Es ist 2021 und wenn man alle Übertreibungen weglässt, fühlt es sich mancher Tage so an, als wäre das „Ende der Welt“ gar nicht so weit weg. Was auch, überträgt man den Sinn, nicht ganz falsch ist, da das gleichnamige ZSK Album am Freitag auf den Markt kommt.
„Wie den Phönix aus der Asche, möchte ich uns entschlossen und vereint aus dem Schönheitsschlaf der Pandemie steigen sehen, denn es ist an der Zeit, dass all die politisch Verwirrten da draußen verstehen, dass sie keinen einzigen Tag von Bedeutung waren.“
Es schwirren Formulierungen vom Sturm auf das Kapitol und den Reichstag durch die Medien und wir jonglieren mit Kriegsvokabular, wie Sperrstunde und Beherbergungsverbot und eines der Unwörter des Jahres ist „Corona-Diktatur“ – eventuell ein guter Anlass mal genauer darüber nachzudenken, dass der Ursprung der Unwörter der letzten Jahre mehrfach dem rechtspopulistischen Spektrum zuzuordnen waren. „Anti-Abschiebe-Industrie“, „Gutmensch“, „Lügenpresse“ – Merkste, ne!?
Die Hitparade der deutschen Punkmusik
Gut, dass ZSK der Hitparade der deutschen Punkmusik in diesem Jahr ein Knalleralbum schenken. Bei Mercy Music schrieb ich es zuletzt und wiederhole mich gern mit dem Bekenntnis, dass „Ende der Welt“ catchy as fuck ist. Im ersten Durchlauf erlebte ich mich stets überrascht (wäre vielleicht auch eine schöne Zeugnisformuliereng für 20/21), ob der Eingängigkeit der Songs. ZSK bleiben sich treu, überarbeiten allerdings ihr Songwriting hörbar frisch und schenken ihren Instrumenten eine Struktur, die im Hörgenuss verarbeitendem Bereich unseres Gehirns definitiv funktionieren wird. Ich möchte mich fast weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass Ace, der seit 2018 an der Gitarre ist, nun vollends angekommen ist. „Ende der Welt“ klingt sehr, sehr rund und ist in sich stimmig.
Wenn ich darüber nachdenke, wie dieses Album live funktionieren wird, wird mir warm ums Herz. Ich stelle mir vergangene Konzerte der Berliner vor, kombiniere die Idee mit der Enthaltsamkeit der letzten zehn Monate, schließe die Augen und höre mir Song für Song an. Meine Fresse, das wird beim besten Willen wild werden.
„Keine andere Band ist über die letzten 23 Jahre so nah am Zahn der jungen Menschen geblieben.“
Seelenheil in der Tristesse des Alltags
ZSK schüren ein Gemeinschaftsgefühl, welches in meiner Wahrnehmung die Grundsäule einer erstklassige jugendkulturellen Aufklärungsarbeit bildet. Keine andere Band ist über die letzten 23 Jahre so nah am Zahn der jungen Menschen geblieben. Dann schreiben diese klugen Köpfe Songs, wie den Opener „Ich feier Euch“, „Alle meine Freunde“ oder „Mein Zuhause ist bei Dir“, die allein durch ihre Titel die Kids zusammenbringen. Könnt Ihr vor Eurem inneren Auge auch sehen, wie sie sich auf den Shows grölend in den Armen liegen werden?
„Die beste Gang und keiner ist allein. […] Ich feiere Euch dafür, dass es Euch gibt“, singt Joshi ganz zu Beginn des Albums und gibt mit diesen Worten, die Mut machen und ein klein wenig mehr Seelenheil in die Tristesse des Alltags bringen, so unendlich viel Zuversicht. ZSK reißen Mauern ein und verdeutlichen gleich zu Beginn, dass man hier mit offenen Armen empfangen wird. Joshi erklärt die Grundbotschaft passenderweise: „Als mit 13 der Punk in unser Leben kam, war das wie eine Explosion im Kopf. Es gab nichts anderes mehr, was uns interessiert hat. Wir waren ein fester Kreis an Freunden, und die Allermeisten von damals sind bis heute unsere besten Freunde“.
Einer starke jungen Generation
Schon im nächsten Song wird Besungenes konkretisiert. „Die Kids Sind Okay“ beschäftigt sich mit einer starken jungen Generation, die so sehr viel entschlossener, als wir es schlussendlich vielleicht jemals waren, für wirklich große Ziele und ganzheitliche Veränderungen auf die Straßen geht. Fridays For Future, Black Lives Matter, der Hambacher Forst, Ende Gelände und die Antifa sind dabei nur die Prominentesten.
Während sich die „Kids“ in dieser verrückten Zeit also maximal vernunftbasiert zeigen und diese ganze Pandemie aushalten und somit trotz der Wichtigkeit ihrer zuvor sehr lauten Message darauf verzichten, zu demonstrieren, verdeutlichen sie einmal mehr, wie -pardon my french- idiotisch und destruktiv sich eine, vielleicht nicht riesige, aber dennoch laute und bestimmte Menge alter weißer Männer und Frauen aufführt.
„‚Ende der Welt‘, der Titelsong zeigt zwar ziemlich deutlich, dass auf dieser Welt eine ganze Menge falsch läuft und das es nötig ist, nicht aufzugeben und weiter entschlossen für die eigenen Grundwerte und letztlich vielleicht einfach das Gute zu kämpfen.“
Hör ich hier „The Decline“?
Haben ZSK am Anfang von „Mach´s Gut“ bei NOFX stibitzt? Immer wenn ich diesen Song höre, bekomme ich sofort „The Decline“ ins Ohr. Das kann kein Zufall sein, denn bereits
früher haben die Herrschaften uneingeladen bei NOFX-Konzerten und der Vans Warped Tour auf dem Parkplatz gespielt. Für mich eine schöne Brücke, da der Song angenehm „verskat“ ist. Außerdem passt der Kinderchor, bestehend aus Sina Luikenga und Johanna und Charlotte Schwarz, von „Mach´s Gut“ thematisch gut zur „The Decline“ Neuinterpretation mit Orchester. Mitgewirkt haben Claas und Flecki von 100 Kilo Herz.
„Ende der Welt“, der Titelsong zeigt zwar ziemlich deutlich, dass auf dieser Welt eine ganze Menge falsch läuft und das es nötig ist, nicht aufzugeben und weiter entschlossen für die eigenen Grundwerte und letztlich vielleicht einfach das Gute zu kämpfen. Denn vermutlich sind wir uns alle einig, das wir noch lange nicht am Ende sind und noch ordentlich Arbeit vor uns liegt. Also, packen wir’s an: Wie den Phönix aus der Asche, möchte ich uns entschlossen und vereint aus dem Schönheitsschlaf der Pandemie steigen sehen, denn es ist an der Zeit, dass all die politisch Verwirrten da draußen verstehen, dass sie keinen einzigen Tag von Bedeutung waren.
Ganz Deutschland hasst die AFD
Angenehm zynisch blickt „Kein Talent“ auf die im seltensten Fall gradlinige Entwicklung einer Band und den modernen Aufwand, der dafür betrieben wird. Gut, dass sich das Geschäft mit den Influencern ein bisschen relativiert hat. Meinungen sind wichtig, besonders wenn sie selbstbestimmt und frei gebildet werden.
„Sag mir wie lange“ hat einen mächtigen und sehr eingängigen Drive. Der Song entstand sowohl in persona, als auch digital mit Chris Barker von Anti-Flag und bildet die nicht übersehbaren Parallelen beider Bands ab. Vereint ist man nämlich nicht nur im Kampf gegen faschistische Strukturen. „Alle meine Freunde“ setzt sich passend mit diesem Kampf auseinander. Also, Faust in die Luft, denn „Ganz Deutschland hasst die AFD“
Spannend sind neben Matthias, Eike, Ace und Joshi auch die Gäste des Albums. Hier gibt es nämlich auch neben den bereits genannten Akteur:innen ordentlich Unterstützung von alten Bekannten. Swiss und Jannis Stockmann unterstützen bei „Kein Talent“ und Flo von Schwarz und Niklas Trautmann liefern Backing Vocals, während auch unser geliebter Starvirologe Christian Drosten seinen wohlverdienten Platz auf „Ende der Welt“ bekommt.
„Ich kann die Gänsehaut bis in die Fingerspitzen spüren.“
Meine persönliche Hymne
„Denk ich an Dich, denk ich ans Meer“: Bei „Stuttgart“ kann ich die Gänsehaut bis in die Fingerspitzen fühlen. Ich kann mich mit dem Inhalt des Songs und nahezu jedem Wort zu 100 % identifizieren. Es ist schon verrückt, wenn ein Song so ganz unverhofft einen Teil der eigenen Geschichte 1 : 1 erzählt. Ich spüre sofort den emotionalen Cocktail aus Traurigkeit, Angst, Wut und Hilflosigkeit der entsteht, wenn man nicht weiß, ob man pünktlich sein wird. Um ehrlich zu sein, hat mich das erste Hören ganz schön umgehauen. Mit all dem, was emotional in den Wirren des letzten Jahres vielleicht zu sehr untergegangen ist, breitet sich in mir aber auch all die Dankbarkeit und das Positive aus, das die Zeilen des Songs transportieren. Für alle Eltern, die hier gerade lesen: Es ist nachhaltig so unfassbar gut zu wissen, dass es jemanden gibt, der an nichts mehr, als an dich geglaubt hat. Tut mir den Gefallen und schenkt Euren Kindern dieses unerbittliche Vertrauen in sich selbst und die Welt. Für Euch Kids, egal wie alt Ihr seid: Nehmt Eure Eltern einmal mehr in den Arm. Das ist gut für die Seele.