Die Briten in Deaf Havana haben ein neues Album veröffentlicht und das heißt “The Present Is A Foreign Land” und ist am 15. Juli 2022 auf SO Recordings erschienen. Nach dem letzten Long-Player “Rituals” aus dem Jahr 2018 wurde es für viele auch Zeit, dass hier mal etwas Neues kommt. Man kann gleich vorweg sagen: Das Album ist toll geworden.
Es wurde im Studio in Hastings zusammen mit Produzent Mike Horner (Hot Chip) aufgenommen und produziert.
Nachdem die Band sich 2020 beinahe aufgelöst hat, ist es umso schöner, wieder Songs von Sänger & Songwriter James Veck-Gilodi zu hören, jetzt mit neuer Besetzung um ihn und seinen Bruder Matt herum.
Alles auf Anfang?
Eine etwaige Band-Pause, die Deaf Havana inmitten der Pandemie 2020 kurzerhand eingelegt haben, kann viele Veränderungen mit sich ziehen. Die beiden Brüder Matt & James sind geblieben und haben Deaf Havana am Leben gehalten, der Rest der Band ist neu. Nun fragt man sich natürlich, ob das neue Album an altes Material anschließen kann oder ganz was Anderes ist. Das Album beginnt mit “Pocari Sweet”, einem ruhigen Song, der auf alten Zeiten zurück schaut und vieles reflektiert. Auch der zweite Song des Albums “19dreams” denkt an die Teenager-Zeit zurück, die vor allem für James nicht immer leicht war und sich immer wieder durch Alkohol in den Lyrics niederschlägt. Es wirkt, als wäre der Start des Albums ein Rückblick und Abschluss, mit dem was war. Sound-mäßig geht es definitiv gut los und wie man es von Deaf Havana kennt: Treibend nach vorne, dennoch sehr gefühlvoll und geleitet vom Charisma von James´ Stimme. Es ist eigentlich also erstmal alles wie immer.
Immer wieder Herzschmerz
Bei dem Sound, den uns Deaf Havana seit vielen Jahren schenken und durch die Wahnsinss-Stimme, die über die Melodien von Gitarre & Bass gelegt wird, macht sich schnell eine romantische ruhige Stimmung breit. Und dieses Gefühl nimmt die Band auch voll und ganz mit. Im mittleren Teil des Albums wird es zum Teil ziemlich ruhig, wie zum Beispiel in “Trying/Falling”, in dem es um den Kampf mit der Liebe und vermeitlich verlorene Zeit geht. Wohl ein Thema, mit dem wir uns alle irgendwie ein bisschen identifizieren können. Noch deutlicher wird dieses Thema im Song “Nevermind” etwas weiter vorne im Album, der außerdem als Single vorab veröffentlicht wurde. Es geht viel um Selbstwert und immer wieder Herzschmerz. Der Refrain dieses Songs schreibt:
„‚Cause I’ve been on a losin‘ streak
My hearts made of stone and I can’t trust my own damn feet
To show me the right way home
It’s been a hell of a year
I’m strugglin‘ to see what the next one looks like
Without you here, my love, my love“
Natürlich schaffen es Deaf Havana wie gewohnt, die richtigen Töne um diese Lyrics herum zu finden. Es ist genau der richtige Mix aus Ruhe und Melancholie, jedoch auch noch gerade so schnell und laut genug, das es nicht das Genre wechselt oder aus dem Rahmen des Albums oder des Sounds der Band fällt. Wer Deaf Havana schon etwas länger hört, der hat sicherlich ganz gut im Ohr, welcher Sound genau zu der Band gehört.
Auf “Someone/Somewhere” kommt dann auch das erste und einzige Feature der Platte zum Einsatz. Singer-Songwriter IDER aus London sind auf diesem ziemlich poppigen Song zu hören, der im Refrain mehr aus Elektro als Indie Rock besteht. Das ist zunächst vielleicht etwas komisch, tut dem Ganzen aber auch keinen Abbruch. Deaf Havana probieren sich hier und da auf dieser Platte aus und erreichen neue Grenzen wie bei diesem Song.
Neue Sounds zum Abgang
Und diese neue Sounds finden sich auch in anderen Songs wieder, so wie in “Kids”, den man ebenfalls schon vor Release als Single hören könnte. Ein schnelles elektronisches Pattern eröffnet und begleitet den Song, bis er irgendwann von einem Sound-Gewand aus Gitarren und vermutlich anderen Instrumenten abgelöst wird. Und das ist auch gar nicht schlimm, sondern im Gegenteil sehr erfrischend – Deaf Havana beweist, dass sie nicht stehen bleiben und weiter an ihrem Songwriting und Sound arbeiten ohne ihre ursprüngliche Identität dabei zu verlieren. Denn spätestens mit ihrem bislang besten und erfolgreichsten Song der Platte – “Going Clear” – zeigen James & Co. wieder, was sie am besten können: Indie Rock mit epischen Vocals und viel Volumen. Hier behandelt James seine Alkohol-Abhängigkeit und wie diese viele Probleme mit Familie und Freunden mit sich brachte. Wie schon bei den Alben zuvor spürt man auch auf dieser Platte wieder, wie viel Leidenschaft James in seine Vocals und in die Songs steckt und dass es wirklich echt ist, was man hört.
Insgesamt muss man sagen, dass “The Present Is A Foreign Land” etwas ruhiger ist als zum Beispiel “Rituals” von vor vier Jahren. Nach dem, was Deaf Havana durchgemacht haben, können wir jedoch auch alle froh sein, dass die Band überhaupt noch da ist. Es gibt wieder zwölf neue Songs voller Emotionen und Soundgewänden, in denen man am liebsten baden möchte. Es werden ernste Themen behandelt und in wunderschöne Rahmen verpackt. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich das Album in ganzer Länge und in Ruhe anzuhören. Wir freuen uns schon auf die nächsten Live-Shows.