etwas weiter weg von all den Ablenkungen. Wir haben drei Wochen lang dort in intensiven zehn bis zwölf Stunden Sessions die Gitarren aufgenommen. Zum Glück konnten Luke und ich uns immer mal wieder abwechseln, aber unser Producer Dez musste die ganze Zeit über im Kontrollraum sein. Wir haben in dieser Zeit, und Dez ganz besonders, langsam unseren Verstand verloren. Für mich war es ein Highlight, als wir zwei Hunde in Schutz und mit in unser Apartment nahmen, weil wir dachten es wären Streuner, aber dann hat sich herausgestellt, dass deren Besitzer die ganze Zeit nach ihnen suchten.
Rody hatte ein Studio bei sich im Keller gebaut und dort wurden die Vocals aufgenommen. Schlagzeug und Gitarren haben wir dann in einem Studio namens Jukasa, eine Stunde von Toronto entfernt, aufgenommen. Cam hat den Bass bei sich in seinem Apartment und in Unterwäsche aufgenommen. Ich denke Rody hatte durch das Aufnehmen in seinem Keller die benötigte Zeit um sich nicht durch Deadlines unter Druck gesetzt zu fühlen, so wie es in einem konventionellen Studio gewesen wäre.
„Ich fiel über eine Monitorbox und machte einen unbeabsichtigten Frontflip von der Bühne.“
Was wäre das perfekte Lineup für eine Releaseshow?
All die Bands, die ich gerne im Lineup für eine Releaseshow hätte, sind definitiv größer als wir selbst. Es wäre vielleicht seltsam ein solches Event zu headlinen, aber scheiß drauf. Warum also nicht Dream Theater und Propaghandi als Opener für uns?
Gibt es einen Künstler, mit dem Du in Zukunft gerne zusammenarbeiten würdest?
Es wäre sehr cool mal mit Ben Folds zusammenzuarbeiten. Er ist wirklich ein großartiger Musiker und Pianist und ich denke es würde zu sehr coolen Resultaten kommen bei einer Zusammenarbeit. Ich habe ihn noch nicht in die Metalwelt eintauchen hören und das wäre sicherlich eine coole Mischung.
In all der Zeit, die Du nun bei Protest The Hero spielst – was war das lustigste, beeindruckendste oder denkwürdigste, das Du erlebt hast auf Tour?
Über die Jahre sind uns eine Menge seltsamer, lustiger und absurder Sachen passiert. Was mir jetzt als erstes ins Gedächtnis springt ist etwas dass mir während einer Show in Saint Petersburg in Russland passiert ist. Ich sah im Publikum jemanden mit einer GoPro an einem Selfiestick und ich ging an den Rand der Bühne und überzeugte ihn mir die Kamera in die Hand zu geben. In dem Song hatte ich eine Pause und in der entschied ich mich herumzulaufen und auf der Bühne jeden zu filmen. Als es dann näher rückte, dass ich wieder spielen musste ging ich zum Rand der Bühne, um die Kamera wieder seinem Besitzer auszuhändigen und fiel dabei über eine Monitorbox und machte einen unbeabsichtigten Frontflip von der Bühne. Es gab eine Barrikade und so fiel ich also sechs Fuß tief und landete auf meinem Rücken. Überraschenderweise war ich nicht allzu schlimm verletzt und nach einer kurzen Pause in der die anderen lachten (und schauten, dass es mir gut ging) konnten wir das Set zu Ende bringen. Davon gibt es sogar ein Video.
„Es fühlt sich sehr gut an und wir fühlen uns diesem Release dadurch verbundener.“
Die Artworks Eurer Alben sind Euch immer sehr wichtig. Was kannst Du mir über das Artwork von „Palimpsest“ erzählen?
Wir lieben es einfach eine große visuelle Komponente zu haben, die zur Musik passt. Für dieses Album haben wir einen Künstler namens Martin Wittfooth gefunden und wir dachten er hat eine Menge cooler Sachen gemacht und dass sein Stil zu der Musik passen würde. Wir haben ihm ein paar Konzepte unserer Lyrics gegeben und ihm dann freie Hand gelassen. Wir alle haben schon immer Tiersymbolik geliebt und das hat dann auch seinen Teil dazu beigetragen. Das Orginal ist auf eine sechs mal sechs Fuß große Leinwand gezeichnet worden. Es war also ein wirklich enormes Stück Kunst.
Nach der Crowdfunding Kampagne für „Volition“ und dem Bandcamprelease in Etappen für „Pacific Myth“ – wie hat sich die Art und Weise verändert, in der Ihr Musik veröffentlicht? Haben diese zwei „Experimente“ einen Einfluss auf die Art der Veröffentlichung gehabt?
Mit jedem Release, das wir herausbringen, wird die Band ein Stück unabhängiger. Wir fanden es wichtig einen direkten Link zwischen unseren Fans und uns herzustellen. Mit „Palimpsest“ ist es dann wieder etwas konventioneller, weil es ja in einem Stück erscheint. Aber wir haben sichergestellt, dass wir die Kontrolle über dieses Release haben. Wir haben kollektiv als Band entschieden auf welchen Formaten das Album erscheint (CD, Kassette, Vinyl, digital) und wir waren sehr in die Planung der Veröffentlichung involviert. In der Vergangenheit war es oft so, dass unser Job als Band damit endete, dass wir dem Label die Masters der Songs und das Artwork aushändigten und dann entschied jemand anderes darüber, wie es am besten wäre das Album zu releasen. Es fühlt sich sehr gut an und wir fühlen uns diesem Release dadurch verbundener.
Gibt es eine Band mit der Ihr gerne touren würdet, aber noch nicht die Möglichkeit dazu hattet? Oder eine Venue, in der Ihr gerne mal spielen würdet?
Es gibt ein Amphitheater für Sommerkonzerte in Toronto. Das wäre eine wirklich großartige Location, um eines Tages dort zu spielen. Es ist viel zu groß für uns und wir würden die Location nicht voll kriegen, aber es gibt eine Menge Festivals dort. Als Konzertgänger habe ich den Ort immer als coole Umgebung wahrgenommen und als einen Spot an dem ich eine Menge Livemusik auschecken konnte. Es wäre also eine große Ehre eines Tages auf dieser Bühne zu spielen.