Darauf hat die Punkrockgemeinde in Hannover lange gewartet: Am Mittwoch, dem 25. September 2019 ist es dann endlich soweit und Angelic Upstarts sind zu Gast im Bei Chez Heinz. Die Band zählt zu den wichtigsten Wegbereitern des modernen Oi!-Punks und hat längst einen Legendenstatus inne. Standen in der Vergangenheit vor allem die großen Festivalbühnen auf dem Programm, spielen die Engländer seit einigen Jahren auch wieder vermehrt Clubshows in kleinen Clubs. Und endlich ist nun mal Hannover an der Reihe. Um es vorwegzunehmen: Dieser Abend hält alles ein, was man sich vorher erhofft hat!
„Angelic Upstarts spielen für jederman, egal welche Hautfarbe und egal welche sexuelle Gesinnung – halt nur nicht für Nazis.“
Früher Start, volles Haus
Da es heute keine Supportband geben wird und zudem angekündigt wurde, dass die Band pünktlich beginnt, zieht es zahlreiche Besucher schon recht früh zum Bei Chez Heinz. Sie lassen sich auch nicht von einem Wolkenbruch aller erste Güte abhalten, obwohl durch dieses Unwetter schon die Befürchtung aufkommt, dass es nicht sehr voll werden wird. Doch dies bewahrheitet sich nicht: Als Angelic Upstarts um 20.25 Uhr mit ihrem Set beginnen, ist der beliebte Kellerclub gut zur Hälfte gefüllt. Knapp 200 Besucher wollen die Old School Oi!-Legende im kleinen Rahmen sehen. Und sie sollen ihr Kommen nicht bereuen.
Geradliniger Punkrock zum Mitsingen
Die Band aus South Shields in England, die gerne in einem Atemzug mit Cock Sparrer, Sex Pistols oder The Clash genannt wird, spielt auch heute noch geradlinigen Punkrock zum Mitsingen, mit zumeist politischen und sozialkritischen Texten. Aber auch das Thema Working Class kommt nicht zu kurz bei der Band, die mittlerweile seit 1978 existiert und bereits im Jahr 1979 mit „Teenage Warning“, produziert von Jimmy Pursey von Sham 69, ihr erstes Album auf den Markt brachte. Von der Urbesetzung ist nur noch Sänger Mensi übriggeblieben, auch wenn er selber zwischendurch einmal eine einjährige Pause einlegte. Doch das spielt alles an diesem Abend keine Rolle, denn die aktuelle Besetzung versprüht von Beginn an enormen punkigen Spirit und hat offensichtlich richtig Spaß und Lust am Auftritt.
Ein Klassiker folgt dem Nächsten
Und die Upstarts legen auch musikalisch gut los. Das knapp 80-minütige Set besteht dabei aus zahlreichen Hits, inklusive einiger Songs vom aktuellen Album „Bullingdon Bastards“ aus dem Jahr 2015. Wünsche bleiben an diesem Abend keine offen. Zum Start gibt es „Two Million Voices“, „Never ‘ad Nothing“, „Teenage Warning“ und „Never Again“. Mensi, bekannt dafür gerne ein bisschen zu viel zu erzählen und auch politische Reden über Boris Johnson und seinen politischen Favoriten Corbyn zu schwingen, hält sich in dieser Hinsicht heute sehr zurück. So nutzt er im Grunde nur eine Unterbrechung, um die Bandmitglieder wie Preisboxer zu inszenieren und Kämpfe anzubieten.
Gitarrist Neil wird zu Big Daddy, Bassist Johnny ist wohl noch Jungfrau und Drummer Andy ein erfolgreicher Softpornodarsteller. Oder doch nicht? Mit einem „Don´t more talking shit“ wird dies dann aber zeitnah beendet und weiter geht’s mit „Tories, Tories, Tories (Out,Out,Out)“, dem wohl deutlichsten politischen Statement der Band bis dahin. Direkt im Anschluss folgt der größte Hit, die wohl beste Working Class-Ballade im Punkrockzirkus „Solidarity“, die eine extra „Corbyn-Strophe“ erhält. Wie gesagt, Mensi hält große Stücke auf den Labour-Politiker. Der Song ist auf jeden Fall gut für die Stimmung, denn Hannover singt lauthals mit und auch die ersten Tanzbeine kommen in Wallung. Bis hierhin stand eher andächtiges Lauschen auf dem Programm.
Statements gegen Nazis und Polizeigewalt
Weitere Songs, die die Briten spielen, sind beispielsweise der wohl nach eigener Aussage typischste Song für Angelic Upstarts „Anti Nazi“, „Woman In Disguise“, „You´re Nicked“, „Give The Fox A Gun“ oder „Last Night Another Soldier“. Wer aber nun denkt, die Upstarts hätten jetzt bereits ihr ganzes musikalisches Hitpulver verschossen, der irrt gewaltig: Es folgen noch u.a. „Machine Gun Kelly“, „Police Opression“ oder „The Murder of Liddle Towers“, ein weiterer Song zum Thema Polizeigewalt, der trotz seiner Ruhe und seiner atmosphärischen Dichte live überraschend gut funktioniert. Mensi punktet dann noch mit der Ansage, dass die Upstarts für jedermann sind und spielen, egal welche Hautfarbe und egal welche sexuelle Gesinnung, halt nur nicht für Nazis.
Dann wird noch ein bisschen ironisch über die tolle nicht vorhandene Vorband, die so schön leise war gewitzelt, bevor der Abend auf die Zielgerade einbiegt. Hier gibt es noch einmal drei Hits als Zugabe. Dabei sind „I´m An Upstart“ und das Sham 69-Cover „Kids Are United“ bevor die Band diesen klasse Abend beendet und das Publikum in die Nacht entlässt. Was für ein Konzert!? Ohne große Showeinlagen, aber ein Gig voller toller musikalischer Momente, toller Hits und viel Nostalgie. Eins der besten Konzerte 2019!