Wo nimmt jemand wie Gregor Barnett nur seine Kreativität her? Der Co-Frontmann und Sänger von The Menzingers aus Philadelphia bring mit “Don’t Go Throwing Roses In My Grave” sein erstes Solo-Album an den Start, welches Fans seiner (Haupt-)Band genauso gut gefallen wird, wie Anhänger:innen von Americana-Acts vom Schlage Dave Hause, Brian Fallon, Bruce Springsteen oder Tom Waits.
Ein Solo-Album reduziert auf’s Storytelling
Aber von Anfang an: Als The Menzingers im Jahre 2020 eine “stripped down”-Version ihres Full-Band Albums “Hello Exile” mit dem passenden Namen “From Exile” veröffentlicht haben, konnte das Quartett aus Philly schon unter Beweis stellen, dass sie auch ohne aufgedrehte Gitarren und treibende Drums mehr als gut funktionieren. In der Folge sah man Barnett auf dem band-eigenen Patreon-Account immer wieder bei intimen, akustischen Versionen beliebter Menzingers-Klassiker und hat gemerkt, wie wohl er sich in diesem Terrain fühlt. Ein eigenes Solo-Album, reduziert auf wenige Instrumente, Intimität und fokussiert auf seine großartigen Fähigkeiten als Storyteller ist an der Stelle also nur folgerichtig.
Zu verwundbar und persönlich für die Menzingers
Barnett gesteht, dass er sich während der vergangenen fast 24 Monate in einer ungewohnten Situation befunden hat. “It was this perfect storm,” sagt er. “The band couldn’t tour, I was going through a really difficult time, and I was stuck at home watching my family struggle with illness and death and hardship. The only thing I could do was write my way through it.” – So entstanden die ersten Songs für “Don’t Go Throwing Roses In My Grave”, die doch ein wenig zu verwundbar und zu persönlich für ein weiteres Menzingers-Album waren. Sie gingen um ihn, seine Ängste, Gedanken, Sorgen und Gefühle, die sich Stück für Stück zu einer Geschichte formten und einerseits eine Art Katharsis, aber andererseits auch eine Dokumentation dieser Phase seines eigenen Leben darstellen.
Frei von jeglichen Konventionen oder Erwartungen
Schon der Opener “Oh Lord, What Do You Know?” zeigt, wohin die Reise des Albums geht. Barnett schlägt schon fast gospelartige Töne mit Chören und Orgel im Hintergrund an, nur um sich dann im nächsten Song wieder in bekanntes Terrain zu begeben – “Driving Through The Night” könnte 1:1 so auf einem Menzingers-Album landen und ist dabei neben “Anthem for the One I Love” aber auch der einzige Song, dem man genau das nachsagen könnte. Auch die beiden Single-Auskopplungen beweisen, mit welch einer Bandbreite wir es auf “Don’t Go Throwing Roses In My Grave” zu tun haben – die gleichnamige, erste Single wartet mit Country-Rhythmus und Mundharmonika auf, während die zweite Single “The First Dead Body I Ever Saw” straight aus einem Italo-Western entlehnt sein könnte. Das zieht sich durch die gesamten zehn Songs – Greg Barnett zeigt sein komplettes Repertoire, musikalisch, gesanglich und textlich. Er macht sich frei von jeglichen Konventionen oder Erwartungen, was “Don’t Go Throwing Roses In My Grave” zu einem so spannenden Album und nicht nur eine weitere unnötige Veröffentlichung eines gelangweilten Frontmanns macht. Hier steckt die Liebe im Detail und gibt sich oft erst beim dritten oder vierten Durchgang zu erkennen.
Ein Mix aus Melancholie und Empathie
Für die Produktion zeigt sich sein langjähriger Freund Will Yip verantwortlich, der sowohl an den letzten The Menzingers Alben, als auch für Bands wie Turnover, Title Fight, Turnstile und Tigers Jaw gearbeitet hat. Yip, der sich auch verantwortlich für die Drums auf “Don’t Go Throwing Roses In My Grave” zeigt, wird durch Barnetts Bandkollegen Erik Keen am Bass und Drummer Joe Godino an den Percussions unterstützt. Sein Co-Frontmann Tom May hat das Foto für das Album-Cover geschossen – so bleibt alles in der (erweiterten) Menzingers-Familie und zeigt, wie sehr seine engsten Freunde Gregor Barnett bei seinem Solo-Vorhaben unterstützen.
“Don’t Go Throwing Roses In My Grave” wird sich mit seinem Mix aus Melancholie, Empathie und großartigem Storytelling sicher zu einem der Top-Alben des Genres im Verlaufe des noch jungen Jahres mausern. Da fehlt eigentlich nur noch die passende EU-Tour, um sich gemeinsam mit den besten Freund:innen weinend in den Armen zu liegen.