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Zeal & Ardor – Stranger Fruit

Welche ungewöhnlichen Genre er für sein künftiges Musikprojekt kombinieren sollte, fragte der Schweiz-amerikanische Musiker Manuel Gagneux die User auf der bekannten Plattform “4-Chan”. “N***er music and black metal” war die wohl skurrilste Antwort, doch anstatt sich darüber zu empören, nahm Gagneux sich dieser Herausforderung an. Er mischte Blues-Töne mit skandinavischem Black Metal, thematisierte auf lyrischer Ebene die Frage, wie es wohl wäre, hätten sich die damaligen Versklavten in Rebellion von Gott abgewendet und gebar so Zeal & Ardor.

Ihr Debüt-Album “Devil Is Fine” hinterließ 2017 einen Riss in der Welt der etwas härteren Musik. Wie es für Avantgarde Metal Bands typisch ist, standen einige der Band sehr skeptisch gegenüber, während sich andere völlig für sie begeisterten. Doch gewiss waren Zeal & Ardor bald in aller Munde. Nun veröffentlicht das okkult-experimentelle Musikprojekt ihr zweites Album “Stranger Fruit” und erneut wird ein Sturm über die gespaltene Zuhörerschaft kommen.

“Stranger Fruit” ergreift und erschauert zugleich

Mit ganzen 16 Tracks erweist sich der Longplayer seiner Bezeichnung als würdig und der Titel kommt auch nicht von irgendwo her: angelehnt ist er an den Song “Strange Fruit” von Billie Holiday, der einen Protestakt gegen die Lynchmorde an den Afroamerikanern verkörpert. Die passende Atmosphäre zu dieser düsteren Thematik stellt das Intro her – ein rhythmisches Holzhacken und Gagneux’ summende Stimme sind zu vernehmen, die in ein stabiles atmosphärisches Metal-Riff münden. Der darauf folgende und bereits veröffentlichte Track “Gravedigger’s Chant” ist musikalisch etwas bekömmlicher. Pianoklänge und rhythmische Drums begleiten Gagneux’ kräftige, dynamische Stimme. Und dennoch sorgt das raue “Bring the dead down low, down low” für ein unangenehmes Gefühl.

Zwischen Gospel-Gesängen, Blues-Sounds, Soul-Gesang, schnellen Riffs und Blastbeats weiß Mastermind Gagneux genau dieses unangenehme, leicht schaurige, doch mitreißende Gefühl zu erschaffen, das zu begeistern weiß und einen dennoch verwirrt zurücklässt. So wird man kaum umhinkönnen, bei Songs wie “Servants” und “Row Row” mit dem Fuß zu wippen und dennoch den finsteren Zeilen zu lauschen, die von zornigen gutturalen Gesängen unterstrichen werden. Die Lyrics der Songs sind, ähnlich bei “Ship On Fire”, kurze Erzählungen oder Aufrufe zur Rebellion, wie das skandierte “Blut für den neuen Gott!” auf “We Can’t Be Found”.

„Don’t let anybody tell you that you’re safe“

Dabei umfasst die Platte nicht nur ausschließlich finster-hypothetische Geschichtsthematik und düstere Atmosphäre. “Stranger Fruits” beinhaltet auch unglaublich dynamisch-emotionale Seiten. Das wird dem Hörer spätestens dann klar, wenn sich auf dem düster-intensiven Track “Don’t You Dare” Gagneux’ herrlich kräftiger Gesang steigert und in einem markerschütternden Schrei entlädt. Man möchte sich so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass das Album die wohl beseeltesten Screams der gegenwärtigen Metalmusik enthält. So reißt das zornige Stück “Fire Of Motion”, gemeinsam mit seinen satten Bass-Riffs, den Hörer unvermeidlich in seinen Bann.

Weitere Spielarten, wie die Chorgesänge bei “Coagula” oder die ruhigen, bedrohlichen Töne von “Stranger Fruit”, sorgen für Dynamik und dafür, dass auf der LP keine Langeweile aufkommt, trotz ihres recht einheitlichen Konzepts. Im Vergleich zu seinem Vorgänger bringt das kommende Album wesentlich mehr Härte mit sich. So wird der Sturm auf “Stranger Fruit” wenig Neues bringen. Doch er wird gewaltiger sein und er wird den Riss, den “Devil Is Fine” erzeugte, in einen Krater verwandeln. So, wie Gagneux auf “You Ain’t Coming Back” singt: „Don’t let anybody tell you that you’re safe“.

Video: Zeal & Ardor – Gravedigger’s Chant

Hier erhältlich

Zeal & Ardor – Stranger Fruit
Release: 08. Juni 2018
Label: Radicalis Music

Christina

Obwohl Christina eine Vorliebe für Bands aus dem Black-, Death-, und Extreme Metal-Bereich hat, feiert sie auch die Songs von Placebo, Muse und Mindless Self Indulgence. Wenn sie nicht gerade spazieren geht, zum 500. Mal Tools „Schism“ auf dem Bass spielt oder einen guten Klassiker liest, verbringt sie einen (zu) großen Teil des Tages mit Netflix.

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Christina

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