Bei Horrorpunk fällt unweigerlich immer irgendwann der der Vergleich zu den Misfits. Die Band hat das Genre erfunden und war Inspiration und Wegbereiter für viele andere Bands. Gerecht wird der Vergleich aber vielen Bands nicht. Denn da gibt es eine Menge richtig guter Gruppen, die deutlich mehr, als nur ein Misfitsklon sind, wie z.B. The Other. Oder eben Blitzkid, die am 8. November zu Gast in Hannover sind. Vorband im Musikzentrum sind The Crimson Ghosts. Also alles bereitet für einen gruseligen Horrorpunkabend, kurz nach Halloween, oder?
Horrorpunk aus der eigenen Klimazone
Den Auftakt machen The Crimson Ghosts, die pünktlich um 20.00 Uhr die Bühne im Musikzentrum betreten. Noch ist das Veranstaltungszentrum recht spärlich besucht. Für das Quartett aus Köln aber kein Grund, von Beginn nicht 100 Prozent zu geben. Und so ziehen die Horrorpunker schon schnell das Publikum auf ihre Seite. Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass sich die Band schon beim zweiten Song kurz verspielt und neu ansetzen muss. Das nutzt Gitarrist Jackal für eine kurze erste Ansage. „Spaß beiseite, wir sind Crimson Ghosts.“ Besonders fällt von Beginn die starke Stimme von Sänger Vlad auf. Ansonsten gibt es Punk, mit Horrortexten und etwas Metalkante auf die Ohren. Auf der Setlist stehen u.a. Songs wie „Nightbreed“, „On A Succubic Night“ vom aktuellen Album „Forevermore“ oder „Spit Black“. Neben dem aktuellen Album stehen aber auch Songs der gesamten Schaffensphase auf dem Programm. Und da die Kölner bereits seit 2001 aktiv sind, gibt es auch jede Menge alte Songs von insgesamt sechs Studioalben zu hören.
Für die Band ist es auch nicht der erste Auftritt in Hannover. Das letzte Mal war man im Bei Chez Heinz zu Gast, wie Vlad verrät. Überhaupt hätte man immer schöne Abende in Hannover erlebt, Grund genug auch heute einen schönen Abend zusammen zu haben. Die Forderung nach einem Circle Pit wenig später ist dann wohl nicht ganz ernst gemeint. Dennoch, The Crimson Ghost machen Spaß und gute Laune. Auf der Bühne scheinen die Temperaturen zu steigen, wie Vlad bestätigt. „Ist ja wie in einer eigenen Klimazone, sollte es nicht eigentlich Winteranfang sein?“ Weitere Songs des Abends sind u.a. „Don´t Follow“, „Bloodred“, „Body Bag“ oder „Armagetron“. Dann ist nach 55 Minuten Schluss und die Vorfreude auf Blitzkid als Headliner an diesem Abend ist definitiv gestiegen. Daran hatten The Crimson Ghosts einen nicht geringen Anteil. Guter Auftritt.
1001 Arten einen Bass zu spielen
Nach einer erfreulich kurzen Umbaupause stehen schon wenig später Blitzkid auf der Bühne. Knappe 100 Besucher sind mittlerweile vor Ort. Im Endeffekt leider etwas wenig, was sicher an dem Mittwochabend, dem gruseligen Wetter, aber auch an den insgesamt 45 Euro Eintritt an der Abendkasse liegen könnte. Alle die nicht da sind, verpassen aber einiges, das sei schon einmal verraten. Denn die auf ein Trio geschrumpfte Horrorpunkband legt los, wie die sprichwörtliche Feuerwehr. Nach den einleitenden Worten von Bassist Argyle Goolsby, „Hej, wir sind Blitzkid und wir spielen ein bisschen Musik für euch“, folgt ein Hitgewitter der Band. Den Auftakt machen „Pumpkin Patch Murders“, „Lupen Tooth“, „Starlite Decay“ und „Hellraiser“. Quer durch alle Alben hangeln sich die Musiker aus West Virginia. So springen Blitzkid auch einmal ins Jahr 2006 zurück, als wäre es gestern gewesen, wie Argyle erklärt. Der Sound ist gut, lediglich der Gesang ist etwas leise.
Von Beginn an ist vor allem Bassist Argyle eine wahre Augenweide. Wie er den Bass spielt, immer wieder auf neue Arten, wie eine Geige, hinter dem Rücken, mit einer Hand…ist schon beeindruckend und mitreißend zu gleich. Überhaupt sind hier offensichtlich drei exzellente Musiker zu sehen, denn auch Gitarrist TB Monstrosity oder Drummer Stripes müssen sich nicht verstecken. TB wählt allerdings schon recht schnell aus gesundheitlichen Gründen einen Stuhl, sein grandioses Gitarrenspiel tut dies aber auch im Sitzen keinen Abbruch. Die Stimmung ist super, es wird viel mitgesungen und getanzt. Bei Songs wie „Pretty In A Casket“, „These Walls“, „Mary And The Storm” oder “Dying Day”, die als nächstes folgen, auch kein Wunder.
Happy Halloween – leicht verspätet
Hannover ist die fünftletzte Show der „Escape The Grave“-Tour, die aufgrund von Corona auf 2023 verschoben wurde. Argyle offenbart dabei auch gute Deutschkenntnisse. Überhaupt sind die Musiker super gut drauf und legen eine tolle Show hin. Man war ja auch schon mindestens einmal in Hannover im Bei Chez Heinz, aber das ist schon etwas länger her. Denn die Band hatte sich 2012 aufgelöst und ist erst seit 2019 wieder da. Weitere Songs des Abends sind dann u.a. „She Wolf“, „Lady In The Lake“, „Five Cellars Below” oder “Let´s Go To The Cemetery”. Argyle ist übrigens auch weiterhin kaum zu bändigen, so klettert er immer wieder auch auf das Schlagzeug, steht dort einbeinig oder spielt das Becken mit dem Fuß. Doch die Zeit rennt und diese leicht verspätete „Happy-Halloween“-Show biegt mit „She Dominates“, „A Hopeless“ Night und „Nosferatu“, einer Hommage an Argyles Lieblingsfilm aus dem Jahr 1922, auf die Zielgerade ein. Auf die immer wiederkehrenden „Fuck You“-Rufe aus dem Publikum reagiert Argyle im Übrigen auch sehr belustig. Denn nur wenn alle schließlich „Fuck You Blitzkid“ rufen, gibt es eine Zugabe. Die folgt mit u.a. „My Dying Bride“, dann ist Feierabend. Was für ein Abend und vor allem was für eine Show. Blitzkid sind wieder da – und wie. Bitte mehr davon, denn dieses Konzert war großartig.