Dropkick Murphys, Pennywise, The Rumjacks und Jesse Ahern live in Hannover

Foto: Maria Graul

Am vergangene Donnerstag sollte es so weit sein. Die Dropkick Murphys holen ihr Konzert in der Swiss Life Hall in Hannover nach, was im Vorjahr noch der Coronapandemie zum Opfer fiel. Und das Konzert ist ausverkauft und das, obwohl mit den The Interrupters die für 2022 vorgesehene Vorband nicht mit dabei ist. Die beliebte Band hatte sicher für zusätzlichen Ansturm auf die Karten vor einem Jahr gesorgt. Doch der Ersatz ist nicht weniger beeindruckend: mit Pennywise, The Rumjacks und Jesse Ahern konnten hochkarätige Supportbands gewonnen werden. Die drei Bands sorgen für gute Stimmung, bevor der Headliner, die Dropkick Murphys, noch einen drauflegen.

[su_quote cite=“Robert“]Was ein Abend. Volles Haus, viel Action und gute Bands. Während Pennywise vielleicht ihre beste Show in Hannover hinlegen, haben auch die Murphys wieder einiges im Gepäck.[/su_quote]

Roots Rock Rebel

Wie beim Konzert 2020 an gleicher Stelle startet die Show mit dem Singer-Songwriter Jesse Ahern. Diesmal allerdings schon um 18:45 Uhr, vor noch einer gerade mal zu einem Viertel gefüllten Halle. Der Musiker wechselt heute Abend zwischen Akustik- und E-Gitarre und nutzt auch oft die Mundharmonika für seine Songs. Im Gepäck hat der Musiker aus Boston, der froh ist wieder in Deutschland touren zu können, sein aktuelles Album „Heartache and Love“.  Auch hier mischt Ahern Folk mit Americana-, Rockabilly- und Rockelementen. Die Show steht unter dem Motto „Roots Rock Rebel“. Das bereits anwesende Publikum geht gut mit und singt hier und da bereits die Sing-A-Long-Parts mit. Zur Songauswahl gehören heute u.a. „The Older I Get“, das The Clash-Cover „Bankrobber“ oder das sehr persönliche Lied über sich selbst „Highway Of Life“, mit dem der Musiker 25 kurzweilige Minuten beschließt. Erneut ein guter Auftritt.

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Gute Zeit mit einem Bier in der Hand

The Rumjacks kommen ursprünglich aus Sydney und sind als Nächstes an der Reihe. Mit ihrem schnellen und gleichzeitig sehr melodischen Irish-Folk-Punk haben sie sich dank unzähliger Konzerte quer über den Globus einen Namen gemacht. Mittlerweile mit neuem Sänger unterwegs, der US-Amerikaner Mike Rivkees ersetzte 2020 Frankie McLaughlin, legt das Sextett in Hannover gleich fulminant los. „Bloodsoaked In Chorus“ folgt direkt auf den Opener „One For The Road“, beide stammen von der aktuellen EP „Brass For Gold“. Für eine Vorband in der Swiss Life Hall haben die Australier einen richtig guten Sound. Als Nächstes ist der Klassiker „A Fistful O‘ Roses“ dran, dann spielt die Band „Bullhead“, „Sainted Millions“, „Through These Iron Sights“ und „Hestia“, allesamt vom gleichnamigen Album „Hestia“.

EP und Album waren die ersten Aufnahmen mit neuen Sänger. Dieser begleitet nahezu alle Songs mit der Thin Whistle und setzt so nicht nur mit seiner Stimme Akzente. Überhaupt können The Rumjacks überzeugen, gewinnen sicher viele neue Hörer:innen hinzu. Dabei hofft Bassist Johnny Mc Kelvey vor allem, dass die Leute eine gute Zeit haben, mit einem Bier in der Hand. Ein Blick ins weitere Rund zeigt, ja, das sollten sie haben. Mit dem grandiosen „Light In My Shadow“ und ihrem Überhit „Irish Pub Song“ beenden The Rumjacks dann ihre Show. Ein bisschen kurz, finden viele und so bleibt die Hoffnung, die Band hoffentlich bald wieder in Hannover sehen zu können.

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Familienfoto mit Mittelfinger

Auf Pennywise haben ganz offensichtlich viele der Besucher gewartet. Denn schon bei den ersten Klängen steigt die Stimmung in der mittlerweile vollen Halle. Die Band hat gute Laune, das merkt man sofort. Für Gitarrist Fletcher heißt Hannover ab sofort sowieso nur noch Hangover, dank der vielen Drinks hinter der Bühne. Los geht es mit „Fight Till You Die“. Der Sound stimmt auch hier. „My Own Country“ und „My Own Way“ folgen, das Publikum dankt es mit einem ersten Circle Pit. Nach drei Songs müssen traditionell die Fotografen den Fotograben verlassen. Das nutzt Sänger Jim Lindberg noch fix für ein Foto, er nimmt einem Fotografen die Kamera ab und fordert das Publikum zu einem Familienfoto auf – mit dem Mittelfinger. Es geht aber auch um ernste Themen bei den Songs von Pennywise, wie z.B. bei „Violence Never Ending“, welches sich mit den immer wiederkehrenden Amokläufen in Amerika beschäftigt – einem leider stets aktuellen Thema. Weitere Songs sind u.a. „“Same Old Story“, „Society“ und das Bad Religion Cover „Do What You Want“. Ein Klasseset bis hierhin.

Jim Lindberg erzählt von den vielen Bands, die Vorbilder für ihn sind oder die aus seinem Heimatort kommen, dann geht es mit „Pennywise“ weiter, denn schließlich sei man ja auch eine tolle Band. Danach wird mit Politik und Behörden abgerechnet, es folgt „Fuck Authority“. Die Stimmung steigt immer weiter. Pennywise haben einen Sahnetag erwischt, vielleicht ist dies hier die beste Show, die sie bislang in Hannover gespielt haben. Und das Set gipfelt noch in der Ben E. King Covernummer „Stand By Me“ und natürlich dem Überhit „Bro Hymn“ – der Kirsche auf der Sahnetorte. Das Lied wurde übrigens vor vielen Jahren für einen verstorbenen Freund geschrieben, wie Jim Lindberg erzählt, und so soll Hannover laut mitsingen, für alle, die bereits von uns gegangen sind. Und das machen die Besucher und feiern so noch einmal eine große Pennywise-Party. Dann ist nach 45 Minuten Schluss. Ganz starker Auftritt!

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Eine große Familie

Dann ist Zeit für die Band, auf die dennoch alle gewartet haben: Die Dropkick Murphys entern pünktlich um 21:30 zu den Introklängen von „Foggy Dew“ in der Sinéad O’Connor & The Chieftains Version die Bühne und schieben gleich „The Lonesome Boatman“ von The Fureys, „The State Of Massachusetts“ und „Mick Jones Nicked My Pudding“ hinterher. Im Hintergrund laufen wieder zahlreiche Videos ab, die teilweise extra für die Songs ausgewählt wurden. Von Beginn an suchen die Mannen um Frontmann Ken Casey den Kontakt zum Publikum, klettern auf die Absperrung und reichen Hände. Die Band wirkt agil, spielfreudig und macht Spaß. Allerdings ist weiterhin Sänger Al Barr nicht mit dabei, dessen doch sehr prägnante Stimme immer wieder fehlt.

Das Set konzentriert sich auf das aktuelle Akustikalbum „This Machine Still Kills Fascists“, nach den Texten von Woodie Guthrie und das Album „Turn Up The Dial“. Zwei Alben, die während der Pandemie entstanden sind und die nach dem letzten Konzert in Hannover vor drei Jahren veröffentlicht wurden. Und so erinnert das Bühnenbild mit beleuchteten Kreuzen und Grabeskerzen auch an das Cover des Akustikalbums. Zu den teilweise akustisch gespielten Liedern, die besser wirken, als befürchtet und gut ankommen, zählen u.a. „Cadillac, Cadillac“, „Two 6’s Upside Down“, „The Last One“ oder „All You Fonies“. Dazu kommen u.a. „Smash Shit Up“, „Middle Finger“ oder „Queen Of Suffolk County“. Ken Casey dankt dem Publikum, man würde in Deutschland immer wieder, wie eine Familie behandelt werden und daher sei es toll, wieder hier zu sein.

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Zeitreise zurück zu alten Klassikern

Neben den zahlreichen neueren Songs dürfen natürlich die Hits nicht fehlen: „The Boys Are Back“, „Johnny, I Hardly Knew Ya“ oder „Barroom Hero“, der erste Song, den die Band jemals geschrieben hat. Hier unterstützt Mike Rivkees von The Rumjacks. Und auch Jesse Ahern hat noch seinen Part und hilft bei „Worker’s Song“ aus. Ein Livedebüt gibt es dann auch noch, denn das Lied „Know How It Feels“ feiert heute seine Premiere. Weiter geht es u.a. mit „God Willing“, „Famous For Nothing“, „Going Out in Style“ oder einem weiteren tollen Klassiker „Skinhead On The MBTA“ – eine Zeitreise zurück zum ersten Album „Do Or Die“. Die Mischung zwischen Klassikern und neuen Liedern stimmt und so entwickelt sich dieses Konzert zunehmend zu einem tollen Abend. Ansagen gibt es tatsächlich recht wenig, dafür nutzt man lieber die Zeit für Musik. Das Ewan MacColl Cover „Dirty Old Town“ und der Lieblingshit der Massen „Shipping Up To Boston“, wie unschwer zu erkennen ist, beschließen dann das reguläre Set. Aber natürlich folgt noch eine Zugabe mit „Rose Tattoo“, „Boys On The Docks“ vom „Do Or Die“-Album und „Kiss Me, I’m Shitfaced“. Hier und heute verzichtet man darauf, Frauen auf die Bühne zu holen und gemeinsam zu diesem Lied zu schunkeln und zu tanzen. Konfettikanonen dürfen nicht fehlen und so endet schließlich zu den Klängen von „My Way“ von Frank Sinatra dieser Abend.

Agil, routiniert und gut

Was ein Abend. Volles Haus, viel Action und gute Bands. Während Pennywise vielleicht ihre beste Show in Hannover hinlegen, haben auch die Murphys wieder einiges im Gepäck. Grundsätzlich bieten die Bostoner erneut eine gute und routinierte Show. Auch wenn die Setlist stark auf die letzten beiden Alben und insbesondere auf das akustische Werk zugeschnitten ist, finden einige alte Klassiker von den ersten Alben den Weg ins Set. Und das macht dann im Endeffekt auch den Unterschied zur 2020er-Show an gleicher Stelle aus. Zudem wirkt die Band agiler, spritziger und spielfreudiger, vielleicht sogar motivierter als damals. Im Gesamtpaket also eine mehr als runde, gute Show. Natürlich fehlen einem bei so vielen Hits und tollen Alben, die die Dropkick Murphys nun mal im Repertoire haben, immer einige Hits, im gesamten passt das heute aber. Einzig fällt das Fehlen von Sänger Al Barr durchaus negativ auf. Die Songs von „Turn Up The Dial“ und „This Machine Still Kill Fascist“ sind ja schon ziemlich auf Ken Casey zugeschnitten. Aber gerade bei den älteren Liedern zeigt sich, dass Barr die bessere Stimme hat. Zudem fehlt seine Bühnenpräsenz. Bleibt zu hoffen, dass der frühere Bruisers-Sänger bald wieder mit von der Partie ist. Dieser Donnerstagabend ist auf jeden Fall gelungen und bietet fast alles, was der Konzertbesucher erhofft und erwartet hat.

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