Auf dieses Konzert haben viele richtig hingefiebert: Am 12. Februar sind die Dropkick Murphys in Hannover in der Swiss Life Hall zu Gast. Die Band aus Boston hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf auch über die Punkrock- und Folk-Punk-Szene hinaus erarbeitet, durch zahlreiche Festivalauftritte und Konzerte in großen Hallen. Und so ist auch an diesem Mittwochabend die Halle in Hannover mit knapp 5000 Besuchern restlos ausverkauft. Und die Zuschauer sind gespannt auf die Band, die als hervorragende Liveband gilt. Mit von der Partie sind im Übrigen Frank Turner & The Sleeping Souls sowie Jesse Ahern.
„Let´s Go Murphys!“
Jesse Ahern: Musik zwischen Folk und Country
Punkt 19.30 Uhr betritt der Musiker Jesse Ahern aus Boston die Bühne. Schwarzes Hemd, Baskenmütze und Akustikgitarre: Mehr braucht Ahern nicht. Die Halle ist schon ganz ordentlich gefüllt. Und das Publikum lauscht den Klängen des Singer- Songwriters von Beginn an andächtig, der sich spielerisch in den Sphären zwischen Country und Folk bewegt und dabei durchaus zu überzeugen weiß. Vor allem die Stimme begeistert, auch wenn der Musiker auf der großen Bühne fast ein wenig verloren wirkt. In einem Pub oder kleinem Club wäre Jesse Ahern sicher noch besser aufgehoben.
Und doch, das ist richtig gut und erinnert hier da vor allem aufgrund der Stimme ein wenig an Chuck Ragan. Ansagen gibt es fast keine, dafür lässt Ahern seine Songs sprechen. Hier spielt der Amerikaner unter anderem „Time Will Tell“ vom aktuellen Album „Searching For Liberty“ aus dem Jahr 2017, „A Letter Home“ aus dem Album „Tales From The Middle Class“, das Bob Marley Cover „Redemption Song“ oder „Detox“ von der nach sich selbst benannten und neuesten EP. Nach knapp 30 Minuten ist der gute Auftritt dann vorüber. Jesse Ahern verschenkt noch zwei LPs auf Vinyl ins Publikum und verlässt dann grußlos die Bühne.
Bildergalerie: Jesse Ahern
[supsystic-gallery id=419]Frank Turner & The Sleeping Souls: Der Gewinner des Abends
Frank Turner ist mit seinen Sleeping Souls ein gern gesehener Gast in Hannover und hat hier schon zahlreiche Konzerte gespielt. Zuletzt trat er regelmäßig im ausverkauften Capitol auf. Denn auch der Brite hat sich durch zahlreiche Auftritte auf Festivals und im Vorprogramm von Szenegrößen wie Social Distortion eine große Fangemeinde erspielt. Nun ist der sympathische Entertainer also im Vorprogramm der Dropkick Murphys wieder in Hannover und legt mit „Get Better“ und „1933“ flott los. Das Publikum nimmt dies zuerst fast regungs- und teilnahmslos zur Kenntnis, taut dann aber immer mehr auf. Denn Turner hat sich für die schnelleren Songs in seiner Setlist entschieden. Daher ist die Ansage „Hannover, dies ist eine Punkrockshow“ auch gar nicht abwegig.
Auf Deutsch wird dann auch Hannover begrüßt, denn dies ist Show 2456 in Turners Historie und das gilt es zu feiern. Und so springt und rennt der Musiker über die große Bühne, reißt immer mehr Zuschauer mit und zieht sie in seinen Bann. Dann folgen weitere Hits, wie beispielsweise „Try This At Home“ oder „Photosynthesis“, bei dem sich schon viele Zuschauer bei der Refrainzeile „I Won´t Sit Down, I Won´t Shut Up And Most Of All I Will Not Grow Up“ als ziemlich textsicher erweisen. Dann wird auch der erste Circle Pit gefordert und gestartet, es folgen „No Eulogy“ auf Deutsch und „Jinny Binghams Ghost“, bei denen Frank Turner mit seiner Akustikgitarre alleine auf der Bühne steht, bevor es dann wieder deutlich schneller weitergeht.
Bildergalerie: Frank Turner & The Sleeping Souls
[supsystic-gallery id=420]Die Lacher hat Turner dann auf seiner Seite, als er dem Publikum mit den Worten dankt: „Ich weiß, Ihr seid nur wegen mir hier, danke dafür und da habe ich Euch ein kleines Geschenk mitgebracht und diese jungen, unbekannten Amerikaner eingeladen, die direkt nach mir spielen werden“. Weiter geht es mit „Recovery“ „The Road“ und „Still Believe“. Turner geht noch eine Runde Crowdsurfen, tanzt dann mit einem weiblichen Gast klassisch im Publikum und startet persönlich noch einen weiteren Circle Pit. Dann ist der Auftritt gefühlt viel zu schnell vorbei. Tosender Applaus. Klasse Auftritt und schon jetzt ist klar: Frank Turner & The Sleeping Souls sind die Gewinner an diesem Abend!
Dropkick Murphys: Let´s Go Murphys
Um 21.40 Uhr ist es dann soweit: Zu den Klängen von „The Foggy Dew“ geht erst das Licht aus, dann fällt wenig später der Vorhang und die Dropkick Murphys stehen auf der Bühne. Los geht es direkt mit „The Lonesome Boatman“ vom letzten und noch aktuellen Studioalbum „11 Short Stories Of Pain & Glory“ (Albumreview), bevor mit „The Boys Are Back“ der erste Hit folgt. Hannover taut langsam auf, verhält sich aber im Großen und Ganzen recht verhalten, auch wenn bei einzelnen Hits richtig Stimmung aufkommt. Al Barr und Ken Casey, der mittlerweile ausschließlich singt, überwinden oft den Graben vor der Bühne und stehen auf der Absperrung, suchen direkt den Kontakt zum hannoverschen Publikum und lassen dieses auch immer wieder vereinzelnd mitsingen. Ansonsten gibt es recht wenig Interaktion mit dem Publikum. Die Band aus Boston nutzt mehr die Musik für sich und so folgt ein Song auf den nächsten.
Von Beginn an wird das Konzert durch Videos und Bilder begleitet, die auf der großen Leinwand im Hintergrund der Bühne zu sehen sind. Davor sind vor allem die Gitarristen und der Bassist ständig in Bewegung. Und natürlich legen auch die beiden Sänger jede Menge Meter auf der Bühne zurück. Es folgen „Blood“ und „State Of Massachusetts“, bei dem erstmalig mehr als nur die ersten Reihen in Wallung kommen. Passend zu diesem Hit fallen reihenweise Luftschlangen von der Decke. Ken Casey dankt zwischendurch den Vorbands, belässt dann aber im Grunde auch mit weiteren Ansagen. Mit „The Bonny“ spielt die Band dann den ersten von zwei neuen Songs und setzt mit „Auld Triangle“ direkt den nächsten Hit obendrauf. Zu Beginn übernimmt einer der Musiker eine Tin Whistle und sorgt so für einen kurzen Gänsehautmoment.
Hannover dankt es mit ersten „Let´s Go Murphys“-Sprechchören. Auf „Your Spirit´s Alive“ folgt direkt „First Class Loser“ bevor mit „Smash Shit Up“ inklusive dem Musikvideo auf der Leinwand auch der zweite neue Song folgt. Auch dieses Lied kommt schon gut an. Bei „Warriors Code“ explodiert die Stimmung kurzzeitig mal regelrecht, weitere Luftschlangen fallen von der Decke. Auch „Amazing Grace“, das The Crickets-Cover „I Fought The Law“ und „Johnny, I Hardly Knew Ya“ können punkten. Mit „Workers Song“ biegen die Dropkick Murphys dann auf die Zielgerade ein. „Rose Tattoo“ beschließt dann das Set, wobei hier die Roadies auf die Bühne stürmen, diese putzen und sich gegenseitig mit Handtüchern auspeitschen. Das Publikum kniet sich kollektiv hin, um dann hochzuspringen und so steigt die Stimmung noch einmal an.
Bildergalerie: Dropkick Murphys
[supsystic-gallery id=421]Routinierter Auftritt
Nach einer kurzen Pause ertönen weitere „Let´s Go Murphys“-Sprechchöre, bevor es direkt mit der Zugabe weitergeht. Bei „Going Out In Style“ werden traditionell einige Frauen auf die Bühne zum Tanzen und Feiern gelassen, während im Publikum ein Circle Pit startet. Anschließend folgen auch Männer bei „Until The Next Time“ auf die Bühne, bevor das große Finale mit Konfettikanonen und „I´m Shipping Up To Boston“ eingeläutet wird. Hier gibt das Publikum noch einmal alles, die Stimmung ist nahe an der totalen Ekstase und irgendwie scheint es, als ob man nur auf dieses Lied gewartet hätte. Dann ist das Konzert vorbei und mit den Klängen zu „My Way“ von Frank Sinatra macht man sich langsam auf den Weg nach Hause.
Was bleibt, ist eine routinierte Show, mit relativ wenigen Höhepunkten, die nicht jeden Fan begeistern kann. Auch das hannoversche Publikum wirkt irgendwie phasenweise sehr zurückhaltend, fast schon etwas müde. Dazu trägt im Endeffekt letztlich aber auch die Setlist ein stückweit bei, die die ersten drei Alben komplett außen vor lässt (Ausnahme „Amazing Grace“ vom zweiten Album „The Gang´s All Here“) und so leider durch zahlreich fehlende Hits auffällt. Auch die Band wirkt hier und da nicht immer 100prozentig motiviert, aber das kann auch täuschen. Und dennoch, im Großen und Ganzen ist das Publikum zufrieden. Letztendlich ist dies somit eine ordentliche, aber nicht überragende Show. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!