Between Bodies haben mit “Electric Sleep” vergangene Woche ihr brandneues Album veröffentlicht. Gitarrist und Sänger Christopher Schmidt verrät uns in einem Track By Track mehr über die neuen Songs.
„Lucifer, I wanna be everything“
Susan, Ben und ich teilen uns den Gesang in Between Bodies ja relativ gleichmäßig auf. Das liebe ich sehr an dieser Band und an der Atmosphäre, die dadurch im Proberaum und auf der Bühne entsteht. Der Track hier eröffnet die Platte, weil wir alle sehr schnell einen Part in ihm singen – du lernst also direkt unsere Stimmen am Anfang des Albums kennen. Es ist ein Song darüber, wie leicht es ist, über Veränderung zu sprechen und darüber, was eigentlich richtig wäre zu tun. Es ist ein Song darüber, wie schwer es ist, es dann wirklich anzugehen. Es ist ein Song übers Scheitern.
„Stronger Than Me“
Der Track ist textlich einer der wichtigsten auf diesem Album für mich. Als ich 14 oder 15 war fand meine Mutter heraus, dass sie eine Halbschwester hat, von der sie zuvor nie etwas erfahren hatte. Sie baute Kontakt zu ihr auf. Ich fuhr sie gemeinsam mit meinem Bruder zum ersten Treffen und holte sie wieder ab. Mein Großvater – den ich sehr mochte – schaffte es jedoch bis zu seinem Tod nicht, über seinen Schatten zu springen, Verantwortung zu übernehmen und meiner Mutter zu folgen. Der Scham über die jahrzehntelange Verweigerung war zu groß. Die Familie zerbrach daran. Es gab allerdings ein Gespräch zwischen meinem Opa und meiner Mutter, in der er ihr sagte, dass er froh darüber sei, dass sie ihrem Herzen gefolgt ist und getan hat, wozu er nie im Stande war. Dieses Gespräch war der Anlass für den Song:
„All you’ve got to be
Is stronger than me.
And all I’ve left to do
Is confide in you.”
„Ambulance“
Musikalisch ist „Ambulance“ einer der experimentellsten Songs auf dem Album mit verhältnismäßig viel Synthesizer und E-Drums. Er ist aber auch einer der Tracks, auf die ich am stolzesten bin. Er hat sich sehr schnell von einigen eher komisch zusammengeschnürten Riffs zu einem meiner Lieblingssongs entwickelt. Ich weiß noch, wie wir meine Grundidee zum ersten Mal gejammt haben und gefühlt jede*r der anderen direkt mindestens eine wahnsinnig gute Idee beigesteuert hat. Ben und ich haben ein paar Wochen später das Demo im Proberaum mit zig Synthesizer-Patches aufgenommen, lagen beim Probehören grinsend auf dem Teppich und waren sehr froh: „Geil, das haben wir gemacht!“. Außerdem war das Video zum Song ein ganz schöner Ritt: Wir sind alle große Horrorfilm-Fans uns haben mit einem guten Freund bestimmt 40 Filmszenen gebrainstormt, die wir am Ende alle über Wochen versucht haben nachzustellen. Wenn ich gewusst hätte, wie viel Arbeit das wird, hätte ich für eine andere Idee gestimmt, haha.
„On A Grave“
Susan hat ein wahnsinnig schönes Video für den Song geschnitten, was seine Atmosphäre für mich sehr passend einfängt. Schau es dir bitte an, wenn du es noch nicht getan hast. Ich finde, dass es die Musik um eine Dimension bereichert. „On A Grave“ ist ein düsterer und melancholischer Song über die eigene Unzulänglichkeit und Schwäche. Er ist ein Song übers Trauern und hat mir dabei geholfen, dieses Gefühl auch einmal radikal zuzulassen. Es macht trotzdem viel Freude, ihn zu spielen und ich erlebe ihn live als sehr intensiv – vielleicht auch wegen dem sehr ruhigen Part nach dem zweiten Chorus.
„Gallows“
Von „Gallows“ gab es meine ich 14 verschiedene Versionen bis wir die stehen hatten, die es aufs Album geschafft hat. Eine Version von dem Song hatten wir schon bei den Demos für unser EP „On Fences“ vor über drei (oder vier?) Jahren aufgenommen. Ich bin sehr froh, dass wir an dem Track dran geblieben sind. Oft kommt ja nichts Gutes mehr dabei herum, wenn man eine Idee kaputt denkt. Hier würde ich aber sagen, dass es sich auf jeden Fall gelohnt hat und ein guter Track dabei entstanden ist, den ich sehr liebe. Er handelt vom Ende einer Beziehung und davon, wie man auf einmal voreinander sitzt und sich fragt: „Wie konnte das passieren? Eben waren wir uns noch so nah“. Er handelt davon, sich trotz einer schmerzvollen Trennung nur das Beste zu wünschen und sich über den Schmerz hinweg weiter in die Augen schauen zu können.
„Towards The Light“
Der Song gehört ebenfalls zu den wichtigsten Liedern des Albums für mich. Wir haben ihn für einen sehr guten Freund geschrieben, von dem ich viel gelernt habe und den ich wirklich sehr schätze und lieb habe. Er behandelt das Thema Depression und den Umgang damit. Ich habe durch unsere Freundschaft und viele Gespräche verstanden, dass Depression ein stetiger Wegbegleiter ist, den man immer mit sich trägt und dem man sich immer und immer und immer wieder stellen muss. Er soll eine Erinnerung daran sein, dass wir als Freund*innen füreinander da sind und an einander denken, auch wenn wir uns einmal länger nicht sehen. Er soll eine Erinnerung daran sein, dass du vermisst werden wirst, wenn du einmal nicht mehr da bist. Er soll die verbissene Hoffnung machen, die es für den Kampf gegen Depression braucht:
„Chained to the dark we drag ourselves towards the light.“
Ich will, dass Menschen ihre Freund*innen, einmal wieder anrufen, nachdem sie diesen Song gehört haben.
„Night Children“
Der Song ist für mich der druckvollste und energetischste auf dem Album. Eigentlich wollten wir ihn auch als Single veröffentlichen. Er lebt von den vielen Parts, in denen Nils nichts anderes als die Bassdrum und alle Becken, die er erwischen kann, spielt. Ich liebe aber auch den ruhigeren Mittelpart mit der schönen Bassline und „The shame is for ourselves – the past is something you can’t take away”. Ich hoffe, dass wir ihn mit ins Live-Set nehmen werden und das der Track zum Stagediven wird.
„Love Invisible“
Zu diesem Song gibt es eine sehr witzige Geschichte: Nils (unser Drummer) hat vor fast 10 Jahren einmal ein gutes halbes Jahr in Toronto gelebt und dort gearbeitet. Unsere Gitarristin Susan kommt dort her und ist erst Ende 2018 nach Deutschland gezogen. Als wir das erste Mal zusammen geprobt haben, hatte Nils einen Hoodie der nicht gerade sehr bekannten, kanadischen Band „Attention!“ an. Den Hoodie hatte er selbst zuhause per Siebdruck hergestellt nachdem er wieder in Deutschland war und er sich deren Bandlogo aus dem Internet geladen hatte. Susan konnte es nicht fassen, denn Glenn – der Sänger von Attention! – ist ein guter Freund von ihr aus Toronto und der konnte es erst recht nicht fassen, dass ein Typ aus Paderborn (Nils) am anderen Ende der Welt in seinem Keller einen Hoodie mit dem Logo seiner Band selbst hergestellt hatte. Als wir eine Stimme für den Shout-Part in „Love Invisible“ gesucht haben, war klar, dass wir natürlich Glenn fragen würden. Er hat den Part prompt in einer Radio Station in Toronto eingesungen.
„Cold Smoke“
Das ist vielleicht der Pop-Punkigste Song der Platte. Ich mag den Refrain und das Riff darin, was basically die Gesangsmelodie mitspielt, sehr. Auch der Part nach dem Chorus ist einer meiner Lieblingsparts auf dem Album. Als wir die Demos aufgenommen haben waren wir uns sicher, dass der Song definitiv eine Single werden wird. Ist irgendwie am Ende nicht passiert. Das ist aber auch in Ordnung so. Der Song war am Anfang glaube ich fast doppelt so lang aber die anderen haben mir Part nach Part rausgekürzt. Das tat weh, aber im Nachhinein bin ich sehr froh drum, haha.
„Crosses In The Distance“
Ruhigster Song des Albums! Ben verschwendet sein beachtliches musikalisches Können bei Between Bodies ja leider zu großen Teilen am Bass, aber hier hat er die Gelegenheit ergriffen und ein – wie ich finde – sehr sehr schönes Orgel-Solo geschrieben. Ich fand die Idee, so etwas auf dem Album einzubauen, direkt wahnsinnig gut. Die Orgel ist nämlich außerdem eine in gewisser Weise ironische Anspielung darauf, dass Ben, Nils und ich alle in recht gläubigen Familien aufgewachsen sind. Nils und ich haben uns sogar in einer Kirchenband kennengelernt. Davon haben wir uns natürlich alle irgendwann emanzipiert (was z.B. auch auf der EP in dem Song „Jesus Cries“ verarbeitet wird). Aber dieser gemeinsame Hintergrund wird auf dem Album mehrfach instrumental aber auch textlich aufgegriffen.
„Waking Up“
Für mich ist „Waking Up“ ein sehr vielseitiger Song. Er hat viele verschiedene Parts, Beats und Stimmungen und verliert trotzdem wie ich finde nicht an Kohärenz. Für mich fühlt er sich so an, als würden alle Parts genauso zusammengehören. Vom Discopart nach dem ersten Chorus bis zum epischen very emo-Endpart. Ich liebe Susans Harmonien im Refrain und die Gitarren mit maximalem Reverb am Ende. Aber auch Bens wundervolle Hammond-Orgel im ruhigen Part kriegt mich jedes Mal.