Dritte Wahl und Slime übers Fährmannsfest

Dritte Wahl & Slime
Fotos: Mirja Nicolussi (oben) & Andreas Hornoff (unten)

Dritte Wahl und Slime – zwei Bands, die seit Jahrzehnten Haltung, Lautstärke und klare Kante auf die Bühnen bringen, treffen in diesem Jahr beim Fährmannsfest aufeinander. Für Gunnar Schröder von Dritte Wahl ist das Festival längst vertrautes Terrain. Die Band war schon mehrfach zu Gast und freut sich auf das, was für sie das Fährmannsfest ausmacht: ein starkes Line-up, eine besondere Location – und den Sprung ins Wasser am Nachmittag, der für die Band fast schon Tradition ist. Michael „Elf“ Mayer von Slime dagegen steht in den Startlöchern für eine Premiere: Zum ersten Mal überhaupt wird die Hamburger Punklegende auf dem Festival spielen. Eine persönliche Verbindung gibt es bisher also nicht, aber die Vorfreude ist groß – auch wegen der engen Verbindung zu Dritte Wahl.

„Liebe gute alte Zeit, bleib ein bisschen stehen“ – Dritte Wahl

Früher, im Sinne von 80er und 90er Jahre, war nichts besser sondern schlechter sprich unorganisierter und unprofessioneller. Heute gibt es eigentllich immer,auch auf den kleinen Festivals, eine gute Soundanlage und professionelle Leute hinter der Bühne etc. Elf/Slime

Ein starkes Publikum muss man sich erarbeiten

Beide Bands sind seit Jahrzehnten Teil der Szene, beide haben unzählige Festivals gespielt. Und obwohl sie viel erlebt haben, zeigen sich ihre Perspektiven erstaunlich klar. Gunnar betont, dass sich im Kern wenig verändert hat: „Irgendwie geht es doch immer in erster Linie um das Ambiente und die Bands. Wenn dann noch das Wetter mitspielt sind am Ende alle glücklich!“ Elf ergänzt diesen Gedanken mit einem Rückblick auf frühere Tage. In den 80ern und 90ern sei vieles schlechter gewesen – unorganisierter, unprofessioneller. Heute hingegen könne man sich auch auf kleinen Festivals auf guten Sound, zuverlässige Technik und erfahrene Crews verlassen. Das Publikum ist für beide nicht einfach eine gegebene Größe, sondern etwas, das im Moment entsteht. Gunnar ist überzeugt, dass man sich ein starkes Publikum als Band verdienen muss – wenn die Musiker gut drauf sind und das Drumherum stimmt, entsteht etwas Besonderes. Für Dritte Wahl sei Hannover in dieser Hinsicht fast wie ein zweites Zuhause – so oft wie sie hier schon aufgetreten sind. Elf beschreibt die Verbindung zum Publikum gern mit einem konkreten Song. „Wenn keiner weggeht machen wir was richtig. Ein guter Gradmesser wie wir ankommen ist fast immer unser alter Gassenhauer „Alle Gegen Alle“. Wenn die Leute beim Refrain mitsingen wissen wir, die kennen und mögen uns.“

Slime ist ja von Anfang an genau das immer gewesen, eine Band mit politischem Anspruch, d.h. Mindestens mal antifaschistisch als Basis. Da selbst Schlagersänger wie Roland Kaiser diese Haltung nach aussen tragen,kann man das als Minimum eigentlich von allen erwarten die nicht rechts sind Elf/Slime

Musik + Haltung – Top!

Dass das Fährmannsfest sich seit jeher klar positioniert, ist beiden Bands wichtig – und mehr als nur ein willkommenes Statement. Für beide Bands gehören Musik und Haltung untrennbar zusammen. Für Dritte Wahl ist das ein Selbstverständnis und auch viele andere Festivals, auf denen Dritte Wahl spielen, vertreten diese Kombination aus politischem Anspruch und musikalischer Wucht. Elf bringt es für die Hamburger Kombo auf den Punkt: Slime sei von Anfang an eine politische Band gewesen – mindestens antifaschistisch als Basis. In Zeiten, in denen sogar Schlagersänger wie Roland Kaiser öffentlich Haltung zeigen, sollte das ohnehin das absolute Minimum sein. Konfrontation scheuen weder Slime noch Dritte Wahl. Auf die Frage, ob es Situationen gibt, in denen sie sich gerade wegen des möglichen Gegenwinds besonders motiviert fühlen, antwortet Gunnar knapp und bestimmt: Immer zu. Die Zeiten würden nicht besser, aber aufgeben komme nicht infrage. Elf sieht das ähnlich: „Gerade bei Festivals, wo das Publikum nicht ausschließlich aus eingefleischten Fans besteht, spüre man die Dringlichkeit, weiter laut und unbequem zu bleiben.“

Auch in ihren Texten spiegeln sich diese Haltungen wider – und manchmal auch das Festivalgefühl selbst. Gunnar nennt die Zeile „Liebe gute alte Zeit – bleib ein bisschen stehen…“ als treffenden Ausdruck für die besondere Stimmung, die sich auf dem Fährmannsfest immer wieder einstellt. Elf denkt an einen neuen, noch unveröffentlichten Song: „Bock auf Leben“. Die passende Zeile daraus lautet: „Nicht noch ein Lied vom Tod, wir haben so richtig Bock auf Leben.“

Die AfD, der Rechtsruck, der gesellschaftliche Backlash – es ist für ihn unbegreiflich, dass in Deutschland rund ein Viertel der Wählenden kein Problem damit zu haben scheint, einer faschistischen Partei ihre Stimme zu geben. Elf/Slime

Alles ein Teil des Ganzen

Wenn es um Songs geht, die beim diesjährigen Auftritt auf keinen Fall fehlen dürfen, fällt Gunnar neben dem eben genannten auch „Der Himmel über uns“ ein – eine Ode an den Sommer. Elf dagegen nennt mit „Sie wollen wieder schießen dürfen“ einen Song, der für ihn an Aktualität nichts verloren hat. Die AfD, der Rechtsruck, der gesellschaftliche Backlash – es ist für ihn unbegreiflich, dass in Deutschland rund ein Viertel der Wählenden kein Problem damit zu haben scheint, einer faschistischen Partei ihre Stimme zu geben. Und wenn die beiden Musiker nicht selbst auf der Bühne stünden, wo würde man sie auf dem Gelände finden? Auch darauf gibt es eine erstaunlich ähnliche Antwort. Beide bewegen sich gern – schauen sich um, hängen mal an der Bierbude, mal an der Nachwuchsbühne, mal am antifaschistischen Infostand. Alles ist interessant, alles ein Teil des Ganzen.

Bass, Gitarre, Schlagzeug.

Wenn schließlich nach den drei Geräuschen gefragt wird, mit denen man das Fährmannsfest beschreiben könnte, braucht es keine großen Erklärungen: Bass, Gitarre, Schlagzeug. Punkt und Elf ergänzt trocken: „…let there be ROCK!“