„Alles Glänzt“ ist ein Titel, der nicht nur so groß wirkt, sondern vor allen Dingen so groß ist, dass er fast zynisch erscheint. „Was heißt dieses ‚Alles Glänzt‘ denn eigentlich genau für eine Band, wie Feine Sahne Fischfilet, die selten aufpoliert erscheint?“ ist die Frage, mit der ich mich in das Album schmeiße.
Neuausrichtung
Feine Sahne Fischfilet sind zurück und diesmal hat es länger gedauert, als gewöhnlich und das ist ohne Umschweife und nicht mal nur postpandemisch erklärbar. Nach der Bekanntgabe einer selbstgewählten Pause, zog im Hause Fischfilet ein fast telenovelaesker Zustand ein. 3-jährige Viruspandemie, Buchpremiere mit Tour seitens Monchi, bandinterne Trennung von zwei Mitgliedern, Neuausrichtung, schwere Vorwürfe aus den Socials, ein neues Bandmitglied und und und. Ihr merkt, die Liste ist lang und alles andere, als langweilig. Nur mit Glanz, wie er im ersten Moment zu interpretieren ist, hat das gefühlt noch nicht so richtig viel zu tun.
Gebietsmarkierung
12 Songs fasst „Alles Glänzt“ und jeder davon ist ein -vorsicht Spoiler- Hit. Jeder auf seine ganz eigene Art. Aber lasst uns mal genauer dorthin schauen, wo die Musik spielt: Am meisten beeindruckt hat mich „Wenn wir uns sehen“. Der sechste Titel, welcher für den (u.a.) Iuventa Kapitän Driush Beigui geschrieben wurde, bildet das Zentrum des Albums und hat sich mir, wie Kaugummi, in die Magengrube geklebt. Ich habe großen Respekt davor, diesen Song live zu hören und freue mich gleichermaßen tierisch darauf – alles daran ist Gänsehaut pur. Bei „Kiddies im Block“ hört man spätestens bei den Zeilen „Sie suchen das Gift, verfluchen das Gift“ die Kolleg:innen Broilers, während es dann in typische FSF Gang-Whoo-Hoos mündet. „Diese Eine Liebe“ scheint für Produzent Philipp »Philsen« Hoppen der Song zu sein, der für den Hund der Baum wäre – Höre ich da Kraftklub? Hier stimmt die Gebietsmarkierung noch. „Diese eine Liebe“ gehört, herzlichen Glückwunsch, zu den schwächeren Songs. Der ist musikalisch, trotz starker Bläser, relativ „flach“, textlich aber vermutlich dolle emotional und ich wette, das sehen nicht alle, wie ich. Eine der sogenannten „Überhymnen“ des Albums bildet die dritte Vorabveröffentlichung „Wenn’s Morgen Vorbei Ist“. „Scheißegal, wir haben gelebt“ höre ich jetzt schon über die Lippen unzähliger Chöre von Greifswald bis ins Sauerland schallen. Ich will ja nicht orakeln, aber das ist eine klassische und super sichere musikalische Bank!
Die nächsten großen Dinger
Positiv ist übrigens, dass auf „Alles Glänzt“ nicht alles schön und weich poliert wurde und Monchis Stimme, sich mehr als die Stimme zu erkennen gibt, die wir von den Shows kennen. Könnte man als maximal nötig bezeichnen, nach altbekannten Zeilen wie „Ich kann immer noch nicht singen und spiel jetzt bei Rock am Ring“. Muss ja auch nicht immer alles glänzen, wie Bohnerwachs. Die nächsten großen Dinger sind „Angst zu Erfrieren“ und „Tut mir leid“. Im ersten erzählt Monchi von Gruppierungen, von denen der Verfassungsschutz lieber die Finger lässt. Es geht um Morddrohungen aus dem rechten und ultrarechten Lager, um den dazugehörigen Zusammenhalt, ein Dagegen dauerhaft auszuhalten und zu verteidigen und den deutlich sichtbaren Rechtsruck in Meck-Pomm, Deutschland und dem Rest der Welt. „Tut mir leid“ hat gleichermaßen eine sehr nischige Schwere, erzählt jedoch viel mehr davon, das zu tun, wo man so richtig Bock drauf hat. Hauke Segert betoniert mit diesem Song seinen Einstand und eine Zeitwende im Hause Fischfilet.
Luft nach oben
„Alles Glänzt“ hat ganz sicher keinen Heiligenschein und ist am Ende, trotz aller vorherigen Skepsis, ein solides Feine Sahne Fischfilet Album mit dem Finger auf Neustart. Summa summarum möchte ich sagen, dass es der Band guttat, die Handbremse zu ziehen, sich zu erden, miteinander ins Gespräch zu gehen, Veränderung zu akzeptieren und Entscheidungen zuzulassen. Daran wird diese Band, trotz aller Hürden, die nebenher zu meistern sind, wachsen. Und „Alles Glänzt“ wird live so gut funktionieren, dass es keinem der typischen sing-along Klassikern nachstehen wird. Ich spüre jedenfalls, dass wir hier einen Neustart zu hören bekommen, der durch die technische Versiertheit Haukes und die Neustrukturierung der restlichen Band nur ein weiterer Anfang, mit richtig spannender Luft nach oben ist.
