Ende März übernahm sich Trump damit, dass er zu Ostern „volle Kirchen“ sehen möchte und kehrte vor Tagen mit der ähnlich aussagekräftigen Idee „Wir können das nicht so weitergehen lassen“ zum Thema Restriktionen zurück. In Deutschland geht die erste Phase des Lockdowns zu Ende und man spürt förmlich, wie sich Nervosität, aber auch Alltag in der Bevölkerung breit macht.
Laut der Einschätzung des Gesundheitsexperten Ezekiel „Zeke“ Emanuel, der an der University of Pennsylvania das Healthcare Transformation Institute leitet und als wesentlicher Organisator der als „Obamacare“ bezeichneten Reform des US-Gesundheitswesens gilt, sieht es kritisch für den Veranstaltungsbereich aus.
Die Round-Table-Diskussion
Gemeinsam mit Kollegen legt er zwar einen Plan vor, der – angepasst auf die USA – nach erfolgreicher Umsetzung der aktuell empfohlenen Bemühungen eine allmähliche Lockerung der geltenden Beschränkungen ab Juni vorsieht, betont aber auch immer wieder, dass die dazu nötigen Maßnahmen noch nicht vollends und in allen Bundesstaaten umgesetzt werden und er demzufolge wenig optimistisch sei.
Über Kompromisse zwischen verschiedenen Schäden und Vorteilen, die man eingehen müsse, wenn die notwendigen Schritte nicht unternommen würden, diskutieren Rev. Dr. William J. Barber II (protestantischer Minister und politischer Aktivist), Anne Case (Professorin für Wirtschaft und öffentliche Angelegenheiten an der Universität Princeton), Zeke Emanuel, Vanita Gupta (Präsidentin und Geschäftsführerin der Leadership Conference on Civil and Human Rights und ehemalige Leiterin der Civil Rights Division des US-Justizministeriums), Peter Singer (Bioethik-Professor in Princeton) und die Moderatorin Emily Bazelon im Zuge einer Round-Table-Diskussion für das The New York Times Magazine.
Die Letzten, die zurückkehren
Auf die Frage, ob es bedeuten würde, dass man schauen muss, welche Arbeitsplätze Social Distanzing zulassen würden, wenn die Wirtschaft nicht auf einmal wieder in Gang gebracht werden würde, antwortete Emanuel nicht nur, dass die Wiederankurbelung nur in Etappen passieren kann, sondern auch:
„Größere Versammlungen, Konferenzen, Konzerte, Sportveranstaltungen – wenn jemand sagt, dass er diese Veranstaltung auf Oktober 2020 verschieben will, habe ich keine Ahnung, wie er das für eine plausible Möglichkeit hält. Ich denke, die Veranstaltungen werden die Letzten sein, die zurückkehren. Realistisch betrachtet sprechen wir hier von frühestens Herbst 2021.“
Und Peter Singer reagiert mit dem berechtigten Hinweis:
„Wenn wir über die Dauer von einem Jahr bis 18 Monaten dieser Art von Lockdown nachdenken, dann müssen wir auch über die Konsequenzen nachdenken und nicht nur über die Todesfälle durch Covid-19.
Er führt fort: „Ich denke, die Folgen sind schrecklich, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit, die nachweislich sehr schwerwiegende Auswirkungen auf das Wohlergehen, insbesondere für ärmere Menschen hat. Werden wir wirklich in der Lage sein, ein Hilfspaket für all diese Menschen über 18 Monate fortzusetzen?“ Diese Ansätze sind sicherlich geteilt zu betrachten. Einerseits verhält sich die Ausbreitung der Pandemie von Land zu Land sehr unterschiedlich und andererseits gehen die verschiedenen Nationen mit sehr differenten Voraussetzungen und Entwicklungen in die nächsten Wochen.
Am Ende der Diskussion fasst Rev. Dr. William J. Barber II all die moralischen und gesellschaftlichen Werte zusammen, die hier in Deutschland vielleicht andere Ansätze und Grundlagen verlangen und haben, aber keinesfalls außer Acht gelassen werden dürfen:
„Diese Pandemie sagt uns, dass die alte Normalität eine Verschwendung wäre, dass sie all die Menschen entehren würde, die gestorben sind und die Opfer gebracht haben, um Leben zu retten.“
„Wir waren eine schwer zu verändernde Nation. Dieser Moment verbindet die Angst vor dem Sterben, er verbindet die Angst vor dem Verlust unseres Geldes und er verbindet die Angst vor dem Verlust unserer Gemeinschaft. Und diese Ängste, die lange genug gelitten haben, haben vielleicht gerade die Wirkung eines Antikörpers, der in diesem Land, in dem wir alle zusammenkommen, eine moralische Wiederbelebung bewirken wird.
Ich hege die seltsame Hoffnung, dass aus all diesem Schmerz ein neuer Kontext entsteht, in dem Amerika mit all seinen Spaltungen, mit all seiner Vergangenheit eine Entscheidung darüber treffen wird, wie wir einen Neuanfang machen können, der nicht nur die Normalität akzeptiert. Diese Pandemie sagt uns, dass die alte Normalität eine Verschwendung wäre, dass sie all die Menschen entehren würde, die gestorben sind und die Opfer gebracht haben, um Leben zu retten.“