In politisch fragwürdigen Zeiten kommt ein wenig „Linksversiffte Unkultour“ gerade recht. Gut, dass Egotronic mit ihrem neuem Album „Ihr seid doch auch nicht besser“ im Gepäck wieder in der Stadt sind. Nachdem zuvor der Tourauftakt in Hamburg stattfand, laden die Berliner Elektropunks an diesem Samstag zum gepflegten Abriss ins ausverkaufte Café Glocksee.
„Herr Burkhardt, bitte zurück auf die Bühne!“
Neue Songs mit neuer Besetzung
Bevor Egotronic die Bühne betreten, herrscht im Saal eine unruhige Stimmung. Es ist dunkel, vereinzelt flackert das Stroboskob-Licht und die Musik hat schon vor drei Songs aufgehört zur spielen. Doch dann betreten die Berliner die Bühne und ein Synthie-Inferno bricht über Hannover herein. Darauf hat das Publikum scheinbar nur gewartet: augenblicklich tanzt und springt die Menge und vor der Bühne tobt zu „Scheiße Bleibt Scheiße“ ein Moshpit.
Doch plötzlich herrscht ohrenbetäubende Stille und Sänger Torsun verkündet: „Ihr habt uns die Steckdose rausgetreten“. „Saubere Arbeit“, kommentiert Kilian, der Keyboarder der Elektro-Punk-Band. Wer in dieser unfreiwilligen Pause beobachtet, wie die Band ihre technische Expertise beweist, dem fällt auf: irgendwas ist anders – nämlch die Besetzung. Drummer Roischi und Gitarrist Chrü sind nicht mehr dabei, an ihrer Stelle ergänzen zwei neue Herren das Ensemble. „Wie gefällt Euch unsere neue Show?“, fragt Torsun scherzhaft.
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Bis der Schweiß von der Decke tropft
Dann ist der Strom wieder da und bei „Gewalt“ machen sich die ersten Crowdsurfer auf ihren holprigen Weg durch den Saal. „Das nächste Stück ist nur für Hannover“, kündigt der Frontmann an, bevor die ersten Töne von „Hallo Provinz“ erklingen. Die Hannoveraner nehmen das gelassen und tanzen, singen und pogen einfach weiter. Allmählich macht sich auch die geringe Deckenhöhe des Café Glocksee bemerkbar und die Temperaturen steigen in tropische Höhen. Das kann dem gestandenen Frontmann aber nichts ausmachen: „Ich hatte Sauna-Training, ich schwitze nicht mehr“. Und so geht es schweißtreibend weiter: Mit „Wie Dr. House“, „Die Quintessenz Der Dinge“ und „Was Soll`s“ gelingt ein tanzbarer Mix aus alten und neuen Stücken.
Nicht Rundholz, Kantholz
Nach einer kurzen Verschnaufpause starten die Berliner mit „1 Like Für Euch“ und „Raven Gegen Deutschland“ in den zweiten Teil des Konzertabends. Dass die politisch klare Positionierung gegen Nationalismus der Band nicht nur Fans beschert, ist kein Geheimnis. „Das nächste Lied hat uns einen mega Shitstorm eingebracht. Das Stück heißt nicht ‚Rundholz‘, es heißt ‚Kantholz'“, erzählt Torsun über den Song, der von einem Überfall auf einen AfD-Politiker in Bremen handelt.
Nach dem unbeschwerten „Die Richtige Einstellung“ verschwindet der Sänger kurzerhand in den Backstage-Bereich, um – wie er sagt – ein Glas Wein zu trinken. Ohne ihn kann der Rest der Band nicht weiterspielen, deshalb rufen sie den verloren gegangenen Weintrinker aus: „Herr Burkhardt, bitte zurück auf die Bühne!“
Sagenhafte zwei Stunden Spielzeit
Mit „Die Hauptstadt Der Bewegung“, „Rannte Der Sonne Hinterher“ und einer Wall of Death setzt sich die Setlist nahtlos fort. Den Wechsel in den eigenen Reihen merkt man der Band aber trotz aller Hitzeresistenz an: Der Neue an den Drums setzt bei so vielen Intros falsch ein, dass sogar das Publikum nur noch darüber schmunzeln kann. Nach sagenhaften zwei Stunden Spielzeit und einer knapp 30 Songs starken Setlist ist aber auch für die unermüdlichen Egotronic der Abend ausgetanzt – natürlich nicht ohne den Erfolgshizt „Pilze“ zum Besten zu geben.