Website-Icon Count Your Bruises Magazine

Tristans musikalischer Jahresrückblick 2023

2023: Bin ich langsam zu alt für Musik?
Das ist natürlich Quatsch. Allerdings beschloss der Streamingdienst meines Vertrauens eines Tages, basierend auf meinem Hörverlauf, nur Hörspiele statt neuer Musik anzubieten. Das brachte mich zum Nachdenken und irgendwie ist in meiner Musikwelt in diesem Jahr wirklich nicht viel passiert, zumindest was das reine Hören betrifft. Das Gefühl kaum was Neues zu entdecken und alles bereits gehört zu haben, beschleicht mich schon eine längere Zeit. Somit muss ich eine Weile grübeln und entdecke nach umfassender Recherche doch einige Hitalben, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ha, so schlimm ist es also doch nicht! Vorhang auf!

Für das neue Jahr wünsche ich mir von der Musik gleichermaßen begeistert wie inspiriert zu werden und dahingehend in kein Loch zu fallen.

Meine Lieblingsalben 2023

Rancid – Tomorrow Never Comes

Nach dem vorherigen eher schwachen Album glaubte ich an keine Fortsetzung, doch weit gefehlt. Zugegeben: Das Rad wird hier nicht neu erfunden, aber die Streetpunkikonen liefern ganze 16 Songs in 29 Minuten ab, die im Kopf bleiben und das verkörpern, was Rancid ausmacht: Schnelle Beats, fetter Gitarrensound ohne Schnörkel, Basslines am laufenden Band und der unverwechselbare Gesang. Die bewährte Mischung funktioniert auch nach 32 Jahren Bandgeschichte. Rancid bleibt Rancid und geht immer!

Zoanoids – Effigy

Ganz ehrlich: Ich kann nichts zu dieser Band sagen, weil ich nichts über sie weiß. Schnelle Drums, 3-4 Akkorde Geschrammel mit 80‘s Touch, kurze schnelle Soli, kräftiger, ausdrucksstarker Gesang. Der Name eines Songs lautet „The Order Of Three Chords“ und damit ist im Prinzip alles gesagt. Klingt wie Lillingtons oder Giant Eagles, jedoch mit einem Hauch Horrorpunk, was auch das Artwork verdeutlicht. Einfach gut.

March – Get In

Die berühmten 3 Versuche waren nötig, um mich von March zu überzeugen. Den bisherigen beiden Veröffentlichungen kann ich nicht viel abgewinnen. Eintönig, unspektakulär. Dieses Album dagegen, meine Güte, da wurde Kraft und Energie rein gesteckt und genau so klingt es auch. Ein straighter Sound, immer nach vorne, mit wahnsinnig guten abwechslungsreichen Riffs und einer Stimme, die mir jegliche Lethargie aus dem Körper pustet. Wie bekommt man so eine Röhre? Und warum fand ich die bisher nicht gut? Egal, mitgröhlen ist Pflichtprogramm: „Vultures will be vultures…“ und jetzt ihr!

Rolling Stones – Hackney Diamonds

Ok, im Hinblick auf die Anderen, fällt dieses Album völlig aus der Reihe. Man muss auf den Sound stehen, den Mick Jagger & Co. seit 1962 (what?!) fabrizieren. Auf einem meiner Ausflüge in den Mainstream Rock, stoße ich auf dieses solide Album, welches mich direkt abholt, weil es catchy, abwechslungsreich und schlichtweg gut produziert ist. Das ist in erster Linie auf die Erfahrung der Band zurück zu führen. Nach Jahrzehnten weiß man einfach wie es funktioniert. Wer Lust auf was anderes hat, dem sei dieses Album ans Herz gelegt, denn es hört sich einfach gut weg. Ich bin übrigens sicher, dass ich vor Keith Richards das Zeitliche segnen werde.

Dividing Lines – Waiting for Life

Boah, was für ein Kracher! Die Kapelle aus Leipzig ist mir bei Weitem nicht unbekannt, aber diese Scheibe geht durch die Decke. Dividing Lines machen eine Mischung aus Death Rock, Punk, Gothic und Electro. Das ist wirklich mal was neues und lässt mich weder still stehen, noch still sitzen. Abwechselnder, ausdrucksstarker Gesang, sozialkritische Texte, viele kleine eingebaute Elemente hier und da. Alles ist komplett durchdacht, harmonisch und vor allem eins: tanzbar!

Dead End Drive-In – A Worthwhile Endeavour

Kurz vor Ende des Jahres, im Prinzip vor der Fertigstellung dieses Artikels, haut mir der Algorithmus eine Band vor den Latz, die mich in den letzten Tagen nicht los lässt und deren Album der heißeste Anwärter auf mein Album des Jahres ist. Dead End Drive-In aus Kanada machen melodischen Punkrock, die Betonung liegt auf „melodisch“ und „Rock“. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Songs des bereits im Januar erschienenen Meisterwerks im Midtempo gehalten, dennoch endlos nach vorne treibend. Wir treffen auf viel Abwechslung an den Gitarren im Sinne von Soli, die sich teilweise über den ganzen Song ziehen und perfekt ergänzen. Komplettiert wird das Ganze mit einer sympathischen Stimme, die an der einen oder anderen Stelle etwas schief und rau klingt. Richtig eingesetzt funktioniert das, Tim Armstrong weiß Bescheid. Noch eine Prise Background und so entstehen ein paar echte Singalongs, die ihr euch unbedingt zu Gemüte führen müsst, denn dieses Album macht Spaß!

Meine Lieblingsshows 2023

Die Konzertbesuche in diesem Jahr lassen sich locker an zwei Händen abzählen. Gefühlt stand ich öfter auf der Bühne als davor, aber da gibt es doch einige erwähnenswerte Abende.

Brutus – Glocksee (Hannover)

Eine meiner Neuentdeckungen 2022, direkt um die Ecke! Und ich bis zum letzten Moment ohne Ticket vor der ausverkauften Glocksee. Nach ewigem Warten in der Kälte gelang es mir schließlich noch eins aufzutreiben. Zum Glück, denn was hätte ich mich geärgert, dieses Spektakel zu verpassen! Es war voll, laut und die Luft stand. Aber was für eine Energie, was für ein Sound und was für eine Atmosphäre. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich an den Moment denke, als die ersten Töne von „What Have We Done“ erklangen. Wahnsinn!

The Melmacs, Canine & Angenehm Ist Anders – Monster Records (Hannover)

Ok, jetzt dreht er völlig durch und bezeichnet den eigenen Auftritt als ein Highlight des Jahres. So ist es natürlich nicht gemeint. Das Highlight besteht vielmehr darin, dass ich im alten Monster Records spielen durfte, was mir sehr viel bedeutet. Sven und sein Plattenladen sind eine Institution in Hannover und es war mir eine Herzensangelegenheit, hier noch einen Abriss zu veranstalten, bevor er den Laden räumen musste. Danke, Divine Concerts!
Glücklicherweise hat Sven eine neue Location gefunden und der Spaß geht weiter. Dennoch: Dieser Abend, gemeinsam mit Canine und den Melmacs, war legendär. Die Tatsache, dass ich danach eine Woche krank war, spricht im Prinzip für sich.

Mercy Union – Bei Chéz Heinz (Hannover)

Zu diesem Abend brauche ich nichts schreiben, denn ich habe bereits davon geschwärmt und nichts hinzuzufügen. Hier nachzulesen:

Versus You – Monster Records (Hannover)

Versus You sind eine der ersten Bands, die ich vor einigen Jahren nach meinem Umzug in Hannover live erleben durfte. Auch dieses Jahr schaffte es die Band aus Luxemburg mich direkt in die erste Reihe zu katapultieren und mir ausschweifende Bewegungen zu entlocken. Das ist selten und damit stand ich leider ziemlich allein da, was meiner Stimmung jedoch keinen Abbruch tat. Versus You macht Spaß und hat Spaß. Bleibt zu sagen, dass die Jungs mega nett sind und ich sogar die Chords meines Lieblingssongs bekommen habe, um ein bisschen Versus You in das heimische Wohnzimmer zu bringen.

Anti Flag – Bei Ché Heinz (Hannover)

Ich habe lange gerungen, ob ich dieses Konzert erwähne oder nicht. Das Akustikkonzert im Januar war ein großartiger Abend, der alles hatte, was diese Band für mich ausmachte. Ich habe sogar einen Artikel über das Konzert verfasst, welcher mir mit dem heutigen Hintergrundwissen beinahe unangenehm ist.
Ein paar Monate später geht die Ära Anti Flag auf eine sehr schlimme Weise abrupt zuende und ich kann immer noch nicht fassen, dass sich ein Aushängeschild meiner musikalischen Entwicklung hinter der Fassade plötzlich als etwas so Beschissenes entpuppt. Das tut weh und bringt mich gleichzeitig zum Nachdenken. Man kann den Menschen eben nur bis vor die Stirn gucken und es ist leicht, sich hinter einer Maske verstecken.

Worauf ich mich 2024 freue

Für das neue Jahr wünsche ich mir von der Musik gleichermaßen begeistert wie inspiriert zu werden und dahingehend in kein Loch zu fallen. Ich denke die Grundlage dafür ist einerseits gegeben und andererseits muss ich sie mir schaffen, indem ich mich vermehrt eigenen Musikprojekten widmen möchte.
Mit Alkaline Trio und Shoreline wurden außerdem schon zwei Veröffentlichungen angekündigt, auf die ich sehr gespannt bin. Da fällt mir ein: Bad Religion und Lawrence Arms können auch mal wieder was machen und was zur Hölle treiben eigentlich Dead To Me?
Neben den großen Namen freue ich mich auf Neuentdeckungen jeglicher Art, Konzertbesuche (vor allem in kleinen Clubs) und die NOFX Abschiedstour im Mai mit phänomenalen Vorbands. Wobei ich mir sicher bin, dass Fat Mike uns alle an der Nase herum führt.

Zum Schluss ist mir wichtig zu erwähnen, dass der FLINTA* Anteil in Bands im Jahr 2023 meiner Meinung nach ein wenig angestiegen ist. Ich würde mich freuen, wenn diese positive Entwicklung weiter voran schreitet, denn Diversität ist in der Musik nicht nur unabdinglich, sondern mit seinen vielen Facetten auch enorm gewinnbringend.

Danke für Euer Interesse, kommt gut ins neue Jahr!

Tristan

Diese Website nutzt Cookies.

Diese Website nutzt Cookies.

Die mobile Version verlassen