So eine Show gibt es in Hannover nur selten: Auf der aktuellen Tour von Bring Me The Horizon zusammen mit A Day To Remember, Poorstacy und Static Dress stehen eigentlich nur die größten Venues auf dem Plan, aber nicht in Hannover: Mit nur knapp 6.000 Besuchern ist die Swiss Life Hall nur halb so groß wie alle anderen Konzerte der Tour. Entsprechend sind die Karten für den “intimen” Abend schnell vergriffen. Da schreckt auch niemanden der leichte Dauerregen auf dem Weg zur Location ab.
Eine Zeitreise zurück
Nachdem sich das Publikum bei Static Dress und Poorstacy doch noch etwas zurückhielt, ändert sich das bei A Day To Remember schlagartig. Es fühlt sich an wie eine Zeitreise zurück in das Jahr 2010. Das ist die Zeit, in der die Band die Alben “What Separates Me From You” und “Homesick” veröffentlicht hat, aus welchen das heutige Set primär besteht. Es versetzt das Publikum zurück in ihre Jugend, alle Sorgen werden für einen Moment fallen gelassen und die Pits großzügig eröffnet. Einen Stillstand gibt es von nun an nicht mehr, sodass die etwas weniger Pit-affinen Fans auf den Rängen sich denken, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, das Konzert von dort oben zu genießen.
Bildergalerie: A Day To Remember
„Let’s do the biggest circle pit Hannover will see this whole goddamn year!“
Der erste Song “Downfall” startet mit einem lauten Knall und CO2-Kanonen, welche uns von nun an regelmäßig begleiten sollten. “Let’s do the biggest circle pit Hannover will see this whole goddamn year!”, spornt Sänger Jeremy McKinnon weiter an. Dieser Aufforderung kommen die Fans nur zu gerne nach. Zusätzlich wagen sich immer mehr zum Crowdsurfen, was der Security zwischenzeitlich viel Arbeit beschert. Jeder kommt auf seine Kosten, besonders jedoch Mike am Ende des Sets. Zu “If It Means a Lot to You” spielt Jeremy selbst Gitarre und braucht für ein Mikrofon einen Ständer. Dieser ist jedoch auf die Schnelle nicht auffindbar und so kommt Mike ins Spiel. Aus dem Publikum direkt auf die Bühne wird er selbst zum Mikrofonständer, auch wenn Jeremy zunächst etwas erstaunt ist. “You are a lot taller than I anticipated”, sagt er, während er nach oben zu dem mindestens einen Kopf größeren 2-Meter Mann guckt. “If someone said to me I would sing ‘If it means a lot to you’ looking at a guys crotch I would have fucking laughed, but it just happened”, sagt Jeremy anschließend. Auch nach 20 Jahren Bandgeschichte gibt es immer noch Dinge, die zum ersten Mal passieren.
Eine erfrischend kurze Umbaupause später, in der man sich allerdings fragen muss, warum auf der LED Wall unter anderem eine Art Werbespot für ein Zombie PC Spiel läuft, ist es dann endlich Zeit für den Headliner des Abends: Bring Me The Horizon.
“Hannover – this is not a moshpit! Open it up!”
Durch eine Computerstimme, die die Anwesenden auf die Folgenden rund 90 Minuten vorbereiten soll, erfährt man, dass eventuell vorhandenen Drogen schnell aufgebraucht werden sollen und dass Moshpits erwartet werden – dann ertönen die ersten Akkorde von “Can You Feel My Heart” und es öffnen sich direkt zwei Pits im Innenraum, die sich für den Rest des Abends nicht mehr wirklich schließen sollen. Fronter Oli Sykes gibt direkt zu Beginn die Marschrichtung für den Abend vor: “Hannover – this is not a moshpit! Open it up!” Es versteht sich von selbst, dass dieser Aufforderung direkt nachgekommen wird. Mit “Every single one – Jump!” folgt die zweite Aufforderung zur abendlichen Sporteinheit direkt hinterher, was die ausverkaufte Swiss Life Hall zum Beben bringt.
Nicht nur vor der Bühne kocht die Stimmung – auch auf der Bühne grinsen die sechs Jungs von Bring Me The Horizon um die Wette und nutzen energiegeladen jeden Zentimeter der großen Bühne mit eigenwilligen Aufbau – mit einem Podest, der grob wie ein Blitz geformt war in der Mitte und zwei kleinen Podesten seitlich. Oli – heute schick in Anzug mit gekleidet – singt nicht nur mit seiner Stimme, sondern bezieht den ganzen Körper mit ein. Immer wieder lässt er sich auf die Knie fallen (und hält dabei interessanterweise den Ton – großen Respekt dafür!) und singt voller Inbrunst weiter.
Bildergalerie: Bring Me The Horizon
Als bei “Mantra” kurz vor Ende des Songs auf einmal das Licht ausgeht, der Ton weg ist und die Jungs mit den Worten “Oh Fuck” die Bühne verlassen, macht sich Verwirrung breit. Was ist passiert? Ein Stromausfall? Das fehlen panisch umher laufender Techniker und der danach per Videowall angekündigte Reboot lassen darauf schließen, dass es sich hier um ein Showelement handeln muss. Da es hier aber der Beginn der Tour ist und – wie Oli den Anwesenden mitteilt – das erste Konzert in Europa seit längerem, bleibt abzuwarten, was bei den anderen Shows passiert.
Auf Tuchfühlung mit Oli Sykes
Auch wenn es draußen kalt, nass und ungemütlich ist an diesem Donnerstagabend – in der Halle ist es ordentlich warm. So warm, dass die Security den verschwitzten ersten Reihen Wasser reicht und dass Olis weinrotes Hemd zweifarbig erscheint. Als dieser dann zu “Drown”, dem letzten Song des eigentlichen Sets, im Fotograben mit seinen Fans auf Tuchfühlung geht, störte dieser Umstand allerdings niemanden.
Natürlich ist der Abend aber noch nicht vorbei – die lautstarken Zugabe-Rufe werden erhört und so gibt es mit “Obey”, “Sleepwalking” und dem obligatorischen “Throne” nochmal drei Hits auf die Ohren, bevor dann endgültig das große Hallenlicht angeht und die Anwesenden in alle Himmelsrichtung zerstreut.
Ein perfekter Abend ohne offene Wünsche
Ein absolut gelungener Tourauftakt, der Lust auf mehr macht. Man kann kaum sagen, was das Beste an diesem Abend war – die perfekt abgestimmte Video und Lightshow, der glasklare Sound, eine hochmotivierte Band die richtig Bock hatte wieder in der EU unterwegs zu sein oder eine Songauswahl, die sehr wenig Wünsche offen lässt – außer vielleicht, dass die Features mal nicht vom Band kommen, sondern ebenfalls live gesungen werden. Das hätte an diesem Abend aber vermutlich einfach den Rahmen gesprengt, daher reichte Olis vielseitige Stimme, die noch Tage nach dem Konzert nachklingt und einen wie ein Honigkuchenpferd grinsend und an diesen perfekten Abend denken lässt.