Als Fjørt Ende August das Kunststück vollbrachten, ihre ganzen Platten in vier Konzerten in je zwei Städten (Konzertbericht) zu spielen, war die Fangemeinde im Vorfeld doch ein wenig angespannt. War es das jetzt mit Fjørt? Sind das ihre letzten Konzerte? Glücklicherweise nicht, denn als der Vorhang nach „Karat“ – dem letzten Lied des 2017er-Albums „Couleur“ – in sowohl Köln als auch Hamburg fiel und nach fast einer Ewigkeit Stille danach, leuchtete auf einmal der Schriftzug „nichts hat mehr bestand“ auf der Bühne auf, direkt gefolgt vom neuen Song „lod“, „Bonheur“ und zum Abschluss „fernost“. Erleichterung machte sich bei den Konzertbesuchern breit. Fjørt machen weiter. Fast drei Monate nach diesem monumentalen Konzertritt erblickt nun das neue Album „nichts“ das Licht der Welt.
Der dickste Klangteppich der Welt
Mit dem namensgebenden Titel zum neuen Album beginnt das Album, erst ruhig, dann immer weiter aufbauend und von Chris Hells Stimme getragen. Ein Song über den Druck von außen, immer zu funktionieren, obwohl es einem selber psychisch überhaupt nicht gut geht und man daran zu Grunde zu gehen droht. Ein Wahnsinns-Opener, bei dem man sich schon wieder fragt, wie eine dreiköpfige Band solch unglaublich dicke Klangteppiche herbeizaubern kann. Sicherlich kann im Studio auch ein wenig nachgeholfen werden, aber wer Fjørt schon einmal live gesehen hat weiß, dass diese massiven Klangwände auch live durch die Clubs und Hallen der Welt ziehen.
Aber auch der Opener zeigt, dass die Band sich trotzdem traut, ein Stück weit neue Ufer zu besuchen. Es wird tatsächlich – und das nicht nur im Opener – immer mal wieder gesungen. Das passt unheimlich gut ins Gesamtbild und pusht die Songs noch einmal genau an der richtigen Stelle. Man nehme die Gesangsstelle in Song „sfspc“ nur als Beispiel. Ganz reduziert nur ein paar Gitarrenakkorde und schon fast zerbrechlich werden Zeilen: „hab alles getan was ich weiß, alles getan was ich weiß, zu wissen es geht, das reicht…“, gesungen, nur um dann wieder mächtig durchzustarten.
Düster und unheilvoll
Aber auch schon fast rap-artige spoken-word Einlagen gibt es auf dem neuen Album zu entdecken. Beispielsweise im Song „kolt“ – einem Song, in dem sich Sänger und Bassist David Frings selbst geißelt, viel zu wenig gegen die Missstände der Welt zu tun, weil es gemütlich hier bei uns ist. Wie Colt-Salven folgt eine Zeile nach der anderen in der Strophe.
Textlich wird hier im Weiteren noch viele unangenehme Themen angesprochen, wie zum Beispiel das kollektiv-kaputte Verständnis vom Konsum im Song „lakk“, der Wunsch des Ausbrechens in „fernost“ oder „Bonheur“, welches von der Suche nach dem undefinierten Etwas erzählt, in der Hoffnung, dass dann alles besser wird.
Die Texte lassen es schon erahnen, aber was Fjørt uns hier musikalisch präsentiert, ist düster und unheilvoll. Viele Songs sind zum Teil härter geraten als alles, was Fjørt davor geschrieben haben. Dunkle und brachiale Klangwände gepaart mit einem unbarmherzigen Schlagzeug-Gewitter von Drummer Frank Schophaus machen keine Gefangenen. Dafür ist auch die Lage, in der wir uns befinden, alles andere als schön und passt genau ins Bild.
Ein fantastisches Erlebnis
Mit „lod“, welches ungebremst in schon fast Death-Metal-artiger über einen hinwegwalzt, endet ein rund 50-minütiges Erlebnis, was so schnell nicht vergessen wird. Fjørt haben es geschafft, ihrem Stil eine neue Note zu geben und packen die Hörer:innen von der ersten bis zur letzten Sekunde. „nichts“ ist ein fantastisches Erlebnis – sei es durch die Texte, die Musik oder auch das jeweilige Artwork zu den Songs im Booklet, welche auf wenige Zentimeter Draht reduziert sind. Fjørt beweisen erneut, dass sie in einer eigenen Liga spielen und zu einer der wichtigsten deutschsprachigen Bands unserer Zeit gehören.
Fjørt gehen im kommenden Winter auf „nichts hat mehr bestand“ Tour. Wir freuen uns sehr, Euch die Tour zu präsentieren. Alle Tourdates findet Ihr weiter unten.
Video: Fjørt – fernost
Tourdates: FJØRT 2022
18.01. Rostock, Peter Weiss Haus
19.01. Leipzig, Werk 2 Halle D
20.01. Münster, Sputnik Halle
21.01. Bremen Schlachthof
26.01. Essen, Zeche Carl
27.01. Hannover, Musikzentrum
28.01. Stuttgart, Im Wizemann (Halle)
29.01. München, Ampere
30.01. Wien, Arena Halle
31.01. Erlangen, E-Werk
01.02. Dresden, Beatpol
02.02. Berlin, Metropol
03.02. Hamburg, Fabrik
04.02. Wiesbaden, Schlachthof
05.02. Köln, Gloria