Schlagzeuger Kye Smith spielte bereits mit Bands wie NOFX und Frenzal Rhomb live, arbeitete mit Joey Cape von Lagwagon zusammen, die Foo Fighters teilten via Social Media seine 5-Minuten-Chronologie von Nirvana und just schwang er im Quarantäne-Video von Goldfinger zu „A Million Miles“ die Drumsticks – ein Traum für alle Punkrock-Fans! In einem Gespräch nahm sich Kye die Zeit, mit uns über seine Anfänge und Einflüsse, die Ideen und die Umsetzung seiner Videos und über die Punkrockszene – vor allem in der aktuellen Corona-Krise – in Australien und weltweit zu sprechen.
„Ich hätte besonders als 15-Jähriger damals nie gedacht, dass ich eines Tages mit all meinen Lieblingsbands zusammenarbeiten könnte“
Du hast 2002 angefangen, Schlagzeug zu spielen. Wie hast Du Deine Leidenschaft dafür entdeckt?
Ich war immer irgendwie daran interessiert, habe es aber nie ausprobiert. Es war mein erster Tag an der Highschool und wir hatten Musikunterricht. Als ich den Unterrichtsraum betrat, stand in der Ecke ein Schlagzeug und bei jeder Gelegenheit ging ich hin, um etwas zu spielen. Dann habe ich angefangen Unterricht zu nehmen, habe in dem Jahr mein erstes Kit bekommen und tobte mich von da an aus.
Und wann hattest Du die ersten Berührungspunkte mit Punkrock?
Ich glaube es war etwa zur selben Zeit, etwa mit zwölf, als ich mit der Highschool gestartet habe, vielleicht ein wenig früher. Zum ersten Mal kam ich bewusst damit in Berührung, als ich Green Day in einer Musik-TV-Show sah, ich glaube sie hieß Video Hits und lief sonntagmorgens. Es war zu der Zeit, als „Warning“ veröffentlicht wurde und es lief das Video zu „Minority“ im Fernsehen. Ich habe mich damals sehr für Cartoons interessiert und in dem Video sieht man die Band als cartoonähnliche Ballons. Das hat meine Aufmerksamkeit erregt. Und natürlich auch die Musik selbst – so etwas hatte ich bisher noch nicht gehört und das hat mich einfach gefesselt. Ich wurde Fan von Green Day und schließlich auch von bekannteren Bands des Genres wie Blink-182 und The Offspring. Von da an beschäftigte ich mich mit der Musik, entdeckte die ganzen Fat Wreck Chords-Releases und die lokale Band Frenzal Rhomb. Das waren die Bands, mit denen alles begann, also die Bands, zu denen man einfach Zugang bekam. Daraus hat sich dann mehr entwickelt.
Video: Kye Smith – Green Day (5 Minute Drum Chronology)
Gibt es denn Schlagzeuger, die einen ganz besonderen Einfluss auf Dich haben?
Ja, absolut. Natürlich Tré Cool von Green Day, da es eine der ersten Band war, die ich gehört habe und ich Green Day sehr viel zu der Zeit gehört habe, zu der ich angefangen habe Schlagzeug zu spielen. Ich würde sagen, dass ich seinen Stil in den ersten Jahren etwas imitiert habe. Andere Schlagzeuger, die ich wirklich gerne mag, sind Dave Raun von Lagwagon, Derrick – er hat mal bei Lagwagon und Bad Astronaut gespielt, Gordy von Frenzal Rhomb und auch Travis Barker. Ich mag Schlagzeuger, die sich manchmal etwas aus der Komfortzone hinausbewegen, etwas mehr machen, als den Standard und kreativ sind.
„Fehler passieren immer“
Wie bist Du denn auf die Idee gekommen, Videos zu machen? Vor allem die 5-Minuten-Chronologien?
Ich habe zu der Zeit an der Medien-Universität studiert, das war um 2012. Ich wollte immer zwei Dinge machen: Das erste, was ich immer wollte, war es, beruflich Schlagzeuger zu sein und das andere war, Videos zu produzieren, mit Medien und Tontechnik zu arbeiten, also startete ich das Studium und damit, in meiner ersten Band zu spielen. Wir nahmen unser erstes Album auf, ich habe das Schlagzeug eingespielt und der ganze Aufnahmeprozess hat ziemlich lange gedauert und so habe ich mich nach etwas anderem umgeschaut, was ich tun konnte. Ich lieh ein paar Kameras aus der Uni, habe versucht, meine zwei Leidenschaften zusammen zu bringen und damit begonnen, Drum-Cover auf YouTube zu veröffentlichen. Von da an wollte ich das Ganze etwas ausbauen und nicht einfach nur einen Song covern. Da kam mir die Idee mit den Drum-Medleys, also verschiedene Songs auseinander zu schneiden, zusammenzufügen und in einem Durchgang zu spielen. So entstanden die 5-Minuten-Chronologie. Darauf habe ich ein gutes Feedback bekommen und deswegen weitergemacht.
Wie lange brauchst Du, um die Videos vorzubereiten und fertig zu bekommen? Sobald Du Dich verspielst, musst Du doch komplett von vorne anfangen, oder?
Ja, es dauert lange. Die Vorbereitungen dauern ewig. Ich muss mich hinsetzen, die Musik zusammenschneiden und entscheiden, welche Teile passen. Manchmal dauert es sehr lange, den Backingtrack zu erstellen, dann muss ich das Ganze üben und manchmal dauert es, bis ich die ganzen Übergänge drin habe. Ab und zu passen einige Teile nicht und ich muss sie noch mal austauschen. Das kann zeitaufwendig sein. Dann muss ich alles aufnehmen und auch das kann dauern, denn wie Du sagtest: Wenn ich mich verspiele braucht es mehrere Anläufe. Aber da ich glücklicherweise den Medien-Background habe und alles mit verschiedenen Kameras aufnehme, muss nicht alles immer komplett perfekt sein. Durch die verschiedenen Perspektiven kann ich die beste wählen… Aber Du hast recht, es dauert ziemlich lange. Ich arbeite aktuell an einem neuen Video, das ich hoffentlich nächste Woche herausbringen kann, mit dem ich mich bereits 26 Tage beschäftige. Ich arbeite daran schon ewig im Hintergrund und ich hoffe, dass ich es bald veröffentlichen kann.
Das glaube ich. Als ich die Videos sah, dachte ich die ganze Zeit: Man, er muss so wütend sein, wenn er sich zum Ende hin verspielt und alles neu machen muss.
(lacht) Ja, manchmal ist es etwas frustrierend. Ich versuche viel zu üben, sodass ich mich sicher fühle, wenn die Aufnahmen anstehen. Aber Fehler passieren immer.
Video: Kye Smith – Nirvana (5 Minute Drum Chronology)
„Alle meine bisherigen Erfahrungen waren sehr positiv“
Na klar. Gab es denn ein Video, das besonders herausfordernd war?
Ich versuche ja immer zu mixen und neben Punkbands auch Mainstreambands wie Foo Fighters und Nirvana abzudecken, die zwar auch in die Richtung gehen, aber etwas schwieriger sind, da sie anders sind, als die Punksachen und ich mich dadurch etwas aus meiner Komfortzone bewege. Normalerweise spiele ich eher schnellen Punkrock. Dann etwas wie The Beatles oder Red Hot Chili Peppers zu machen, ist ein ganz anderes Gefühl. Und das richtig zu machen, ist manchmal schwieriger, als sehr schnelle Sachen zu spielen. Das Video an dem ich gerade arbeite – ich möchte noch nicht verraten, welches es ist, da es wie gesagt nächste Woche oder so veröffentlicht wird – ist wahrscheinlich das bisher schwierigste.
Ich bin gespannt! Du hast bereits mit Bands wie NOFX und Frenzal Rhomb live gespielt, Du warst gerade erst Teil des Quarantäne-Videos von Goldfinger zu „A Million Miles“ und hast auch schon mit Joey Cape von Lagwagon zusammengearbeitet. Für Punkrockfans ein echter Traum, der wahr wird. Wie kommt es zu diesen Kooperationen?
Es ist auf jeden Fall ein Traum, der wahr wird. Ich hätte besonders als 15-Jähriger damals nie gedacht, dass ich eines Tages mit all meinen Lieblingsbands zusammenarbeiten könnte. Das ergab sich ganz unterschiedlich. Ich spielte damals mit meiner Band Local Resident Failure im Vorprogramm von NOFX, haben ein paar Shows gemeinsam gespielt und es hat sich ganz spontan so ergeben, dass ich mitspielte. Bei Frenzal Rhomb war es so, dass sich Gordy seinen Arm brach und sie jemanden brauchten, der einspringen konnte. Ich habe einige Zeit zuvor die Frenzal Rhomb-Chronologie veröffentlicht und dadurch gezeigt, dass ich eine Idee von den Songs habe und dann hat mich die Band angesprochen. Und Dinge wie mit Joey ergaben sich, da ich meine Leidenschaft, mit meinen Lieblingsbands zusammenzuarbeiten, in eine neue Videoserie bringen wollte – natürlich sofern sie auch daran interessiert sind – und schreibe sie dann per Mail an. Manchmal machen sie mit, manchmal nicht, was auch total okay ist. Die Zusammenarbeit mit Joey war super – ich meine: Lagwagon! Eine meiner absoluten Lieblingsbands. Das macht Spaß und alle meine bisherigen Erfahrungen waren sehr positiv, alle sind sehr herzlich und es ist eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Video: Kye Smith – Mates Series
„Es war toll, Teil eines Projekts zu sein, das versucht, positiv zu sein und etwas Neues in diesen Zeiten zu starten“
Gab es denn eine Zusammenarbeit, die für Dich besonders aufregend war, abgesehen von Joey?
Aufregend sind sie für mich alle. Was wirklich noch mal sehr aufregend für mich war, war die Zusammenarbeit mit Goldfinger, da die aus dem Nichts kam und ich einfach eine Mail bekam, in der ich gefragt wurde, ob ich darauf Lust hätte und natürlich habe ich „ja“ gesagt und die Gelegenheit ergriffen. Goldfinger ist eine Band, die in dieser schwierigen Zeit sehr kreativ ist und es war toll, Teil eines Projekts zu sein, das versucht, positiv zu sein und etwas Neues in diesen Zeiten zu starten. Bands können nicht touren und das machen, was sie normalerweise tun…
Und Goldfinger haben außerdem immer diese süßen Hunde in den Videos, die total unbeeindruckt auf der Couch liegen.
Das stimmt! In meinem kleinen Studio ist es leider zu laut, um Hunde oder Katzen reinzulassen. Aber ich liebe Hunde, das ist für mich also auch ein sehr gutes Argument für die Videos.
Video: Kye Smith feat. Goldfinger – A Million Miles
Ja, die sind ziemlich niedlich. Gibt es denn eine Band, mit der Du besonders gerne mal zusammenarbeiten würdest?
Ich denke da würde ich Green Day sagen, da sie mich zur Musik gebracht haben. Ohne sie wäre ich heute nicht da, wo ich bin und vermutlich wäre ich bestimmt irgendwie anders zu der Musik gekommen, aber das wäre natürlich etwas ganz Besonderes, weil Green Day eben die erste Band war. Und ich mag sie immer noch genauso sehr wie damals mit zwölf. Das wäre also eine große Sache.
„Es ist cool zu sehen, dass aus dieser schlimmen Zeit so viel Kreativität hervorgeht“
Verständlich. Wie sieht denn die Punkrock-Szene in Australien aus?
Ich würde sagen sie ist ziemlich verstreut. Sie unterteilt sich eher in viele kleine Szenen, wie Skate Punk oder Gruppen, die eher die Oi-Richtung hören. Ich würde nicht sagen, dass es eine florierende Szene ist, es gibt also keine besonders große Resonanz auf lokale Shows. Wenn aber eine Band wie Lagwagon oder NOFX spielt, sind die Shows für gewöhnlich ausverkauft, es gibt also ein generelles Interesse an Punkrock. Aber für lokale Bands ist es in Australien schwierig, eine Fanbase aufzubauen, vor allem weil alles sehr weitläufig ist. wenn Du eine Tour in den großen Städten spielen willst, musst Du teilweise zwölf Stunden zwischen den Städten fahren und deswegen ist es für Bands schwierig, hier zu touren. Vor allem lokale Bands können teils einfach keine Shows spielen, weil schlicht die Menschen dafür fehlen. Wie gesagt, es ist ein gewisses Interesse an Punkrock da, aber es ist nicht einfach zu touren. Meine Band hat damals in 2014 ein paar Shows in Europa gespielt und das war großartig. Es war mitten in der Festivalsaison, Du bist ein paar Stunden gefahren und warst in einem anderen Land. Es wirkt als wäre dort alles etwas einfacher, als hier in Australien.
Australien hat momentan mit zwei Krisen zu kämpfen: Den schlimmen Buschbränden und natürlich Corona. Wie wirkt sich das auf die Szene aus? Hier in Deutschland gibt es sehr viele kleinere Locations, Veranstalter und Bands, die große Probleme haben, die Zeit zu überstehen.
Hier ist es genauso. Shows dürfen nicht stattfinden, momentan bleibt also nichts anderes, als Livestreams. Ich glaube ab heute dürfen Bars und Clubs aufmachen und bis zu 50 Menschen reinlassen. Aber ich denke 50 Leute sind für die meisten Clubs zu wenig, um eine Show zu veranstalten. Es ist also eine sehr schwierige Zeit für die Künstler, aber auch für die Crew, die Tourmanager und alle Menschen, die in der Musikindustrie arbeiten, da nicht jeder das, was er sonst tut, auch online ausüben kann. Künstler können Livestreams anbieten, aber Tourcrews haben es momentan sehr schwer. Ich hoffe das wird bald besser, aber es ist definitiv eine sehr spannende Zeit gerade.
Ich habe auch schon einige Bands gesehen, die speziell für ihre Crew Geld sammeln.
Ja, solche Dinge sind ziemlich cool. Ich habe auch gesehen, dass einige Bands spezielles Merchandise anbieten, deren Einnahmen komplett an die Crew gehen. Es ist cool zu sehen, dass aus dieser schlimmen Zeit so viel Kreativität hervorgeht. Dennoch ist es eine furchtbare Situation, in der man schauen muss, wie man die Dinge unter diesen schlimmen Umständen am Laufen hält. Es ist eine schwierige Zeit.
Video: Kye Smith – Blink-182 (5 Minute Drum Chronology)
„Ich habe viel Glück da zu sein, wo ich momentan bin“
Das stimmt. Wie sehen denn Deine Zukunftspläne momentan aus?
Um ehrlich zu sein war ich noch nie jemand, der weit in die Zukunft geplant hat. Ich habe mich schon immer eher darauf fokussiert, was ich im Moment mache und wenn das zu etwas Neuem führt, ist das toll. Aber bei allen bisherigen Dingen konnte ich vorher nicht planen. Ich hätte nicht planen können, mit den coolen Bands zusammenzuspielen, mit denen ich es getan habe. Deswegen denke ich einfach, dass ich das weiterführen werde, was ich aktuell mache. Ich habe einen zweijährigen Sohn, also schaue ich die Balance dazwischen zu finden das zu tun, was ich liebe – also Musik zu machen und Videos zu drehen – und genügend Zeit für meine Familie zu haben. Das zu schaffen ist das, was mir wirklich wichtig ist und deswegen habe ich keine großen Pläne für die Zukunft. Einfach so viele Videos zu drehen wie ich kann, weiterhin Schlagzeug spielen und schauen, wohin das führt.
Klingt sehr gut! Das sagt ja letztlich aus, dass Du zufrieden und glücklich mit Deinem Leben bist und alles gut ist. Abgesehen von Corona zumindest.
Ich kann mich auf jeden Fall nicht beklagen. Wenn man zum Beispiel schaut, was gerade in den USA passiert – es ist weltweit eine schwierige Zeit gerade. Ich habe viel Glück da zu sein, wo ich momentan bin. Wie ist es momentan in Deutschland?
Wir sind auch im Lockdown. Geschäfte sind geöffnet, in der Öffentlichkeit müssen Masken getragen werden. Shows wurden alle abgesagt, ebenso die Festivalsaison – große Veranstaltungen dürfen bis vorerst zum 31. August nicht stattfinden. Ich weiß nicht wie es Ende des Jahres aussehen wird. Es wurden einige Shows angekündigt, aber ob die stattfinden können… Ich weiß auch nicht, ob ein Konzert in einer kleinen Location der Ort ist, an dem man dann sein möchte.
Das stimmt. Wenn alles wieder öffnet sind die Leute sicherlich besorgt, ob sie wirklich alles wieder machen sollen oder nicht, vor allem wenn es um größere Menschenmengen geht.
Und vor allem auf Punkrockshows: Alle stehen eng beieinander, schwitzen…
Genau. Es wird auf jeden Fall ein spannendes Jahr und hoffentlich wird alles bald wieder etwas besser.
Das hoffe ich auch. Vielen Dank für Deine Zeit und das Interview.
Danke auch!