Zur Zeit können endlich wieder Konzerte stattfinden – Open Air und mit Hygienekonzept natürlich. So auch die „Live und in Farbe“ Sommerkonzerte im Biergarten von Hannover 78. Dorthin luden am gestrigen Samstag Abend Antiheld ein und spielten eine großartige Show, bei der so gut wie alle Plätze belegt waren.
„Oh Du schönes Hannover, vielen, vielen, vielen Dank für den schönsten Neustart, den wir uns wünschen können!“
Ein starker Neuanfang
Nach Einlass um 19.00 Uhr lässt sich noch gut ein kühles Getränk organisieren, am Merch-Stand stöbern oder mit Freunden entspannen, bevor um 20.15 Uhr das verlängerte Intro von „Motten um Licht“ ertönt und Antiheld von der Terrasse aus das Publikum zum Mitmachen animieren. Tatsächlich ist von Anfang an fast jeder mit dabei, es wird mitgeklatscht und -gesungen und am Platz getanzt. „Hannover, Ihr seht gut aus! Habt Ihr uns vermisst? Darf ich Euch singen hören?“ grüßt Frontmann Luca die Konzertbesucher zu Beginn. Der Funke springt sofort über und die gemeinsame Freude wieder Shows besuchen und spielen zu können ist nicht nur sichtbar, sondern auch deutlich spürbar.
„Ihr müsst an Euren Plätzen bleiben, das wisst Ihr, aber könnt Ihr trotzdem abgehen?“ fragt Luca und bekommt seine Antwort zu den ersten Noten von „Sommer unseres Lebens“. Nach einer ausführlicheren Begrüßung und „My Only Friend“ wird es etwas ernster. „Ladies and Gentlemen, ganz oft werde ich gefragt, worüber ich meine Songs schreibe!“ beginnt der Sänger zur Ankündigung von „Irgendwo stirbt grad ein Kind“ und macht auf die privilegierte Situation aufmerksam, die es erlaubt sich darüber aufzuregen bei einem Konzert an seinem Platz bleiben zu müssen, während Menschen andernorts nichts zu essen haben.
Sonnenkinder
Die anschließende Atempause wird genutzt, um das Publikum richtig auf den folgenden Song vorzubereiten. „Jeder, der schonmal auf einem Antiheld Konzert war weiß, dass wir ’ne scheiß nervige Mitmachband sind!“ heißt es bevor eine kurze Chorprobe stattfindet, ebenso wie die scherzhafte Androhung persönlich vorbei zu kommen, wenn sich jetzt nicht jeder hinhockt. Die Zuschauer in Hannover machen jedoch gut gelaunt mit. „Goldener Schuss“ lässt die Menge tanzen, bevor alle Aufmerksamkeit wieder auf die Worte des Sängers gerichtet sind. „So Sonnenkinder. Jetzt komme ich zu ’nem Moment, vor dem ich seit zwei Wochen Angst hab.“ beginnt er und erzählt, dass besagter Moment aus Zeitgründen aus dem Set vor einer Woche, beim ersten Konzert nach zwangsläufiger Live-Pause, gestrichen werden musste. „Ich werde auf immer und ewig meinem besten Freund aus meiner Kindheit und Jugend ein Denkmal bauen.“ schließt er die Ansage von „Sonnenkind“, der das Publikum andächtig zuhört. Der Einladung so laut mitzusingen, dass man sie auch „da oben“ noch hört wird selbstverständlich gefolgt. „Jetzt ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Vielen, vielen Dank dafür.“ bedankt sich Luca.
„Ich werde auf immer und ewig meinem besten Freund aus meiner Kindheit und Jugend ein Denkmal bauen.“
Wer „Disturbia“ gehört hat, der weiß, dass es sich mit schweren, kritischen und sehr aktuellen Themen befasst. So macht „Alles Gute für den Winter“ auf die Lage unseres Planeten und die Dringlichkeit, etwas zu ändern, aufmerksam. So sprechen Antiheld in der Ansage des Songs ihren Respekt für Greta Thunberg und all jene, die sich für die Besserung unseres Planeten einsetzen, aus.
Vor „Berlin am Meer“ werden zudem die beiden neuen Bandmitglieder Basti und Luki vorgestellt und von den Zuschauern jubelnd begrüßt. Als neuer Gitarrist eröffnet Basti dann auch gleich den Song, zu dem der gesamte Biergarten am springen ist.
Nach „Himmelblau“ geht es noch einmal um ernstere Themen. In „Wiegenlied“ verarbeitet die Band den Tod ihres Managers. „Bei dieser Thematik geht es um Leben retten, deswegen seid einfach aufmerksam.“ appelliert Luca, bevor die ersten Töne erklingen. Mit „Von Schmerz & Apotheken“ und einem letzten „Vielen, vielen Dank“ verabschieden Antiheld sich dann auch schon – vorerst. Denn die Rufe nach einer Zugabe werden schon laut, bevor die Band die Bühne überhaupt verlassen hat.
Der schmale Grat zwischen Party und Ernsthaftigkeit
Die geforderte Zugabe folgt in Form von „Ma Petite Belle“ und „Ficken für den Weltfrieden“. Ein letztes Mal laden Antiheld ihr Publikum zum Mitsingen und Feiern ein und auf beiden Seiten werden die letzten Energiereserven aufgebraucht, bevor sich der Abend endgültig dem Ende neigt. „Oh Du schönes Hannover, vielen, vielen, vielen Dank für den schönsten Neustart, den wir uns wünschen können!“ bedankt sich die Band und verspricht wieder zu kommen, und sobald es wieder geht den Schweiß in den Clubs von der Decke tropfen zu lassen, sich die Seele aus dem Leib zu moshen und gemeinsam zu trinken. Immerhin Letzteres ist auch an diesem Abend möglich – am Merch-Stand nehmen sich die Musiker noch Zeit für ihre Fans.
Antiheld haben es geschafft auf einem schmalen Grat zwischen Party und ernsthaften, schweren Themen zu balancieren und das Publikum vollständig mitzureißen. So sehr sich manch einer über die aktuell mögliche Version von Konzerten beschweren mag, dieser Abend hat bewiesen, dass Shows mit festen Plätzen nichts mit verhaltener Stimmung und einem statischen Publikum zu tun haben muss und dass man auch so ordentlich feiern kann.