Konzerte sind immer was Schönes. Eigentlich; denn zumindest heute schwingt mit Sicherheit auch ein wenig Wehmut mit. Die Post-Hardcore-Band Casey hat vor einiger Zeit beschlossen, die Instrumente an den Nagel zu hängen. Aber so ganz ohne Abschiedstour wollten die Waliser zum Glück doch nicht gehen und so darf man sich heute auf ein grandioses und bestimmt auch ein emotionales letztes Mal mit einer ganz besonderen Band freuen. Als Support haben sich Casey zwei nicht weniger besondere Bands ausgesucht, die kaum besser als Support für den letzten Tanz passen können. Die Rede ist hier von den Post-Hardcore-Bands Gatherers aus den USA und Acres aus England. Beste Voraussetzungen also für eine letzte Achterbahnfahrt der Gefühle.
„Es ist immer noch besser eine Liebe zu Grabe zu tragen, als nie geliebt zu haben.“
D.I.Y. in Reinkultur
Das Konzert ist so gut wie ausverkauft und es gibt nur noch ganz wenige Restkarten an der Abendkasse. Dementsprechend ist bereits zum Einlass ordentlich was vor dem Eingang des Musikzentrums los, damit die Kurzentschlossenen auch noch rechtzeitig an die letzten Tickets kommen. Während viele Besucher noch draußen die letzten Sonnenstrahlen genießen bildet sich vor den Merch-Ständen, besser gesagt vor einem Merch-Stand, ein ziemlicher Massenandrang. Denn Tom, seines Zeichens Frontmann von Casey, lässt es sich auch dieses Mal nicht nehmen, höchstpersönlich das Merch an die Fans zu verkaufen. Das nutzen natürlich viele, um noch ein ein letztes Mal mit ihm zu sprechen oder auch das ein oder andere Foto mit Tom zu schießen, worauf er sich nur zu gerne einlässt. Aber auch die Stände der anderen Künstler werden eifrig besucht, die ebenfalls von Mitgliedern der jeweiligen Band besetzt sind und es wird auch hier fröhlich gefachsimpelt oder einfach nur ein paar nette Worte gewechselt. D.I.Y. in Reinkultur sozusagen.
„Thank you, thank you, thank you!“
Pünktlich um 20 Uhr gibt es direkt eine Premiere, denn Gatherers, die das allererste Mal überhaupt in Europa unterwegs sind, betreten während Ihres Intros „Heaven“ die Bühne. Mit „Tape“ macht die Band um Frontmann Rich Weinberger direkt Druck. Dem Publikum gefällt es und es wird direkt der Pit eröffnet. Man sieht auch hier und da einige Leute, die mitsingen und die Band aus New Jersey ordentlich abfeiern. Es wurde also endlich mal Zeit, dass die Jungs über den großen Teich zu uns kommen.
Für Gatherers ist es ebenfalls eine große Ehre auf der Tour mit dabei sein zu können, da sie dadurch nicht nur das erste Mal in Europa auf Tour gehen können, sondern auch ein ganz spezielle und lieb gewonnene Band, die laut Frontmann Rich „fuckin‘ legends“ sind, mit auf Ihrer letzten Reise begleiten zu dürfen.
Gatherers haben kürzlich Ihre neue Single „Sick, Sad Heart“ veröffentlicht, welche heute zur Freude des Publikums ebenfalls live gespielt wird. Aber auch Songs wie „Lambs To The Chapel“, „God Deluxe“ oder „The Floorboards Are Breathing“ kommen ungemein gut an, sodass Rich sich mehrmals beim bestens aufgelegten Publikum bedankt. Mit „Starve“ beenden die Jungs ein unglaublich energiegeladenes Set und verlassen und lautstarkem Beifall die Bühne. Hoffentlich kommen Gatherers noch öfters zu Besuch, denn das war eine amtliche Nummer.
Bildergalerie: Gatherers
„Hannover! How the fuck are you guys doin‘?“
Nach einer wirklich ziemlich zügigen Umbaupause entern Acres die Bühne und eröffnen ihr Set passend mit dem ruhigeren „Say Goodbye“, nur um danach mit „Medicine“ die Menge ordentlich in Schwung zu bringen, was bestens funktioniert. Im Pit ist ordentlich was los und es wird ausgelassen getanzt und gefeiert. Die Band um Frontmann Ben Lumber freut sich sichtlich bei dieser Tour dabei zu sein, da Acres und Casey schon in der Vergangenheit mehr als einmal die Bühne miteinander geteilt haben und dadurch gute Freunde geworden sind.
Die Jungs bringen im August ihr Debütalbum „Lonely World“ auf den Markt und haben natürlich auch einige Songs aus dem kommenden Album mit im Gepäck, wie z.B. das vor kurzem veröffentlichte „Talking In Your Sleep“ oder den gleichnamigen Titel-Track des Albums, welche begeistert vom Publikum aufgenommen werden.
Mit „In Sickness And Health“ beenden Acres unter lautem Beifall Ihr Set und die Umbau-pause wird genutzt, um noch einmal kurz frische Luft zu schnappen und etwas Kühles zu trinken, denn gleich erwartet uns der traurige letzte Akt.
Bildergalerie: Acres
„Hey, we are a band called Casey“
Nun aber legt sich ein bedrückender und trauriger Schleier über das Publikum, denn jeder weiß, was nach der nächsten Umbaupause passieren wird. Es wird das letzte Mal sein, dass man Casey live sehen wird (außer man fährt noch auf weitere Konzerte der Tour) und man kommt nicht drumherum, doch einen kleinen Kloß im Hals zu haben. Das Bühnenbild trägt ebenfalls zur „Beerdigungs-Stimmung“ bei. Ein großer Banner mit der Aufschrift „In loving memory…Casey“ und viele Blumengestecke an den Mikroständern, auf den Amps und auf dem Schlagzeug erinnern tatsächlich daran, dass heute eher eine Beerdigung als ein Konzert stattfindet.
Unter lautstarkem Applaus betreten dann Casey die Bühne und die emotionale Achterbahnfahrt beginnt gleich mit „Making Weight“. Das Publikum hängt förmlich an den Lippen von Frontmann Tom, während er die Zeilen „You saw it fall apart, You saw the person I was before and after the illness started“ mit geschlossenen Augen singt. Das Publikum gibt sich übrigens extrem textsicher und schmettert die Lyrics ebenfalls aus voller Brust mit und Tom lässt die Menge mit einem Lächeln auf seinem Gesicht einige Textzeilen alleine singen.
Ein letzter Abend mit einer besonderen Band
Mit „Phosphenes“ geht’s anschließend so richtig los und das Publikum lässt sich nicht lange bitten und macht jetzt vor der Bühne ebenfalls ordentlich Bambule. Es wird getanzt, gemosht, mitgesungen und das letzte Mal eine außergewöhnliche Band gefeiert. Sänger Tom ist sichtlich gerührt, dass so viele Leute heute Abend den Weg ins Musikzentrum gefunden haben, um das letzte Mal mit Casey einen besonderen Abend zu verbringen.
Heute gilt das Motto „Everything Goes“ und so haben Casey nicht nur mit „Flourescents“ und „Bruise“ Titel vom letzten Album „Where I Go When I Am Sleeping“ (der instrumentale Titel-Track wurde ebenfalls zum Besten gegeben) mitgebracht, sonder auch mit „Ceremony“, „Darling“ oder „Bloom“ Songs vom Debütalbum „Love Is Not Enough und sogar Songs aus den Anfangszeit der Band wie „Hell“ oder „Teeth“ stehen heute auf der Setlist. Das Publikum saugt förmlich jede einzelne Sekunde mit der Band auf und beschert sich und auch mit Sicherheit der Band schöne Momente, an die man sich noch gern lange zurückerinnern wird. Sänger Tom möchte nicht noch zusätzlich Salz in die Wunde streuen und sagt „We all know why we are here tonight so let’s not talk about it.“ und möchte lieber die Musik sprechen lassen. Auch gelegentliches Nasenbluten oder eine rutschende Hose, weswegen er kurz mal neben die Bühne zum wiederherrichten verschwinden musste, halten Tom nicht davon ab, mit dem Hannoveraner Publikum ein letztes Mal zu feiern.
„We were a band called Casey and it’s time to bury our love“
Mit „Little Bird“ endet wohl eine der emotionalsten Achterbahnfahrten, die man in einem Konzert miterleben durfte. Tom sagte schon zuvor, dass es heute keine Zugaben geben wird und die sind auch nicht notwendig. Es wurde alles gesagt, getan und erlebt, was es heute Abend zu erleben gab und besser hätte der Konzertabschluss nicht sein können. Das ein oder andere traurige Gesicht sieht man zwar bei Verlassen des Musikzentrums aber überwiegend blickt man in glückliche Gesichter, die froh waren, noch ein letztes Mal mit ihrer Lieblingsband gemeinsame Momente erleben zu dürfen. Über eins kann man sich nach diesem Abend sicher sein: Es ist immer noch besser eine Liebe, wie heute, zu Grabe zu tragen, als nie geliebt zu haben. Danke Casey für wunderschöne Gänsehautmomente!