John K. Samson – Winter Wheat

Als der Schlagzeuger Jason Tait im Sommer 2015 überraschend das Ende der WEAKERTHANS per Tweet bekannt gab, brach für den ein oder anderen Fan der Indie-Rock Veteranen eine kleine Welt zusammen. Dass die Band nicht zu den Aktivsten gehörte, wurde schon akzeptiert, aber so ganz wollte man den Gedanken nicht wahrhaben, in Zukunft komplett auf die Band aus Winnipeg verzichten zu müssen.

Wie sich ein Jahr später herausgestellt hatte, muss zumindest nicht ganz auf die Musik aus dem Hause JOHN K. SAMSON verzichtet werden: Selbiger hatte im August seine zweite Solo-Platte „Winter Wheat“ angekündigt. Unterstützung holte er sich darauf auch von den Ex-Bandkollegen Greg Smith und Jason Tait. Die großen Erwartungen an dieses Album sind folglich nicht zu leugnen.

Die Platte startet mit einem sehr ruhigen und nicht weniger stimmungsvollen „Select All Delete“, welches sich mit der Zeit vor und nach Erfindung des Internets auseinandersetzt und dabei die gegenwärtige Generation im Fokus sieht, die beide Zeiten miterlebt hat. Ein Opener, der etwas Zeit braucht, aber danach seine wahre Brillanz entfaltet. Mit „Postdoc Blues“ – der vor Albumveröffentlichung als erster Song vorgestellt wurde – geht es mit etwas mehr Tempo weiter. Aufgebaut um eine extrem eingängige Gitarrenlinie, zählt dieser Song sicherlich zu den Highlights auf der Platte.

Der Titeltrack „Winter Wheat“ erinnert vom Gitarren-Picking und der transportierten Stimmung stark an Klassiker wie „One Great City!“ der WEAKERTHANS oder „Heart of the Continent“ von der letzten Solo-Platte und muss sich keineswegs vor diesen verstecken. Hier droht ein weiterer Live-Hit seinen Weg in die Setlist zu finden.

Textlich spielt JOHN K. SAMSON auf dieser Platte mal wieder in seiner ganz eigenen Liga. Ob im Titeltrack („Woke up in a parking lot, air mattresses gone flat. the sun selecting targets for the shadows to attack“) oder im Song „Capital“ („So when they wonder where the money went / And we can’t swim here anymore / And bankers warble algorithmically from the shore / The stations pump the new austerity“): Hier sitzt einfach jede Zeile und es macht Spaß, den Bildern, die beim Hörer entstehen, zu folgen.

„Oldest Oak At Brookside“ kommt gegen Ende mit einem der schönsten Arrangements dieses Albums daher und man möchte nach einem Durchlauf direkt wieder auf „Repeat“ drücken. Auch „Fellow Traveller“, welches bereits auf der letzten Europa Tour zu hören war, hebt die ansonsten eher melancholische Stimmung um ein Zehnfaches und zaubert direkt ein Grinsen ins Gesicht.

Stilistisch erfindet sich JOHN K. SAMSON hier sicherlich nicht neu. Alle Songs hätten auch auf ein anderes Release gepasst. Dennoch wirken alle Songs sehr frisch und voller Spielfreude. Bis auf den Spoken-Word Song „Quiz Night At Looky Lou’s“, der bei mir leider auch nach wiederholtem Durchlauf nicht ankommt, sind auf der Platte absolut keine Ausfälle zu vermerken. Wenn die letzten Töne von „Virtute At Rest“ (in welchem im Übrigen – wie bei den zwei WEAKERTHANS Vorgängersongs – wieder aus der Sicht einer Katze gesungen wird) erklungen sind, steht fest, dass der sympathische Kanadier hier wieder ganze Arbeit geleistet hat. Wer sich die Zeit nimmt und die Platte bewusst hört, findet hier seinen Soundtrack für die dunkleren Jahreszeiten. In diesem Sinne: „Find me in the winter wheat“.

von Micha