Mit der Pandemie ist es ja ein bisschen, wie mit der Euro-Umstellung: Man wird vermutlich in Jahren noch „umrechnen“, wie das im Lockdown so war. „Letztes Jahr zu dieser Zeit…“, stellt ein Besucher der Jared Hart Show im Innenhof des Béi Chéz Heinz fest und während der Rest des Gespräches im Geschehen dieses Spätsommerabends verstummt ist klar, dass wir uns vor gut 24 Monaten eiligen Fußes auf einen unendlich lang scheinenden Lockdown bewegten und unsere Kulturlandschaft in einem Moloch zwischen digitalem Overkill und Mute verharren musste. Somit haben sich alle hier zusammenkommenden Leben wohl an den unterschiedlichsten Stellen verändert, bilden aber gleichermaßen den durch und durch lebendigen Beweis dafür, dass Livekultur zu den unverzichtbaren Grundpfeilern dieser Gesellschaft gehört.
Aufs Leben, die Geselligkeit und Musik
Nachdem das Team hinter der Show um Jared Hart zwei zusätzliche Bierzeltgarnituren hygienekonzeptkonform im Innenhof platziert hat, sind Gesichter voller Freude, Gläser, die distanzlos dem Leben, der Geselligkeit und der Musik zuprosten und Menschen, die sich – 3G sei Dank – in den Arm fallen, zu beobachten. Schön, dass wir das wieder haben dürfen und schön, dass so viele zusammenkommen.
Auch Jared Hart, der Protagonist des Abends, freut sich merklich. Er berichtet, wie paradox es ist, wieder auf Tour zu sein. Doch er scheint gelöst. Simmstark präsentiert er seine Songs und scherzt mit dem Publikum. Er ist voller Dank: Für die Möglichkeit, die so lang nicht möglich schien, für alles, was Hage und Spider Promotion für ihn leisten und für die Menschen, denen er seine Songs spielen darf.
Freudiges Gekicher eines heiteren Junggesellinnenabschieds lässt Hart aufhorchen und – während er feststellen muss, dass er eigentlich nur traurige Lieder dabei hat – breit grinsen. Er ist fast ein bisschen von den heiteren Frauen gefesselt und weist darauf hin, dass man Ihn ab jetzt auch für Hochzeiten buchen kann. Die Dynamik des Publikums gefällt ihm spürbar. Auch für Hage, der ihn nach dem heutigen Auftritt in diesem „riesigen fremden Land auf sich allein gestellt zurücklassen wird“ hat er nicht nur starke freundschaftliche Worte im Gepäck, sondern auch den Song „The Runaround“.
Eine Herzenssache
Der Hof des Béi Chéz Heinz ist eine alte Bekannte und eines der schönsten Wohnzimmer dieser Stadt. Wenig reizüberflutet und angenehm angeranzt ist es ein Ort der Begegnung. Bunte Lichterketten funkeln über den Köpfen der Zuhörenden und bestärken die heimelige Stimmung. Die Stimme des Musikers aus New Jersey ist überragend und lässt ab und an diese angenehme Gänsehaut zu, die die meisten von uns für so eine lange Zeit vermissen mussten. Das Publikum folgt gespannt und aufmerksam seinen Strophen und genießt einen perfekten Abend.
Gespielt werden all diese Songs, die einem das Herz so unfassbar warm werden lassen. Bei „Basements“, The Leo“ oder „Lucky 7’s“ beispielsweise, den zeitlosen Hits des Musikers, kann man die endorphingeschwängerte Stille fast in die Hand nehmen, während bei den Hits der anderen Hart-Projekte, Mercy Union oder der Scandals, nahezu jedem und jeder der Mitwipp-Reflex durch die Extremitäten zuckt.
Nach der Show wird neben der Bühne fleißig Merch gekauft. Es wird lauthals erzählt und gelacht und die letzten Wraps und Brownies des Kater Menüs werden genascht. Es ist einer dieser Abende, der nicht viel mehr, als das Herz und die Musik am richtigen Fleck benötigt, um Geschichte zu schreiben, ohne davon bewusst etwas mitzubekommen.
Bildergalerie: Jared Hart